Viticulture World | Erweiterung | ab 14 Jahren | 1 bis 6 Spielende | Mihir Shah & Francesco Testini | Feuerland Spiele
Ich bin wirklich schon lange am Überlegen, ob mir eine Erweiterung wie „Viticulture World“ schon mal untergekommen ist. Denn die neue Box stellt das Spielprinzip des Grundspiels rund um den Weinanbau komplett auf den Kopf! Statt sich um die besten Einsetzfelder zu rangeln und den anderen das Leben schwer zu machen, eifern wir in „Viticulture World“ gemeinsam um den Sieg.
Das Spiel
Viticulture World ist ein Erweiterung von Mihir Shah & Francesco Testini und bei Feuerland erschienen. Es ist für 1-6 Spielende geeignet und kann ab 14 Jahren gespielt werden.
In „Viticulture World“ pflanzen, ernten und produzieren wir plötzlich zusammen Wein, um gemeinsame Zielvorgaben zu erfüllen. Dazu haben wir genau 6 Spielrunden Zeit. Insgesamt können wir aus sieben verschiedenen Szenarien auf verschiedenen Kontinenten auswählen, die sich im Schwierigkeitsgrad unterscheiden. Das erste Szenario ‚Grünland‘ ist dabei eine Hommage an den Feuerland-Klassiker „Charterstone“. Damit lernt man als Einleitung die grundlegenden Spielprinzipien.
Obwohl einiges in der Schachtel steckt, geht auch bei dieser Erweiterung ohne das Grundspiel nichts. Deswegen organisieren wir uns aus „Viticulture“ für alle ein Set in der gewünschten Spielfarbe plus das Material für das eigene Weintableau, die Münzen und Glasmarker sowie die kleinen Spielkarten. Und vergesst den Traubenmarker nicht. Was wir sonst so brauchen, steckt in „Viticulture World“. Das ist ein neuer Spielplan, Mama- und Papa-Karten und ein Kartensatz für das Szenario, das wir uns ausgesucht haben. Außerdem finden wir auch noch eckige und ovale Aufwertungsplättchen. Macht Platz, denn eure Spielunterlage wird gut gefüllt sein.
Beim ersten Blick auf den Spielplan sehen wir wieder die Aufteilung in die Jahreszeiten. Der Frühling und Herbst dienen gewohnt der Organisation, im Sommer und Winter geht’s um das Platzieren der eigenen Arbeiter auf den Einsetzfeldern. Wer gewohnt ist mit der „Tuscany-Erweiterung zu spielen“, findet einen alternativen Spielplan auf der Rückseite. In der Schachtel sind auch noch blaue und gelbe Hütchen. Die werden euren Holzarbeitern auf den Kopf gesteckt. Jetzt sind es offiziell Saisonarbeiter. Die Hüte markieren, in welcher Jahreszeit sie eingesetzt werden dürfen. Gelb steht für Sommer, Blau ist der Winter. Das schränkt aber ganz schön in der Planung ein. Werden Saisonarbeiter im Verlauf des Spiels über entsprechende Aktionen der Einsetzfelder ihren Hut los, werden sie offiziell zu ausgebildeten Arbeitern. Dann können sie beliebig in den Jahreszeiten eingesetzt werden. Bezieht das schon schnell in eure strategischen Bemühungen mit ein.
Bei den Einsetzfeldern auf dem Spielplan fällt sofort auf, dass die Boni fehlen. Um die muss man sich im Verlauf des Spiels erst einmal kümmern und sich die durchaus preisigen Aufwertungsplättchen organisieren, die im Spiel Innovationen heißen. Die gibt es in zwei Ausführungen. Oval gibt einen zusätzlichen Bonus, eckig wertet die Aktion an sich auf. Da kann man beispielsweise statt zwei Weinen plötzlich drei Weine herstellen und einen davon sogar um zwei Jahre altern lassen. Oder sogar zwei statt nur einem Gebäude inklusive Rabatt bauen, und dafür noch einen Siegpunkt bekommen. Mein Tipp: Habt dauerhaft einen Blick auf das aktuelle Aufwertungsangebot und zu Beginn einer jeden Runde ein paar Münzen auf der Seite. Die Verbesserung der Einsetzfelder ist euer Schlüssel zum Erfolg.
Denn der Weg zum Sieg ist echt beschwerlich! Nur, wenn alle Spielenden 25 Siegpunkte gesammelt haben und dazu noch die Bekanntheit das Feld 10 erreicht hat, gewinnen wir zusammen. Ansonsten geht unsere Weingenossenschaft den Bach runter. Unsere persönliche Statistik ist da negativ. Wir können aber mit schlechtem Wein und schlechten Ergebnisse gut umgehen.
Eigentlich ist auch „Viticulture World“ vom Spielgefühl sehr vertraut: Arbeiter in den Jahreszeiten einsetzen, Aktionen ausführen, Weinreben pflanzen, Aktionskarten ausspielen, ernten und Weine vor dem Verkauf noch herstellen. Das bekannte ‚Viti-Feeling‘ stellt sich ganz auch in dem Koop-Modus ganz schnell ein. Die neuen Aspekte hat man sich ganz schnell angeeignet, wenn man das Grundspiel schon kennt. Jede der sechs Runden wird aber durch eine Art Ereigniskarte eingeläutet. Das können positive, aber auch negative Regeländerungen für die aktuelle Runde sein.
Toll ist, dass man sich in „Viticulture World“ auch durch gelegentliche Tauschgeschäfte gegenseitig unter die Arme greifen darf. Das ist zwar im ersten Moment total ungewohnt, macht aber sehr flexibel, wenn es zum Beispiel um das Erfüllen von Aufträgen geht. Statt Winzer-Ich-AG tritt man in „Viticulture World“ vielmehr als Winzergenossenschaft auf. Und das ist auch dringend notwendig, denn die Herausforderungen der einzelnen Szenarien sind knackig! Spiel-Erfahrung aus dem Grundspiel darf man deswegen gerne einbringen. Passt aber auf, dass ihr dann nicht zu dominant auftretet und den anderen andauernd eure Pläne vorschreiben möchtet. Oder entwickelt eben auch daran Freude mal gemeinsam zu scheitern. So ist es uns direkt in dem Asien-Szenario gegangen.
Fazit
„Viticulture World“ geht als Erweiterung einen anderen Weg und stellt einfach mal das Spielprinzip aus dem Grundspiel auf dem Kopf. Und das fühlt sich so gut an! Man hat ein bisschen organisatorisches Hin- und Her-Geräume vor und nach einer Partie, bis man die benötigten Spielmaterialien aus den beiden Schachteln zusammengetragen hat, aber dieser Aufwand lohnt sich meiner Meinung sehr.
Ich bin nicht (mehr) der größte Fan kooperativer Spiele, aber bei „Viticulture World“ finde ich trotz aller gemeinsamen Entscheidungen immer noch genug Raum für mein eigenes Spiel. Ich muss mich außer um unser gemeinsames Spielziel ebenso um meine Weine und Aufträge kümmern, den Ausbau meines Weinguts vorantreiben und die blauen und gelben Karten passend ausspielen, denn alle müssen die 25 Siegpunkte erreichen. Das ist eine Hürde, an der wir regelmäßig scheitern. Aber wie so oft gilt bei kooperativen Szenario- oder Kampagnenspielen: Versuch macht klug!
Die unterschiedlichen Szenarien bringen durch unterschiedliche Spielinhalte unterschiedliche Spielerlebnisse. Die Ereigniskarten bieten sogar eine Menge schmückender Stimmungstexte (sogenannte Flavour- oder Fluff-Texte) über die Bedeutung des Weinanbaus in den unterschiedlichen Kontinenten. Kann man haben, aber ihr könnt auch gerne Fakten zu China und deren Bedeutung für den weltweiten Rotwein-Markt überspringen und zur eigentlichen Regeländerung durch die Karte kommen. Diese Ereignisse stellen sich als sehr wichtig auf dem Weg des Erfolgs heraus. Mal entstehen erhöhte Kosten, mal hat man Aussicht etwas zu verbessern, wenn man eine spielerische Bedingung erfüllen kann. Ohne euch zu viel zu verraten: Da liegt viel Dynamik in „Viticulture World“!
Wie schon das Grundspiel ist aber auch die Erweiterung nichts, was die Generationen zum gemeinsamen Spielen animiert. Da sind viele kleine Teile, mit denen man hantieren muss, die Schrift auf den Karten ist sehr klein geraten und das Spielfeld kann schnell unübersichtlich werden. Die Idee, die Arbeiter mit gelben und blauen Hüten zu unterscheiden, ist wirklich gut. Leider fallen die Hüte bei uns spätestens in der Aufräumphase am Ende eines Jahres aber oft vom Kopf. Das ist dann ein bisschen fummelig. Aber wer seine Arbeiter liebt, kleidet sie eben immer wieder neu ein.
Ich möchte zum Schluss noch einen besonderen Aspekt von „Viticulture World“ besonders hervorheben. Die neuen ‚Mama- und Papa-Karten‘ der Erweiterung sind nun so gestaltet, dass sie zusammen mit den Karten des Grundspiels auch gleichgeschlechtliche Paare ergeben können. Wenn das nicht mal ein klares Zeichen hin zu einer diversen, toleranten und integrativen Gesellschaft ist!
Bewertung / Test
+ aus gegeneinander mach miteinander
+ sieben herausfordernde Szenarien
+ Tauschmodus
– um spielen zu können, muss man Material aus zwei Schachteln managen
– Hüte halten nur mäßig
(Eine Rezension von Oli Clemens)
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Die folgende Bewertung erfolgt innerhalb der Kategorie:
“Erweiterungen”
Viticulture World (2002)
Spielidee: Mihir Shah & Francesco Testini
Grafik: Andrew Bosley
Verlag: Feuerland Spiele
Anzahl der Spielenden: 1-6 Personen
Altersempfehlung Verlag: Ab 14 Jahren
Eigene Altersempfehlung: Wer das Grundspiel kennt, darf gerne auch schon ab 12 mitspielen.
Spieldauer: Varriert nach Personenzahl, aber auf jeden Fall 75 Minuten plus.
Generationentauglichkeit: Generationenverbindendendes Spielen ist hier sicher nicht vorgesehen.