Dem Fermi Paradoxon zum Trotz – SETI von HeidelBÄR / Czech Games Edition (Rezension)

SETI | Expertenspiel | ab 14 Jahren | 2 bis 4 Spielende | Tomáš Holek | HeidelBÄR | Czech Games Edition | pädagogisch wertvoll

Das Paradoxon des Physikers Enrico Fermi meint auf die Kernaussage reduziert: Es gibt extraterrestrische Intelligenz im Weltall, die in der Lage wäre das Universum zu besiedeln. Nur warum sind wir dann nicht längst gefunden worden? Diesen Widerspruch als Ausgangspunkt nehmen wir unser Schicksal eben selbst in die Hand. Mittels einem Programm – dem S.E.T.I.-Programm oder ausformuliert der „Suche nach extraterrestrischer Intelligenz“ halten wir genau danach Ausschau. Dem bekennenden Astronomieliebhaber Tomáš Holek diente diese Suche als Inspiration für ein ganzes Spiel und das ist vor allem eines: Umwerfend schön!

Spielplan und Material

Das Spiel
SETI
ist ein Expertenspiel von Tomáš Holek und bei HeidelBÄR / Czech Games Edition erschienen. Es ist für 2-4 Spielende geeignet und kann ab 14 Jahren gespielt werden.

Ein Spiel in dieser Größe zu beschreiben ist aus meiner Sicht ein schwieriges Unterfangen – wer liest das schon alles? Und doch gibt es über SETI eine Menge zu erzählen. Ich habe mir mit dieser Rezension viel Zeit gelassen und es im Spiel zu zweit, zu dritt und zu viert getestet. Mal mit Personen, die gerne grübeln und mal mit den sogenannten „aus dem Bauch heraus“ Spielenden. Ich habe die typischen Fehler oder „Regelinterpretationsfehler“ gemacht, wie sie bei einem Spiel dieser Größe vielleicht auch dazugehören. Nun fasse ich meine Eindrücke hier etwas zusammen.

Im Grunde haben wir 8 Aktionsmöglichkeiten, die wir reihum im Uhrzeigersinn auslösen. Ergänzt um verschiedene „freie Aktionen“ ist das dann eine ganze Menge. Da eine Erklärung hier an der Stelle zu weit führt, nur kurz umrissen: Wir starten Weltraumsonden, landen damit auf Planeten oder funktionieren sie zu Satelliten um. Wir scannen den Sternenhimmel und gewinnen kostbare Informationen über die nahegelegenen Sonnensysteme. Wir verbessern unsere Aktionen um sie effektiver nutzen zu können oder wir gewinnen mittels Datenanalyse wertvolle Informationen über extraterrestrische Intelligenz. Über all diesen Möglichkeiten thront die am wichtigsten und häufigsten durchgeführte Aktion: Karten ausspielen! Wenn ich weder Ressourcen noch Karten am Rundenende übrig habe, bleibt mir nur übrig zu passen.

Die Rundenübersicht
Alle Hauptaktionen und freien Aktionen auf einen Blick – schön bunt, gut oder?

Jetzt spielen Begriffe eine Rolle wie „Ruf“ und „Einkommen“ und so verbessern wir uns im Laufe unseres Wettstreites immer ein bisschen mehr und entdecken die erste Intelligenzform. Das ist für mich einer der schönen Momente im Spiel: Bei Spielbeginn wurden 2 der 5 Formen zufällig ausgewählt und verdeckt an den Spielplan gelegt, sowie eine entdeckt wird, wird das Tableau umgedreht und ihre Identität preisgegeben. Das bisher bestehende Spiel erfährt in einer kurzen Geschichte ein paar Informationen zum nun ergänzten Spielablauf. Mal kommt ein „pick up & deliver“ hinzu, mal ein „area control“ und auch eine Variante eines Bluffs ist mit integriert. Vorallem bieten diese 5 verschiedenen Formen der extraterrestrischen Intelligenz eins: Mehr Möglichkeiten zu punkten.

Auszug aus dem Spielplan, Spielfiguren belegen Felder
Bekannt bereits aus anderen Titeln wie z. B. Kutná Hora: Material aus Re-Wood – recyceltem Holzabfall.

Wie schön fühlt es sich an, wenn mir in meinen letzten Zügen vor Rundenende auffällt, dass ich genau noch das erzielen und erreichen kann, was ich mir vorgestellt habe. Wie toll ist es, wirklich hohe Siegpunktzahlen einzukassieren, wenn die Landung auf einem der Saturnmonde gelingt. Oder wenn ein gescannter Sektor überprüft wird und ich die Belohnung für die Mehrheit erhalte. Das ist wahrhaftig ein tolles Spielgefühl. Das sich eine Person wirklich „festfährt“ und gar nichts mehr machen kann ist in meinen Testpartien nicht passiert, wohl aber wurden die Abstände zwischen den Platzierungen relativ schnell relativ groß. Das ist je nach Person frustrierend oder anspornend und kann sich empfindlich auf den Spielspaß auswirken – beides habe ich erlebt, sowohl an mir selbst als auch bei meinen Gegenübern.

Durch die Einbettung des Themas in solide Spielmechaniken gibt es vor allem in Partie Nummer eins und zwei soviel zu entdecken und zu verstehen, dass die Punktzahl meist sekundär gewesen ist. Dennoch will ich an dieser Stelle hervorheben, dass es keinen „Platzierungsausgleich“ gibt. Eine Partie dauert 5 Runden und eine Runde geht genau so lange, bis alle am Tisch gepasst haben. Das macht die Partie zwar planbar, jedoch auch recht lang, wenn es nicht läuft. Und da sind die am Tisch Grübelnden noch gar nicht berücksichtigt.

Nahaufnahme eines Teils der Spielmaterials
Schön und bunt und übersichtlich! SETI halt!

Die Spielkarten, das Spielmaterial, die doppelschichtigen Spielertableaus – alles ist von für die beiden Verlage von gewohnt guter Qualität. Die Gestaltung wirkt sehr übersichtlich und die Farbwahl passt sehr gut ins Gesamtkonzept. Die kleinen Spielmaterialien sind zum Teil aus Re-Wood, ein Material was bereits im Spiel „Kutná Hora“ zum Einsatz kam und einen nachhaltigen Weg der Brettspielindustrie andeutet. Das ist prima! Aufgrund des vielen Spielmaterials ist es dann allerdings eine Tütchenschlacht vom Feinsten, so dass Fans des Brettspiels hier schnell auf einen Sortiereinsatz zurückgreifen werden. Im Falle der vorgestellten Version habe ich das bereits gemacht.

Figuren sind auf Planeten postiert
Es wird eng auf und um den Mars – 3 Sonden schwirren als Satelliten um den roten Planeten, zwei sind darauf gelandet.

Ein Generationenspiel ist „SETI“ ganz und gar nicht – und es fällt nicht schwer anzunehmen, dass das auch nie beabsichtigt gewesen ist. Selbst wenn das Thema für viele Geschichten gut ist, so ist es weder die Kleinteiligkeit im Material noch die Verkettung der Spielmechanik um hier von einem Titel für Jung und Alt zu sprechen. Das ändert jedoch nichts am Erfolg des Spiels, denn in vielen Spielrunden ist „SETI“ einer der Titel aus dem Jahre 2024.

Nahaufnahme des Zentrums des Spielplans, ein mehrfach verstellbares Rondell
Auf der erdabgewandten Seite findet sich Merkur – hier mit Saturn in einer Konstellation und Blick auf Sirius A … schön!


Fazit

Bislang habe ich um große Titel, die im Weltall angesiedelt waren immer einen Bogen gemacht. Auch wenn sie noch so schön waren, irgendwie wirkten sie immer zu langatmig. „SETI“ ist da nicht viel anders und dennoch bin ich hier ganz anders gestimmt. Ich sitze nicht auf der Brücke eines Raumschiffes und versuche die Galaxis zu erobern, sondern ich sitze in der Ground Control meines Weltraumkonzerns und trage zur Entdeckung Außerirdischer Intelligenz bei. Auch wenn ich manchmal lieber mehr Intelligenz „innerirdisch“ finden möchte – nur das ist ein anderes Thema – bin ich hier immer auf der Suche nach einer Fortsetzung meiner Aktionsmöglichkeiten.

Im Grunde trifft „SETI“ einen ganz gelungenen Mix aus den Karten, die auf 4 Arten genutzt werden können und verknüpft die Aktionen geschickt miteinander, so dass ein Mechanikenmix entsteht, der vorvallem in den ersten Partien zu erschlagen vermag. Mit guter Lernkurve sieht es in den Folgepartien besser aus, sofern nach der ersten Partie die Freude am Spiel erhalten geblieben ist. Hier spaltet „SETI“ die Gemeinschaft – während es die einen in den Himmel wortwörtlich zu den Sternen heben, ziehen die anderen ein ernüchterndes Fazit im Sinne von gespielt und kennengelernt und keine weitere Partie.

Mich lässt „SETI“ etwas zwiegespalten zurück – zum Einen bin ich von der Gestaltung und der Thematik sehr begeistert und zum Anderen frage ich mich mit Blick auf die Brettspielentwicklung, wieviel Mix der Mechaniken brauche ich wirklich? Denn so schön und hübsch das alles anzuschauen ist, so sehr benötigt es auch Zeit und Geduld beim Spiel selbst. Genau dass sehe ich nämlich als wichtigen Aspekt eines Brettspiels, wie schnell will ich es wieder spielen? Wie viel Zeit nehme ich mir gerne dafür?

Wem all das kein Hindernis darstellt und wer sich liebend gern in abendfüllende Unterhaltung ggf. in Überlänge durch ein einziges Brettspiel stürzt, der ist hier genau richtig. Wer davor bisher zurückschreckt, sollte durchaus mal einen Blick auf „SETI“ werfen und sich ein eigenes Urteil bilden. Es lohnt sich auf jeden Fall – denn der Blick zu den Sternen ist seit „SETI“ wieder etwas anders und lädt hin und wieder zum träumen und einer weiteren Partie ein. Danke dafür!

 

Bewertung / Test
+ Optisch sofort fesselnd (Stichwort: Tischpräsenz!)
+ Thematisch bleibt kein Wunsch offen
+ Spielerhilfe sehr zweckmäßig mit guter Ikonographie
– Spielanleitung mit einigen, wenn auch kleineren Lücken, nicht zum Nachschlagen geeignet.
– Viel Potential den Rahmen eines Spieleabends zu sprengen (Stichwort: Analysis Paralysis!)
– Je nach Charakter wenig Spielfreude, wenn in der Punktewertung früh „abgehängt“

 

(Eine Rezension von Tobias Mallock)

Tobias

 

Wichtige Informationen zu unseren Rezensionen (KLICK)

 

ACHTUNG – hier geht es zu unserem YouTube-Kanal:
Spielecafé der Generationen – Jung und Alt Spielt – YouTube

SETI (2024)

Spielidee: Tomáš Holek
Grafik: Ondřej Hrdina, Oto Kandera, Jiří Kůs, Jakub Lang, Michaela Lovecká, Jiří Mikovec, Jakub Politzer, Petra Ramešová, František Sedláček, Petr Štich (III), Josef Surý
Verlag: HeidelBÄR (deutsche Lokalisierung)  / Czech Games Edition
Anzahl der Spielenden: 1 – 4 Personen
Altersempfehlung Verlag: Ab 14 Jahren
Spieldauer: 60 – 180 Minuten

Generationentauglichkeit: Weder beabsichtigt noch erzielt.
Pädagogisch wertvoll: Das Interesse für das Thema und das Universum wird geweckt, vor allem wenn es auf fruchtbaren Boden fällt.