Dampfmaschinenbau – Insel-Express: Der kleine große Engine-Builder von Board Game Circus (Rezension)

Insel-Express: der kleine große Engine-Builder | Kennerspiel | ab 10 Jahren | 1 bis 4 Spielende | Dan Keltners & Seth Jaffers | Board Game Circus

Wenn in (Brett-)Spielen vom Spielmechanismus eines Engine Builders die Rede ist, so meint das meist, dass ich über mehrere Runden einen eigenen Spielbereich aufbaue, der für mich die Standardaktionen verstärkt und mir dadurch Vorteile gegenüber meinen Mitspielenden bringt. Diese Maschinen sind dabei meist abstrakt und erlauben verzahnte Spielzüge. Wie naheliegend ist es, dieses abstrakte Konstrukt vom Maschinenbau auf Dampfmaschinen anzuwenden? Schauen wir uns das Ergebnis mal genauer an!

Spielmaterial ausgebreitet, inklusive Spielschachtel und rotem Stoffbeutel für Passagiere
Kleine Schachtel – viel Inhalt! Wenn die Lokomotive es schafft, wird der Zug lang.

 

Das Spiel
Insel-Express
ist ein Kennerspiel von Dan Keltners & Seth Jaffers und bei Board Game Circus erschienen. Es ist für 1-4 Spielende geeignet und kann ab 10 Jahren gespielt werden.

Die hübsche und beschauliche Optik dieser kleinen und prall gefüllten Spielschachtel täuscht über den Anspruch von „Insel-Express“ hinweg. Es ist ganz und gar kein Kinderspiel!
Wir 1 – 4 Spielenden haben zu Beginn des Spiels alle je eine Lokomotive der Stufe 1. Sie hat mehr Zugkraft als ein Pferdewagen, und kann doch nicht grenzenlos mit Waggons behangen werden. Diese Waggons benötigen wir jedoch dringend, um Passagiere und bestenfalls auch Frachtgut an Orte der Insel zu liefern. Doch damit nicht genug!

Nicht allein die Zugkraft der Lokomotive ist hier ein Nadelöhr in der Verbesserung des eigenen Zuges, die Kosten für den Waggon wollen ebenfalls bezahlt werden, und zwar mit eben jenen Handkarten, mit denen ich entweder den eigenen Zug optimiere, Gebäude baue oder Waggons mit der entsprechenden Fracht belade – eine echte Zwickmühle! Zudem gilt es am Ende der Runde noch das Handkartenlimit im Auge zu behalten. Und schon bin ich mitten drin im „Insel-Express“-Kennerspielniveau.

Die Karten der Insel als Zielorte für Hauptaufträge, davor die Lokomotive auf dem Gleis.
Passagiere sind bereits angekommen, die Frachtaufträge lassen noch auf sich warten …

 

Neben der liebevollen Bebilderung des Spiels sind es vorallem die übersichtliche Anleitung und die Ikonographie, die den Einstieg in den kleinen großen Engine Builder angenehm sanft gestalten. Kein Ruckeln eines anfahrenden Zuges oder ähnliches erkennbar, was einen unverzüglichen Start verhindern könnte.

Was beim Vergleich mit einem Zug mit einigen Waggons gleich ist, ist die anfangs langsame und stetige Zunahme der Geschwindigkeit in den Aktionen des Spiels. Verkettungen der Spielaktionen gelingen gerade in fortgeschrittenen Phasen des Spiels oft sehr gut und erfordern hin und wieder ein wenig Geduld von den Mitspielenden.

Dabei ist die Übersicht möglicher Aktionen relativ kurz und überschaubar. Aus den genannten führt jede Person 2 Aktionen aus, bevor die nächste Person an der Reihe ist:

  • Karte oder Passagier nehmen
  • Karte bauen (entweder an den eigenen Zug oder 1 Gebäude in die eigene Auslage)
  • 1 Ware oder 1 Passagier in einem beliebigen Zug platzieren
  • Waren oder 1 Passager aus dem eigenen Zug (ab)liefern

Hier kommt nun eine kurze Skizzierung, wie diese Verkettungen eben ablaufen können. Unspektakulär und manchmal unausweichlich ist es, eine Karte zu ziehen oder einen Passagier zu nehmen. Eine Karte bauen verbessert oft den eigenen Zug, ein eigenes Gebäude hingegen gibt eine mir die Möglichkeite in der Endwertung zusätzlich Siegpunkte zu erhalten. Die aufgedruckten Kosten der Karte bezahle ich, wie erwähnt, mit Handkarten.

Beim Platzieren von Waren oder Passagieren – beladen und einsteigen lassen beschreibt es wohl sehr gut – nutze ich die Transportkapazitäten eines Zuges. Auch eigene Waren werden durch passende Handkarten dargestellt, die sich dann zwar aufgeladen auf dem Zug befinden, jedoch schmerzlich in der eigenen Kartenhand fehlen könnten. Nach dem Platzieren darf ich dann oft Karten ziehen und eine bestimmte Aktion zusätzlich als Bonus ausführen. Jeder Waggon hat da andere Boni, die in verbesserten Versionen sogar noch mächtiger werden.

In den Testspielen kam es selten vor, dass der Waggon eines anderen Mitspielenden genutzt wurde, da sich hier jeder auf den eigenen Zug konzentrierte. Diese Option, nicht den eigenen Zug zu nutzen, ermöglicht mir als beladende Person zwar die Bonusaktion auszuführen, jedoch steht der gewählten Person dann eben die Ware oder der Passagier zur Verfügung. Denkbar wäre auch, die Kapazität im Waggon eines Mitspielenden zu nutzen um den Platz zu besetzen, denn ein Waggon kann nur bis zur Kapazitätsgrenze beladen werden. Wenn ich neu Platzieren möchte, muss ich diese Waren zunächst in einer kostbaren Aktion loswerden.

Szene aus dem letzten Zug, die Waggons sind auf Stufe 3 und voll beladen.
Engine-Builder at it’s best: Wenn das Beladen eines Waggons wie von alleine geht und Güter am Spielende auch noch 2 Siegpunkte je gelieferte Kiste einbringen.

 

Bleibt noch das Liefern zu beleuchten. Hier darf jeder Spielende entweder einen Auftrag erfüllen oder einen Passagier an seinen Zielort bringen. Die Aufträge stellen Bereiche der Insel dar und werden durch Folgeaufträge noch erweitert. Die Passagiere wollen ihrer Farbe entsprechend zu einem der 6 Ausflugszielen gebracht werden, wo sie für ihre Platzierung ebenfalls Punkte, Karten oder Bonusaktionen einbringen. Für ein mit 3 Passagieren gefülltes Ausflugsziel oder für einen aus der Auslage genommen Auftrag, respektive Inselbereich, fährt eine schwarze Lokomotive auf einem Gleis vorwärts. Wird das Zielfeld erreicht, endet das Spiel. Es gewinnt, wer dann die meisten Punkte in Summe eingefahren hat.

Das schöne an Engine Buildern ist, wenn sie funktionieren und sie im Ablauf nicht großartig gestört werden (können). Genau das passiert bei „Insel-Express“ Runde für Runde. Wie bereits erwähnt gleicht eine Partie tatsächlich einem startenden Zug, der im Laufe eines Spiels ordentlich Fahrt aufnimmt. An dieser Stelle trat in den Testpartien Verunsicherung ein. Die Frage „mache ich das so richtig?“ trat auf, als mit dem Platzieren einer Ware, die Aktion Platzieren erneut ausgelöst werden konnte und mit der gleichen Ware eben noch eine und dann noch eine. Die Spielzüge wurden spürbar lang und unterschieden sich deutlich von den recht kurzen Aktionen zu Spielbeginn. Diesen Aspekt liebe ich an Spielen, die sich Engine Builder nennen. Das ist vergleichbar mit einem Gefühl, welches das Spiel „Civilization“ am PC regelmäßig herbeiruft: Nur noch eine Runde um zu testen wie es funktioniert!

Im Fokus die Lokomotive als Anzeiger für den Spielfortschritt
Viel Liebe im und zum Detail. Erreicht die Lok ein bestimmtes Feld, wird das Spielende ausgelöst

 

Und dann ist plötzlich Schluss. Und auch hier ist es das gleiche Gefühl wie bei einem der großen Engine Builder. Noch beim Punktezählen optimiere ich gedanklich die eigene Maschine – wo hätte ich besser mehr investieren können und was stellte sich im Spielverlauf als unnötig heraus. Das gelingt „Insel-Express“ hervorragend und darf seinen Untertitel mit Stolz behaupten.

 

Fazit
Spiele in kleinen Schachteln wecken generell mein Interesse. Was der spanische Verlag Looping Games mit Spielen der 1900er Reihe regelmäßig seit einer Weile schafft, gelingt immer öfter auch dem Team um Daniel Theuerkäufer, vermutlich besser bekannt als Board Game Circus. Kleine Schachtel, viel Inhalt. Allein die Idee den Spielmechanismus Engine Building – also das Bauen einer Maschine – in die Welt des von Dampfmaschinen betriebenen Transportes anzusiedeln, finde ich großartig. Der Einstieg fällt relativ leicht und die Regeln sind mit 10 Jahren bereits problemlos erlernbar.

Diesem Umstand verdankt es, dass es vermutlich unter den relativ geradlinigen Spielen mit diesem Mechanismus auch als Einstieg in das Genre dienen kann. Es hält ganz sicher nicht mit der Tiefe und Komplexität eines „Revive“ mit, und genau dann würde es auch nicht mehr seinem eigenen Anspruch mit dem treffend gewählten Untertitel der kleine große Engine Builder gerecht werden. Stichwort klein: Genau das trifft auf die Kartentexte und Symbole auch zu, sodass es generationenübergreifend eher schwierig werden dürfte.

Für alle, die mal ein wenig das Spielgefühl verketteter Züge erfahren wollen, ist „Insel-Express – der kleine große Engine Builder“ ein guter Einstieg. Für alle, die sonst eher mehr Tiefgang benötigen, kann es ebenfalls lohnend sein hier auf den liebevoll umgesetzten Kernmechanismus aufmerksam gemacht zu werden.

 

Bewertung / Test
+ Übersichtliche Anleitung und Ikonographie
+ Guter Einstieg in das Thema „Engine Building“
+ Thema und Illustration ergänzen das Spielgefühl hervorragend
+/- Lange Verkettungen in den letzten Spielzügen erfordern viel Aufmerksamkeit

 

(Eine Rezension von Tobias Mallock)

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Die folgende Bewertung erfolgt innerhalb der Kategorie:
“Kenner- und Expertenspiele”

  • ... Altersgruppe bis 12 Jahre
  • ... Altersgruppe 13 bis 49 Jahre
  • ... Altergruppe 50 bis 70 Jahre
  • ... Altersgruppe ab 71 Jahre

Insel-Express: der kleine große Engine-Builder (2023)

Spielidee: Dan Keltners & Seth Jaffers
Grafik: Denis Martynets
Verlag: Board Game Circus
Anzahl der Spielenden: 1 – 4 Personen
Altersempfehlung Verlag: Ab 10 Jahren
Spieldauer: 60 Minuten

Generationentauglichkeit: Viele kleine Symbole auf den Karten schränken die Generationentauglichkeit ein.