Kutná Hora: Stadt des Silbers | Expertenspiel | ab 13 Jahren | 2 bis 4 Spielende | Ondřej Bystroň, Petr Čáslava und Pavel Jarosch | Czech Games Edition | pädagogisch wertvoll
„Sehr thematische Spiele haben ihre Schwächen in der Mechanik“ heißt es bei manchen Kritikern und leider behielten sie bei dem einen oder anderen Titel auch recht. „Kutná Hora“ ist wieder so ein historisch gut aufgearbeitetes und aufwendig recherchiertes Spiel mit ansprechendem Thema. Das Spiel will beweisen wie Thema und Mechanik gemeinsam funktionieren. Ob das klappt? Wie sich das anfühlt? Lies doch einfach weiter!

Das Spiel
Kutná Hora: Stadt des Silbers ist ein Expertenspiel von Ondřej Bystroň, Petr Čáslava und Pavel Jarosch und bei Verlag erschienen. Es ist für 2-4 Spielende geeignet und kann ab 13 Jahren gespielt werden.
Die Stadt Kutná Hora zu deutsch „Kuttenberg“ liegt 70 km östlich von Prag in Mittelböhmen und bereitet die Bühne für das Spektakel des neuen Spiels aus dem Hause Czech Games Edition. In einer Region, in der der Bergbau zu einem Ballungsgebiet führte und neben dem regen Treiben unter Tage auch die Stadt heranwachsen liess, sind wir als wohlhabende Kaufleute und lenken die Geschicke einer Stadt. So können wir zum Beispiel Gilden unterstützen in dem wir deren Handwerksgebäude errichten, öffentliche Gebäude errichten um den Wohlstand der Stadt zu mehren oder wir investieren in den Bergbau, indem wir Gruben finanzieren. All diese Bestrebungen sind nicht ganz uneigennützig, schließlich erhalten wir Einkommen für die produzierten Waren.

Sämtliche Aktionen werden über Handkarten ausgelöst – dabei habe ich stets zwei Möglichkeiten einer Handkarte zur Wahl. In meinem Spielzug spiele ich 2 Aktionen, bevor die nächste Person im Uhrzeigersinn an der Reihe ist. Bin ich erneut am Zug, so spiele ich wieder 2 Aktionen, bis ich ein letztes Mal am Zug bin und aus meinen verbleibenden 2 Karten eine auswähle. Dann ist bereits die 1. Runde im Spiel vorbei. Je nach Anzahl der Mitspielenden werden 5 oder 6 Runden gespielt bevor eine Partie „Kutná Hora“ mittels vielfältiger Endwertung die Platzierungen verteilt – es gewinnt die Person mit den meisten Punkten.

In meinem Spielzug darf ich sehr genau planen, was ich wann erledige. So finde ich mich immer wieder in der Situation, in der ich überlege, ob ich mir schnell noch das preiswertere und im Hinblick auf die Endwertung lukrativere Grundstück sichere oder vielleicht doch eine Aktion der heiligen Santa Barbara widme um dort eine Belohnung zu erhalten. Was wollen meinen Mitspielenden? Besteht Gefahr, dass sie mir das Ziel meiner Aktionen vor der Nase wegschnappen? Denn bestenfalls kann ich vielleicht beide geplanten Aktionen erledigen, doch darf ich auch die Besteuerung zum Rundenende nicht ganz aus den Augen verlieren, denn kann oder will ich meine Steuern nicht zahlen, so verliere ich an Ruf und Prestige. Genau dieses Element bringt mir jedoch mitunter spielentscheidende Vorteile und unter Umständen einen Bonus bei der Endwertung.
So kann es sich in deinem Kopf im Mittelteil des Spiels anfühlen und genau das macht „Kutná Hora“ so großartig spannend. Die Aktionen der anderen Mitspielenden kann ich nicht sabotieren, ich kann jedoch im Wettrennen um gute Bauplätze oder Baurechte von Gebäuden die Nase vorn haben, oder im Windschatten auf meinen nächsten Zug hoffen. Bevor ich mich versehe, wird auch schon das Spielende eingeläutet und dann werten wir recht umfangreich. Wofür es dann mehr Punkte gibt, bestimmen alle Personen gemeinsam im Verlauf des Spieles. Im Spiel gibt es die Patrizier, die über öffentliche Gebäude ins Spiel kommen. Je mehr es von einer bestimmten Sorte gibt, desto mehr liegt der Fokus dann eben auf jener speziellen Wertung – wie zum Beispiel ein öffentliches Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft zu haben. Das ist vielleicht auf den ersten Blick nur ein kleiner Puzzlestein im Spiel und kann sich am Ende auf Sieg oder Niederlage auswirken.

Während die öffentlichen Gebäude von jeder Person gebaut werden können, so sind die Gildengebäude exklusiv zu Beginn der Partie bestimmt. Im Spiel zu zweit kommen wir uns dabei gar nicht in die Quere, denn jede Person erhält 3 Gilden – bei 6 im Spiel, macht das 3 verschiedene für die Mitspielenden. Ab dem Spiel zu dritt gibt es hier Überschneidungen, die mittels zufällig gezogener Karte anfangs direkt verteilt werden. Diese Exklusivität gibt mir im Spiel das Gefühl von Verantwortung für bestimmte Handwerkszweige, denn gibt es viele Minen, so sinkt der Preis von Kohle, das verhält sich alternativ mit jedem Handwerk so. Erst das Wachstum der florierenden Gemeinde zu einer Stadt lässt aufgrund einer größeren Bevölkerung die Nachfrage steigen und somit auch den Preis. Ich bin also auf gewisse Art und Weise verantwortlich für das Preisgefüge und das Wachstum der Stadt.

Ich möchte einerseits, das mein Handwerk wächst und sich etabliert, andererseits möchte ich auch den entsprechenden Lohn für meine Arbeit erhalten. Wenn ich Waren kaufen muss – wie z. B. Genehmigungen oder Holz für den Bau von Gebäuden und Minen darf es dann allerdings auch wieder preiswert sein, eben kostete die Einheit Holz noch 2 Groschen und durch das Wachstum der Stadt und die gestiegene Nachfrage plötzlich wieder 3 Groschen je Einheit – ärgerlich für mich und mein Gebäude, das ich mit 7 Einheiten Holz eben noch bauen wollte. Was sich hier nun sehr kompliziert nach Wirtschaftsimulation anhört, hat das Entwicklerteam von „Kutná Hora“ auf eine sehr elegante Art und Weise gelöst. Mit Hilfe von 2 Kartenständern und Schiebereglern lassen sich Preisanpassungen am Markt darstellen – dabei werden sowohl die Produktion als auch das Wachstum jederzeit ersichtlich abgebildet.

Um weitere Besonderheiten zu beleuchten, sei auf den ersten Blick in die Schachtel verwiesen. Sofort wird klar, hier ist einiges anders: Der Spielplan wird zusammengepuzzelt in Abhängigkeit von der Anzahl der Mitspielenden. So vergrößert sich die zur Verfügung stehende Fläche, sowohl ober- als auch unterirdisch im Spiel mit 3 oder 4 Personen. Die Plättchen, die Karten, die doppellagigen Spielertableaus (Stichwort double-layer) und wohl bislang selten wenn nicht sogar einzigartig und somit eine Prämiere für Spiele in diesem Umfang: Spielmaterial aus Re-Wood statt aus Plastik. Den Prozess unter die Lupe genommen reduziert es wohl die Möglichkeiten der verfügbaren Farben, stört im Falle von „Kutná Hora“ überhaupt nicht! Im Gegenteil mit einer zusätzlich in dezentem Silber schimmernden Optik fügen sich die Farben hervorragend in das Spielkonzept ein. Die Idee, weniger Rohstoffe in Form von Plastik und das nicht nur bei der Verpackung sondern auch beim Spielmaterial zu verwenden wirkt auf den ersten Blick bereits lobenswert.

Apropos Rohstoffe – das Gerücht von Bodenschätzen, das wohl viele Menschen seinerzeit nach Kuttenberg lockte, legt sich auch am Spieltisch wie eine schwache Aura um Spiel, Spielmaterial und Spielende – großartig! So versprüht eine Partie „Kutná Hora“ ihre ganz eigene Magie und lädt jeden ein, sich selbst an den Spieltisch zu setzen. Abgerundet wird es dadurch, das im Spiel einige Hintergrundinformationen verraten werden und somit das Interesse an Spielmechaniken und der Stadt in Mittelböhmen selbst über den Spielverlauf hoch bleibt. Beinahe entsteht der Wunsch, mich selbst einmal dorthin zu begeben und zu schauen, was heute davon noch sicht- und vielmehr spürbar ist!
Fazit
Um die zu Beginn gestellte Frage gleich zu beantworten: Ja! „Kutná Hora“ schafft es in meiner Wahrnehmung hervorragend, ein sehr thematisches Spiel mit einem hervorragenden Mechanismus zu versehen. Würfel- oder Workerplacement hätte sich hier nicht so treffend angefühlt – jede Person hat stets die gleichen Aktionen zur Verfügung und wird nicht durch andere Personen am Ausführen gehindert. Klar, ein Grundstück wird vor der Nase weggekauft oder ein Baurecht erworben und an der Hl. Santa Barbara weiter gebaut, nur all diese Dinge fließen in meine Überlegungen bei der Aktionsauswahl mit hinein.
Ich kann mich an kein Spiel dieser Art erinnern, das auf derart gute und anschauliche Weise ein Wirtschaftssystem simuliert ohne dabei zu kompliziert zu werden. Die Auswirkungen meiner Aktionen und die meiner Mitspielenden sind zwar in ihrer Tendenz vorhersehbar, dennoch überrascht der Zeitpunkt hin und wieder und zwingt mich einmal mehr zu neuen Entscheidungen. Mal eröffnet es mir neue Optionen und mal schließt sich eine Tür … vorübergehend. All diese Empfindungen in einer Partie zu erfahren – aus meiner Sicht hervorragend und allein dafür ein großes Danke an das Entwicklungsteam und Czech Games Edition für die Umsetzung sowie an den deutschen HeidelBär Games Verlag.
Ein Spiel von der Komplexität hat es schwer durch die Brille der Generationentauglichkeit betrachtet, das Einstiegsalter mit 13 erscheint gut gewählt und dennoch ist „Kutná Hora“ sicher auch ab 10 Jahren eine lösbare Aufgabe. Mit zunehmenden Alter wirkt sich die Ikonographie relativ klein vermutlich ebenfalls nachteilig aus. Familien, die das Gelegenheitsspiel suchen, lassen besser die Finger davon und finden andere Spiele mit Thema Berg- oder Stadtbau, die kürzer und deutlich weniger komplex sind. Personen mit Freude am Kenner- und Expertenspiel lege ich hingegen „Kutná Hora“ wärmstens ans Herz. Ich bin mir sicher, es wird auch bei dir einen bleibenden Eindruck hinterlassen!
Bewertung / Test
+ Wunderschöne stimmungsvolle Optik mit Silberschimmer
+ Mit Re-Wood Materialien ökologisches Bewusstsein vermitteln
+ Spielgefühl mit Verantwortung gegenüber den Gilden und der Bevölkerung
+ Ereignisse als Spielelement im Spiel zu zweit beleben die Wirtschaft
+ Toller Mix aus Thema und Mechanik
(Eine Rezension von Tobias Mallock)
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Die folgende Bewertung erfolgt innerhalb der Kategorie:
“Kenner- und Expertenspiele”
Kutná Hora: Stadt des Silbers (2023)
Spielidee: Ondřej Bystroň, Petr Čáslava und Pavel Jarosch
Grafik: Štěpán Drašťák, Dávid Jablonovský, Jakub Politzer und Milan Vavroň
Verlag: Czech Games Edition, HeidelBär Games
Anzahl der Spielenden: 2 – 4 Personen
Altersempfehlung Verlag: Ab 13 Jahren
Eigene Altersempfehlung: Ab 12 Jahren
Spieldauer: 60 – 120 Minuten
Generationentauglichkeit: Nein, und das ist bei einem Expertenspiel dieser Kategeorie auch sicher nicht beabsichtig.
Pädagogisch wertvoll: Ja, denn hier wird Geschichte spürbar und Wirtschaft über Angebot und Nachfrage sehr lebendig vermittelt.