Willkommen im Kalten Krieg – Vienna Connection von Pegasus Spiele (Rezension)

Vienna Connection | Kooperativer Agententhriller | ab 16 Jahren | 1 bis 5 Spielende | Pegasus Spiele | pädagogisch wertvoll

Kalter Krieg? Das war doch im letzten Jahrhundert! Wen interessiert das heute noch? Nun, wenn wir dem Angebot an Geschichten und insbesondere Filmen Glauben schenken, dann gibt es eine ganze Menge Interessierte. Ich meine hier nicht einmal die Welt um 007, sondern auch Titel wie „Spy Game“ aus dem Jahr 2001 oder die Geschichten um Jason Bourne und nicht zuletzt aktuellere Serien wie „The Recruit“ oder „Treason“ – eine Faszination geht hiervon jedes Mal aus und nimmt auch mich immer wieder in Beschlag. Schafft das „Vienna Connection“ als kooperatives Spiel auch?

Lies weiter … und vielleicht zerstört sich diese Nachricht nach dem Lesen ja von selbst …

Blick in die Schachtel, das Spielmaterial liegt ausgebreitet auf dem Tisch.
Das Spielmaterial ist vor allem viel Papier. Wer hätte es gedacht: Missionsdossiers und natürlich Akten, Akten, Akten. Orte und Begegnungen werden über Karten dargestellt.


Das Spiel

Vienna Connection
ist ein kooperativer Agententhriller und auf deutsch bei Pegasus Spiele erschienen. Es ist für 1-5 Spielende geeignet und kann ab 16 Jahren gespielt werden.

„Nehmen Sie Platz Agenten! Es wurde die Leiche eines gefesselten Mannes gefunden. Die Spurensicherung liefert Hinweise auf zusätzliche Folterung. Wer war der Tote?“ Und schon stehen wir mitten in der Geschichte. Nach einem recht umfangreichem Briefing finden wir uns mitten in der namensgebenden Stadt Wien wieder und dürfen bereits entscheiden, wo es weiter geht. Zur Verfügung stehen uns Orte, Personen und Operationen. Gemeinsam entscheiden wir als Team, wo unsere Geschichte weitergeht.

Das Deckblatt aller Akten erinnert daran, erst dann weiterzulesen, wenn die Geschichte dazu auffordert.
Rätselfans kennen es: Erst lesen, wenn dazu aufgefordert wird. Die Akten fühlen sich hier thematisch gut im A4-ähnlichen Format an.

Die zur Verfügung stehenden Aktionen sowie die Orte, die wir dabei besuchen können, sind in Zonen untergliedert – so gibt es zum Beispiel in Mission I: Weiße Biene eine Weiße, eine Blaue, eine Gelbe und eine Rote Zone. Alle haben unterschiedlich viele Felder zum Ankreuzen. Entscheiden wir uns also für eine Aktion in einer bestimmten Zone, so wissen wir zunächst noch nicht, wie viele Felder wir dafür durchstreichen müssen. Ist eine Zone voll, so wandert das nächste Kreuz auf den Bereich „Der Mann in Schwarz“. Ist auch dieser Bereich vollständig ausgefüllt, so endet die Mission.

Der Umschlag für Mission 1 liegt geöffnet auf der Spielanleitung
Schön im Thema bleiben: Die Missionsbeschreibung wird einem Umschlag entnommen und mit ihr ein wenig Missionsmaterial.

Thematisch beschreiben die Zonen die Brisanz der durchgeführten Aktionen, so sind es interne Bereiche der CIA in denen wir Akten einfordern können. Dies wird sehr wahrscheinlich als vermeintlich unauffällig angesehen werden und findet sich in der weißen Zone. In der blauen und gelben Zone werden unsere Aktionen zumindest wahrgenommen und die rote Zone ist die brenzligste von allen, befinden wir uns doch inmitten der feindlichen Linien.

Wollen wir also zuerst den Tatort besuchen? Oder lieber den Polizeibeamten aufsuchen, der den toten Mann gefunden hat? Hat die CIA nicht vielleicht Informationen über den Mann? Und wie können unsere Informanten vor Ort uns unterstützen? Alles legitime Fragen und Optionen, die im Laufe der 1. Mission relativ früh bereits diskutiert werden könnten. Apropos Missionen – es gibt derer 4 – alle anders und jede Mission startet mit ihrem eigenen Szenario.

Spielblock, hier werden die Aktionen gelistet und das Spielende angezeigt.
Zentraler Zeitanzeiger: Je nach Aktionsauswahl werden hier Felder durchgestrichen. Ist eine Zone voll, so erhält der Bereich „Mann in Schwarz“ ein Kreuz, ist auch dieser voll, so enden alle Geheimdienstaktionen und mit ihnen das Spiel.

Im Laufe unserer Ermittlungen stolpern wir über Codes – diese werden in der Antaresdatabase.com erfasst. Auch finden wir kleinere Rätsel in Form von Dechiffrieraufgaben aus einem Buchstabenschlüssel oder haben Zahlenfolgen logisch fortzusetzen. Da uns die Spielanleitung jedoch direkt auf die Funktion hinweist, stellen diese beiden Rätseltypen für im Rätselraten geschulte Teams keine echte Hürde dar. Anders sieht es mit den Codes aus, die in die Datenbank eingegeben werden müssen. Zum einen unterbricht das Einloggen in die Datenbank den Spielfluss und das Spielgefühl und zum anderen sind die Codes mit den wenigen Schnipseln und Hinweisen nicht gerade leicht zu lösen.

Die Antaresdatabase.com ist eine vom Verlag Portal Games erstellte Webseite, auf der der Kampagnenfortschritt gespeichert wird und die gelösten Rätsel andere Spielenden auszulösen vermögen. Die Webseite ist zum Zeitpunkt der Spieletests gut zu erreichen und die Navigation ist denkbar einfach. Sogar Audiodateien können hier abgespielt werden, wenn es die entsprechenden Akten oder Orte im Spiel gibt, das widerum ist sehr stimmungsvoll und beinahe erschreckend real am heimischen Ermittlungstisch.

Gerade dieser sieht nach einer Weile Spielzeit recht chaotisch aus und zum ersten Mal verspüre ich den Drang, alles an eine Wand zu pinnen und mittels rotem Faden zu verbinden und rotem Markierstift einzukreisen…

Stark weichgezeichnet und somit spoilerfree - der Blick auf den Spieltisch.
Der Ermittler-Tisch im Laufe einer Partie. Es wird voll auf dem Tisch!

Gefühlt viel zu schnell wird das letzte verfügbare Kästchen bei „Der Mann in Schwarz“ angekreuzt und die Mission wird beendet. Es können zwar noch Codes eingegeben werden, aber neue Orte oder Personen können wir nicht mehr besuchen. Das Spielende wird – aus meiner Sicht leider – nur über die digitale Unterstützung abgehandelt. Als Team treffen wir auf der Grundlage unserer gewonnenen Erkenntnisse Entscheidungen, die die weitere Kampagne beeinflussen. Ob das nun clever war oder eher als Sackgasse zu bewerten ist, wird nicht sofort klar. So manch eine Entscheidung kann uns zunächst keine neue Information bringen, sich allerdings später als gut getroffene Entscheidung herausstellen.

Es bleibt irgendwie ein Ende zurück, dass uns ähnlich, so manchen Blockbustern genug Raum für Interpretationen liefert und uns ermuntert, die Geschichte weiterzuspinnen. Eine erneute Spielbarkeit erscheint zwar gegeben, weil kein Spielmaterial zerstört werden muss, jedoch bleiben Orte und Informationen aus den Akten die gleichen, so dass wir mit einem gewissen Vorteil – Insiderwissen quasi – in eine Wiederholung gehen würden. Dabei bleibt zu erwähnen, dass bis Missionsende gefühlt etwas mehr als die Hälfte aller Optionen durchgeführt wird und so immer noch unentdeckte Orte und Aktionen auftauchen werden.

Hier aufgeführt - weiterführende Literatur und Geschichten
Wenn das Spielthema auch nach dem Spiel noch präsent bleibt. Danke für die Empfehlungen!

Damit es thematisch weiter gehen kann, liefert die Spielanleitung auch gleich ein gesamtes Literatur- und Filmverzeichnis sowie weiterführende Literatur. So gesehen kann „Vienna Connection“ als pädagogisch wertvoll eingestuft werden, da es zur aktiven Auseinandersetzung mit der Welt der Geheimdienste in den 70er Jahren einlädt. Zugegeben kein fundamental überlebensnotwendiges Wissen, aber spannend allemal! Das Einstiegsalter ab 16 und die übermäßig kleine und vor allem überall in Hülle und Fülle verwendete Schrift zeigen, dass „Vienna Connection“ weder ein Generationenspiel werden wollte, noch es geworden ist.

Fazit
Die Welt der Geheimdienste in den 70er und 80er Jahren fasziniert und erschreckt mich gleichermaßen. Schön, dass ich das nun nicht nur als Buch lesen oder als Film ansehen kann, sondern selbst aktiv in die Geschichte eingreifen kann. Die Rätsel und die Einbindung in die Antaresdatabase brauche ich dafür nicht – ich wäre vermutlich mit einem Adventurebuch oder einer Spielmechanik im Stile vom Arkham Horror Kartenspiel am glücklichsten gewesen, doch das fällt mir tatsächlich erst auf, wenn ich retrospektiv darüber berichte.

So tief bin ich also in die Welt von „Vienna Connection“ eingetaucht und habe nebenbei überhaupt nicht gemerkt, wie die Stunden nur so verflogen sind. Gut genutzte Zeit und großartige Unterhaltung. Dafür Dankeschön an alle, die dieses immersive Erlebnis ermöglicht haben. Unnötig zu erwähnen, dass ich seit ich auf melodice.org aufmerksam gemacht wurde, bei thematischen Spielen gern auch einen Soundtrack im Hintergrund laufen habe und das war hier die Kirsche auf der Torte!

Ich kann „Vienna Connection“ die Rätsel und die digitale Unterstützung verzeihen, weil mich das Thema fesselt. Wer mit kaltem Krieg und Agentenspionage wenig am Hut hat, wird bei der Suche nach einem weiteren Rätselspiel im Stile der Exit-Reihe oder vieler anderer Spiele mit Escapeformat hier sicher bereits in der 1. Mission enttäuscht die Segel streichen. Allen anderen, vor allem auf der Suche nach einem thematischem Spielvergnügen, kann ich „Vienna Connection“ empfehlen. Mit dem richtigem Personenkreis und am besten einem geeignetem thematischen Rahmen ist es ein lohnender Ausflug zurück in die 70er Jahre!

Over & Out!

 

Bewertung / Test
+ Tolle thematische Einbindung und überwältigend stimmungsvoll
+ In Kombination mit Hintergrundmusik (z.B.: https://melodice.org) atmosphärisch wie im Film
+ Eine riesige Welt im Zeitalter des Kalten Krieges wartet darauf erkundet zu werden
+/- Eine „echte“ Auflösung bietet Vienna Connection nicht – die Geschichte entfaltet sich einfach weiter
+/- Unterstützung via Webseite oder App, ohne geht es leider nicht am Ende auszuwerten
– Rätsel fühlen sich teilweise unnötig und deplatziert an
– Relativ viele Fragen zum Spielablauf/-mechanik, die die Spielenden untereinander klären müssen

 

(Eine Rezension von Tobias Mallock)

Tobias

 

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Vienna Connection (2021)

Spielidee: Jakub Łapot, Jakub Poczęty, Przemysław Rymer, Ignacy Trzewiczek
Grafik: N. N.
Verlag: Portal Games, Pegasus Spiele (deutsche Version)
Anzahl der Spielenden: 1 – 5 Personen
Altersempfehlung Verlag: Ab 16 Jahren.
Spieldauer: 120 – 180 Minuten
Generationentauglichkeit:  Nein! Titel ab 16 Jahren und viel, viel, viel kleine Schrift.
Pädagogisch wertvoll: Das Interesse am Thema wird gefördert und zur weiteren Auseinandersetzung eingeladen und sogar Quellen angeboten – großartig!