Maps of Misterra | Kennerspiel | ab 10 Jahren | 1 bis 4 Spielende | Mathieu Bossu, Thomas Cariate, Timothée Decroix | Sit Down! | generationentauglich
Weiße Flecken auf der Landkarte – wie sich das wohl angefühlt haben mag, als es noch unentdecktes Land gab. Welche Sehnsüchte und Begehrlichkeiten es vermutlich in den Menschen geweckt hat und was es für Expeditionen zu Erkundung und Kartierung gegeben haben mag. Diese Gedanken laden zum Träumen ein – oder zu einer Partie „Maps of Misterra“. Ich werde versuchen beiden gerecht zu werden, den Träumereien und vor allem dem Spiel – lies weiter, denn ich habe etliche Erkundungen bereits hinter mir!
Das Spiel
Maps of Misterra ist ein Kennerspiel von Mathieu Bossu, Thomas Cariate und Timothée Decroix und bei Sit Down! erschienen. Es ist für 1-4 Spielende geeignet und kann ab 10 Jahren gespielt werden.
In einer für das Format ungewohnt schweren Schachtel wurde wirklich wenig Platz verschenkt. Mit Sortiereinsatz und qualitativ höherwertigem Spielmaterial fällt es leicht „Maps of Misterra“ in die Hand zu nehmen und aufzubauen. Auch wenn es zwei Spielmodi gibt – einen Standard und einen Experte so unterscheiden sich diese beiden in der Wertung bei Spielende und den spielerfahrenen Personen empfehle ich ab Partie Nummer 2 diesen fortgeschritten Modus zu spielen. Jede Person bekommt ein eigenes Tableau, eine Kartografenfigur und 3 Marker für den Besitzanspruch. Eine Wertungskarte verdeutlicht die Punktabrechnung bei Spielende und zum Schluß, aber nicht letztens erhält jede Person am Spieltisch 2 geheime Aufträge. Die Spielfläche der Insel wird in die Tischmitte gelegt, die Plättchen und Geländekarten gut erreichbar platziert – schon kann es losgehen mit der Erkundung.
In Zugreihenfolge erhält jede Person 2x 1/2 Tag als Aktionsspielraum – das klingt vielleicht verwirrend und löst sich am Ende ganz einfach auf. Jeder halbe Tag besteht aus 3 Schritten.
- Optional: Die eigene Spielfigur bewegen und dabei die Effekte der Landschaft betrachten. Alle starten am Strand!
- Verpflichtend: Eine Geländekarte aus der offenen Auslage ziehen.
- Optional: A) Kartieren und die eben gezogene Geländekarte in die eigene Auslage legen B) Gebiet beanspruchen und einen Marker darauf platzieren – die in 2. gezogene Geländekarte abwerfen.
Diese Abfolge wiederholt sich einmal und erst danach wird die Auslage der Geländekarten wieder aufgefüllt und die im Uhrzeigersinn nächste Person ist an der Reihe. Das geschieht nun so lange bis eine der drei 3 Bedingungen das Spielende auslöst (alle Gebiete sind bestätigt kartiert, eine Person hat die eigene Auslage komplett kartiert, die Geländekarten sind aufgebraucht)
Der Reiz an „Maps of Misterra“ liegt nun im Kartieren. Hörte es sich eben noch an wie eine Variante vom Klassiker Carcassonne, kommen nun die Feinheiten zum Tragen. So kann ich nur auf den Feldern kartieren, die direkt angrenzend zu meiner Kartografenfigur liegen. Stehe ich auf einem Berg, ist die Sichtweite größer und ich kann weiter sehen, also erkunden. Im Dschungel hingegen kann ich gar nichts sehen und ich kann höchstens ein bisher nicht beanspruchtes Gebiet als „meins“ deklarieren. Allerdings auch hier, das Gebiet muss bestätigt sein.
Was heißt „bestätigt“? Nun, ein Gebiet, das zum ersten mal entdeckt wird, erhält zur Markierung ein Plättchen und gilt als unbestätigt. Wird ein unbestätigtes Gebiet von einer Person mit der gleichen Geländeart erneut beschrieben, so gilt es als bestätigt und kann fortan nicht mehr verändert werden. Allerdings könnte es sein, ich entdecke ein Gebiet aus Steppe und Wasser – beide unbestätigt – und nachfolgend wird durch eine andere Geländekarte zwar die Steppe bestätigt, nur ist aus dem Wasser jetzt ein Dschungel geworden. D. h. die Steppe ist bestätigt, das Wasser wird entfernt und ein Dschungelplättchen darauf gelegt.
Warum sollten wir andere Landschaften legen als auf der Insel tatsächlich zu sehen sind? Gute Frage! Du erinnerst dich an die beiden geheimen Aufträge die zu Spielbeginn ausgeteilt wurden? Nun, jede Person hat eigene Ziele, die sie auf ihrem eigenen Tableau versucht zu erfüllen. Es symbolisiert die Wünsche der Geldgeber und Gönner unserer Expedition – wollen wir da nicht vielleicht etwas die Perspektive „modulieren“? Oft liegen hier die größten Punkte versteckt. Auch wenn bei der Wertung jedes mit der tatsächlichen Inselwelt übereinstimmende Feld 2 Punkte bringt, so bringt ein freies Feld -1 Punkt. Habe ich es belegt, jedoch nicht übereinstimmend, so gibt es dafür 0 Punkte. So entsteht ein Interessenkonflikt par excellence, den es im Laufe der Partie zu lösen gilt.
„Maps of Misterra“ ist auf den ersten Blick ein generationenübergreifendes Spiel. Mit einem in 1 Spiel gut erlernbaren Umfang an Spielregeln, gut zu greifendem und klar erkennbarem Spielmaterial hat es physisch alles, was das Spiel für Jung und Alt ermöglicht. Beim genauen Hinschauen und wiederholtem Spiel offenbaren sich ein paar Details, die in manchen Spielgruppen als störend empfunden werden können. So sind die Geländekarten recht klein und der Stapel recht hoch – der fällt gerne mal um. Außerdem lassen sich die Geländeplättchen auf der gemeinsamen Insel nicht ganz so gut entfernen oder herumdrehen, wenn ringsherum bereits Land entdeckt wurde. Das stört zwar nicht gravierend, fällt jedoch immer mal wieder auf. Bei fehlender Feinmotorik bei allen Personen am Spieltisch und wirklich nur dann könnte es hierdurch problematisch werden. Dafür werden dann auch alle mit einem Spielgefühl belohnt, das ein wenig an Daniel Kehlmanns Roman „Die Vermessung der Welt“ erinnert, in dem Alexander von Humboldt wie besessen kartiert!
Fazit
Ich fühle mich fast wie in meiner Kindheit, als der eigene Aktionsradius mit dem Fahrrad immer größer wurde und ich plötzlich auf Wegen fuhr, die ich nicht kannte. Manchmal allein und manchmal mit Freunden, mal im Wald, mal auf den Feldern. Die Erzählungen über das Entdeckte wichen dabei gelegentlich voneinander ab und so fügt sich dieses spielerische Entdecken nahtlos in die eigenen Erfahrungen ein. Was die Stimmung angeht – hat mich „Maps of Misterra“ thematisch also gut abgeholt.
Es bedurfte dann schon ein paar Partien und bei den meisten am Tisch konnte ich ähnliche Erkenntnisse beobachten bis der Spagat zwischen Wunsch und Realität begriffen wurde. Denn obwohl wir gemeinsam an der Inselwelt von Misterra puzzlen, so erschafft doch jede Person für sich eine eigene Kartierung der Welt. Diese eigene Welt darf den Wünschen des geheimen Auftrages entsprechen und somit thematisch die Geldgeber unserer Expedition zufriedenstellen. Am besten entspricht sie dabei noch zusätzlich der vor uns liegenden gemeinsam erkundeten Welt. Und dann kommt dieser Moment, wo es im Spiel plötzlich „klick“ macht weil ich zum einen eingestehen muss, ich schaffe es nicht, meine Version genau nach dem großen Vorbild zu vervollständigen und zum anderen ja noch meine „geheimen Pergamente“ Punkte einbringen.
„Maps of Misterra“ kann dabei beides sein – ein kurzes Spiel für zwischendurch, oder auch ein grübeliges und beinahe abendfüllendes Programm – je nach Runde der Personen am Tisch und beides fühlt sich nicht verkehrt an. Das Zählen der Punkt am Ende einer Partie geht schneller als gedacht, aus 3 Kategorien (eigenes Tableau, geheime Pergamente, beanspruchte Gebiete) werden die Punkte für jede Person addiert – Fertig! Für Wiederspielreiz sollte durch die vielen verschiedenen Auftragskarten gesorgt sein. Zusätzlich ist anzunehmen, dass bis auf die im Spielaufbau ausgelegten Dschungelplättchen keine Karte der nächsten gleichen wird. Das gefällt mir sehr!
„Maps of Misterra“ ist für mich eines dieser Spiele, das bei Vielen unter dem Radar fliegt und dann erst einmal entdeckt, immer wieder aus dem Regal gezogen wird. Das schöne Material und vor allem die großartig kompakte Verstauung der Komponenten tragen ihr Übriges zu einem gelungenem Gesamtpaket bei.
Bewertung / Test
+ Übersichtliche und gut strukturierte Spielanleitung, die keine Frage offen lässt
+ Tolles Material und Sortiereinsatz in der Schachtel selbst
+ Viel Abwechslung durch viele verschiedene (geheime) Aufträge
+ Unverbrauchtes Spiel- und Wertungsprinzip
– die kleinen, schmalen Geländekärtchen fordern etwaige Handicaps in der Feinmotorik heraus
(Eine Rezension von Tobias Mallock)
Wichtige Informationen zu unseren Rezensionen (KLICK)
ACHTUNG – hier geht es zu unserem YouTube-Kanal:
Spielecafé der Generationen – Jung und Alt Spielt – YouTube
Maps of Misterra (2023)
Spielidee: Mathieu Bossu, Thomas Cariate, Timothée Decroix
Grafik: Stanislas Puech
Verlag: Sit Down!
Anzahl der Spielenden: 1 – 4 Personen
Altersempfehlung Verlag: Ab 10 Jahren
Eigene Altersempfehlung: Ab 8 Jahren
Spieldauer: 45 – 60 Minuten
Generationentauglichkeit: Ja! Bis auf die kleinen und schmalen Geländekärtchen ist alles gut zu greifen und zu erkennen, die Spielregeln sind schnell verstanden.