Tekhenu – ein Spiel mit Licht und Schatten von – auch bei der Kritik (Rezension, Test)

Tekhenu – Der Sonnenobelisk |  von Daniele Tascini und David Turczi |  Grafiken von Jakub Fajtanowski, Michał Długaj, Zbigniew Umgelter, Alexander Zawada |  1-4 Spieler*innen |  90-120 Minuten | ab 14 Jahren |  erschienen bei Giant Roc, 2020 |  ein komplexes Kennerspiel mit vielen verzahnten Mechanismen, beruhend auf einer strategisch geschickten Würfelwahl, bietet es intensive Unterhaltung für Strategen, die in die Spieltiefen eintauchen wollen.

„Hä?“, „Ääääh?“, „Hmm…“, „Aha.“ „WOW!“ Das ist die Kurzfassung der Mitspieler*innen – Kommentare in den ersten drei Partien. Und hier die etwas längere Fassung: Tekhenu ist ein Würfelspiel. Aber nicht vergleichbar mit irgendeinem anderen. Schon beim Anblick des Spielbretts weiß man, dass es eine schier unüberschaubare Anzahl an Möglichkeiten gibt. Wirkt es zuerst sehr verwirrend, werden die einzelnen Sektoren klarer und – nach etwas Eingewöhnung in die Grafiken – auch verständlich.

Nach nur 16 Aktionen ist schon Schluss, aber da können schonmal drei bis vier Stunden vergangen sein bei vier Spieler*innen.

Warum ein „Hä?“ zu Beginn? Nun, die Regeln sind umfangreich. Und nicht immer ganz nachvollziehbar. Manche Sachen sind da erlaubt, manchmal aber auch nicht. Das verwirrt anfangs und nach dem Regelerklären steht man da und weiß eigentlich gar nichts. Beispiel: 2 Runden = 1 Rotation, 2 Rotationen = 1 Maat-Phase, 2 Maat-Phasen = 1 Wertung, 2 Wertungen = 1 Spiel“. So der Beginn der Spielregeln. Das wäre vielleicht einfacher gegangen. Wie vieles in dem Spiel sich eckig und kantig anfühlt.

Nach mehrmaligem Nachschlagen wird aber klar, wie es läuft und dann kommt das „Ähhh?“. Wie und wo soll man anfangen. Ein Zug ist dabei sehr einfach. Nimm einen Würfel von einem der Sektoren, mach damit eine Gottesaktion oder produziere Ressourcen. Dann wird’s aber komplex: Die sechs Sektoren, auf denen Würfel liegen, sind um den Obelisken verteilt. Dabei liegen zwei Sektoren in der Sonne, zwei im Schatten und zwei im Dunkeln. Außerdem liegen die Würfel entweder auf der reinen, der verdorbenen oder der unerlaubten Bahn. Achtung! Das Prinzip ist absolut abstrakt. Auch wenn das Spiel ein Thema vorgaukelt und mit dem großen, hohen Plastik-Obelisk auch wunderschön versinnbildlicht, hier ist es einfach nur Spielmechanik, mehr nicht.

Welchen Würfel ich wo nehme, entscheidet, was ich damit machen kann. Ich habe sechs Gottesaktionen, ich kann Säulen oder Gebäude in der Tempelanlage bauen, die Zufriedenheit meiner Bevölkerung steigern (die verliere ich nämlich, wenn ich sie für den Bau schuften lasse) und ich kann diverse Karten nehmen, die einmalige oder dauerhafte Vorteile oder zusätzliche Siegpunkte am Ende bringen. Oder entsprechend der Punktezahl und der Farbe des Würfels kann ich Ressourcen produzieren, die ich für den Bau oder andere wichtige Dinge brauche.

Und dann kommt der Würfel auf meine Waage, Punkte auf der reinen und verdorbenen Schale sollten sich die Waage halten, dann bin ich in der nächsten Runde in der Zugreihenfolge weit vorne, ist sie zu negativ, verliere ich Punkte. Sehr witzig gemacht und auch wenn man anfangs der Waage keine Bedeutung zurechnet, wird sie mit der Spielerfahrung immer wichtiger.

Nach dem anfänglichen „Äää?“ folgt dann das „Hmmm..“ Erste Ideen kommen, man versteht, was welche Aktion auslöst, wie ich Aktionen verbinde, um eine weitere Aktion durchführen zu können. Langsam entwickeln sich Strategien, naja eigentlich ist hier vor allem Lernen aus Fehlern angesagt.

Dann kommt endlich das „Aha.“ Die großen Zusammenhänge werden klar, die Wege zum Sieg werden deutlich – und da gibt es jede Menge. Man bekommt ein Gefühl dafür, wie man mit den „nur“ 16 Aktionen umgehen muss, man lernt, dass nicht alles geht, aber alles irgendwie wichtig ist. Und man bekommt Lust, sich hineinzuknien in ein regeltechnisch umfangreiches und wunderbar tiefes Spiel.

Und dann, endlich, nach zwei, drei oder vier Partien kommt das „WOW!“, jetzt fühlt man sich als erfahrener Kenner- oder Expertenspieler*innen zuhause und man fühlt sich wohl. Das sind die Spiele, die man liebt und ausreizen will.

Ich gebe zu, nicht jeder landet beim „WOW!“, auch ein „Uff!“ ist zu hören. Denn ja, es ist Arbeit. Es sind die kleinen Ecken und Kanten, die den Spielfluss immer wieder ausbremsen. Die nicht immer vollständige Hilfestellung durch das Spiel, und – und das ist tatsächlich für einige Spieler*innen ein Totschlag-Argument: die winzig kleine Schrift auf den kleinen Karten. Wer direkt davor sitzt, kann die bei fortgeschrittenem Spiel bis zu 15 Karten auf dem Spielbrett lesen und vergleichen. Wer daneben und gegenüber sitzt, hat keine Chance. Dann hätte man sie irgendwie in der Mitte präsentieren müssen oder auf einem extra Spielbrett, das man schon mal über den Tisch schieben kann. Aber so, ehrlich gesagt, schlecht gelöst.

Noch so ein Design-Problem ist eigentlich auch der Hingucker des Spiels. Aber „Hingucker“ ist schon falsch gesagt, denn der wirklich riesige Obelisk, wirft nicht nur Schatten, er stört das Hingucken, er verdeckt immer einige wichtige Informationen. Ohne Obelisk lässt sich das Rad aber nicht mehr so schön drehen – aber das ist lösbar.

 

FAZIT
Tekhenu – der Sonnenobelisk bietet sehr gute Unterhaltung für Kenner- und Expertenspieler*innen. Abstrakte Spielmechanismen sind stark ineinander verzahnt, mit jeder Aktion sind mehrere Dinge zu beachten. Das freut Hardcore-Spieler*innen, auch wenn sie sich etwas glatt geschliffenere Regeln und Abläufe wünschen würden. Das Material ist hervorragend, die Grafik gewöhnungsbedürftig und die Schrift auf den Karten zu klein. Der Obelisk ist ein tolles Hingucker-Element, aber wegen seiner Größe eher störend. Ein fordernder und wirklich gelungener Solomodus ergänzt das Spiel.

Meiner Meinung nach ein Spiel für Kenner, die ein Spiel auch mehr als dreimal spielen wollen. Erst dann entfaltet es sein Potenzial. Auch wenn das für viele Expertenspiele gilt, hier trifft es absolut zu. Eine Empfehlung, es einmal anzuspielen, bringt deswegen nichts, denn eine Partie schreckt eher ab. Daher für alle, die komplexe Spiele gerne und mit Motivation öfter spielen, hier habt ihr ein Highlight.

Nach Tzolkien und Teotihuacan das dritte Spiel von Daniele Luciani mit „T“, das den Komplexlevel noch etwas höher schraubt, aber an die beiden feingeschliffenen Vorgänger nicht ganz heranreicht.

 

Bewertung / Test

+ Komplex ineinander verzahnte Mechanismen
+ tolles Material
+ fordernder Solomodus
+ viele Siegstrategien
+/-Spiel muss entdeckt und erarbeitet werden
+/-kein Spiel für ein oder zwei Partien
– Schrift auf Karten zu unleserlich
– Obelisk steht im Weg
– sehr abstraktes Spielprinzip, keine Bindung zum Thema

 

 

(Eine Rezension von Gerhard Hany)

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Die folgende Bewertung erfolgt innerhalb der Kategorie:
“Kenner-Spiel“

  • ... Altersgruppe 13 bis 49 Jahre
  • ... Altersgruppe 50 bis 75 Jahre
3.8

Tekhenu - der Sonnenobelisk (2020)

Spielidee: Daniele Tascini und David Turczi
Grafik: Jakub Fajtanowski, Michał Długaj, Zbigniew Umgelter, Alexander Zawada
Verlag: Giant Roc
Spieler*innenanzahl: 1-4 Spieler*innen
Altersempfehlung Verlag: Ab 14 Jahren
Eigene Altersempfehlung: Ab 14 Jahren
Spieldauer
: 90-120 Minuten

Generationentauglich: bedingt geeignet für Kennerspieler *innen jeden Alters, teils unübersichlicher Plan und zu kleine Schrift auf den Karten.