„Früher war alles besser.“ Diese ausgelutschte und meist nicht wahre Lebensweisheit hört man an allen Ecken und Enden. Bezogen auf das Spielerleben mag ich dieser These in bestimmter Weise sogar recht geben. Früher – und hier spreche ich noch vom alten Jahrtausend (ja ich habs noch erlebt) – konnte man sich als Spieler fast jährlich über wirkliche Innovationen im Spielebereich freuen. Wenn man die letzten zwei Jahrzehnte nach wirklich echten Innovationen durchsucht, wird man nur wenig bis gar nichts finden.
Da war mal „Catan“, dass das Handeln unter Mitspielern ins Zentrum rückte und megaerfolgreich war – nicht wirklich innovativ aber in der Kombination neu und genial. „7 Wonders“ und der Draft-Mechanismus – nicht wirklich innovativ, aber es fühlte sich erfrischend unverbraucht und ebenfalls richtig gut an. Die „Legacy“-Mechanik ( „Pandemic“), bei der man das Spielmaterial dauerhaft verändert, sei hier natürlich auch erwähnt, gilt bei vielen Spielern aber als „No Go!“. Ich zerstöre doch ein gekauftes Spiel nicht und wer kauft Spiele, um sie nur einmal zu spielen? (Na gut, wieviele Spiele stehen im Schrank und wurden nur einmal gespielt?) Es gäbe noch ein paar andere Spiele anzuführen, die einen bekannten Mechanismus so umsetzten, dass er sich wie neu anfühlte.
Richtig Neues zu finden ist schwierig. Aber da ist ja noch „Dominion“. Deckbuilding krass neu erfunden. Ok, natürlich benutzen alle Sammelkartenspiele diesen Mechanismus ebenfalls, aber nicht während des Spiels, sondern nur in der Spielvorbereitung. Ich meine, Dominion brachte eine neue, unverbrauchte Spielmechanik in die Spielewelt und eroberte die Spielerherzen im Sturm. Nicht nur unzählige Erweiterungen zeugen vom ungebrochenen Erfolg, auch unzählige Nachahmer (mal besser mal schlechter) belegen die Qualität und die Spielbarkeit dieses Mechanismus.
Wer Dominion noch nicht kennt (und es wird höchste Zeit, das zu ändern!), dem sei das Spielprinzip kurz erklärt.
Man hat in seinem Kartendeck zu Beginn zehn Karten. Davon zieht man fünf Karten. In seinem Zug darf man nun Karten aus seiner Hand ausspielen und die darauf stehenden Aktionen ausführen. Dabei ist man in der Regel auf eine Aktion beschränkt, es sei denn, eine ausgespielte Karte erlaubt weitere Aktionen. So kann im Lauf des Spiels eine ganze Reihe an Karten ausgespielt werden, wenn jede ausgespielte wiederum Aktionen zulässt. Kombinationen von fünf und deutlich mehr Karten sind schon mal an der Tagesordnung, Nach den Aktionen kann man noch einen Kauf tätigen. In der Tischmitte liegen zehn Karten (von denen es jeweils 10 gibt), außerdem Geldkarten und Punktekarten. Hat man noch Karten auf der Hand, die Geldsymbole zeigen, kann man für dieses Geld eine Karte kaufen. Diese gekaufte Karte, alle ausgespielten Karten und alle noch auf der Hand befindlichen Karten werden nach dem Zug auf den eigenen Ablagestapel gelegt. Und für seinen nächsten Zug zieht man wieder fünf Karten vom Nachziehstapel.
Jetzt kommt der geniale Trick. Ist der Nachziehstapel verbraucht, mischt man den eigenen Ablagestapel und dieser bildet den neuen Nachziehstapel. Damit kommen die bereits gespielten Karten und die gekauften Karten früher oder später wieder auf die Hand und können gespielt werden.
Eine gekaufte Karte nutzt dem Spieler also nicht direkt nach dem Kauf, sondern erst, wenn der Ablagestapel zum neuen Nachziehstapel wurde und dann (nach gründlichem Mischen) auf die Hand gezogen wird.
Das Dilemma beim Kaufen von Karten besteht darin, sich entweder die zu kaufen, die einem mehr Möglichkeiten bieten, mehr Geld zum Nachkaufen geben oder am Spielende die entscheidenden Punkte bringen. Diese Punktekarten aber bringen im Spiel selbst nichts und hat man zuviele in der Hand, kann man manchmal im Zug keine sinnvoll Aktion machen.
Interessant sind auch Karten, die die Mitspieler angreifen. Natürlich gibt es auch Karten, die man zur Verteidigung braucht. Wenn denn die Karten, die man gerade braucht, auch auf der Hand sind. Die Lösung besteht meist darin, sein Kartendeck so schlank wie möglich zu belassen und schwächere und unbrauchbare Karten aus dem Deck zu eliminieren. Auch das geht. Der Vorteil ist, dass die starken Karten öfters auf der Hand erscheinen als bei Mitspielern mit vielen Karten im Deck.
Bereits im Grundspiel sind nicht nur die zehn Kartenarten für die Tischmitte enthalten, sondern deutlich mehr, so muss man richtig oft spielen, um allein die Kombination dieser Karten durchzuspielen. Mit jeder Erweiterung erhöht sich die Kombinationsmöglichkeit und man wird es wohl nie schafffen, alle möglichen Kombinationen durchzuspielen. Natürlich ergeben sich dabei Kombinationen, die nicht wirklich funktionieren. Andere Kombinationen sind mächtig und jeder versucht, diese Kombination auf die Hand zu bekommen.
Natürlich ist das Spiel ein Glücksspiel – irgendwie. Denn auch wenn ich die wirklich starken Karten in meinem Deck habe, ich muss sie auch noch auf die Hand bekommen. Und das gleichzeitig. Und daran kann so man toll geplante Strategie ganz schnell scheitern. Und der liebe Mitspieler bekommt seine dicken Geldkarten ständig gleichzeitig auf die Hand und kauft eine wertvolle Punktekarte nach der anderen und ich mit meinem perfekt eingekauften Deck hab gar keine Chance, weil mich das Glück verlassen hat.
Das Spiel dauert aber nur ca. 30 Minuten. Und so kann man schnell eine neue Partie beginnen und schon ändert sich das Glück und ich stehe mit meiner Strategie als der überragende Sieger da.
Einen Nachteil haben die vielen möglichen Kartenkombinationen. Der erfahrene Spieler hat bei der Beurteilung der Karten und beim Abschätzen, welche Karten für eine gute Siegstrategie besser sind, klare Vorteile. Als Anfänger gegen erfahrene Spieler benötigt man sehr viel Glück, in der Regel aber hat man keine Chance.
Das ist schade, denn das Spiel ist schnell erklärt, schnell auf den Tisch gebracht und unterhält Gelegenheitsspieler und Expertenspieler gleichermaßen – aber eben nicht im Spiel miteinander.
Trotzdem sollte sich kein Spieler davon abbringen lassen, dieses Spiel auszuprobieren, meiner Meinung nach gehört es in jede Spielesammlung, auch für Familien, denn selbst Kids ab 10 (und mit Hilfestellung bereits ab 8) können ihren Spaß damit haben (anders als auf der Schachtel mit „ab 13“ angegeben).
Das Basisspiel ist mit Karten ausgestattet, die einfach strukturiert sind und keine allzu komplexen Züge ermöglichen (das ändert sich mit ein paar Erweiterungen).
Da ein Spielzug schnell abläuft, ist die Wartezeit sehr kurz und jeder Spieler ist eigentlich ständig im Spiel beschäftigt. Spannung bleibt bis zuletzt, denn erst nach der Auszählung der Punktekarten weiß man wirklich, wer gewonnen hat. Manche Karten erlauben direkte Konfrontation, man kann sich aber auch vorher einigen, solche Karten nicht ins Spiel aufzunehmen.
Durch die vielen Karten (und in den Erweiterungen noch viel viel mehr) bleibt der Wiederspielreiz enorm hoch. Außerdem dauert es lange, seine Strategie zu verfeinern und immer wieder neu zu optimieren.
FAZIT
Dominion ist ein geniales Kartenspiel für Einsteiger, Familien und Kenner gleichermaßen. Das sogenannte Deckbauspiel bietet beste Unterhaltung, ist schnell erklärt und flott gespielt. Dank der vielen Kartenkombinationen fühlt sich jedes Spiel immer wieder neu an. Und es ist gleichermaßen für zwei, drei oder vier Spieler geeignet.
Aber Achtung! Im Spiel muss man fast ständig sein Kartendeck mischen. Manche Leute sagen, dass man mehr mischt als spielt, aber das ist nur liebevoll gemeinte Übertreibung.
Zwei Punkte muss man erwähnen, auch wenn das Kritik auf hohem Niveau ist. Das Glücksmoment ist hoch, trotzdem ist nur mit geschickter Planung und richtiger Kartenzusammenstellung ein Sieg möglich. Und Spielerfahrung ist von entscheidender Bedeutung. Anfänger haben gegen Dominion-erfahrene Spieler wenig Chancen. Aber man hat nach wenigen Partien schnell aufgeholt.
Dass es für das Basis-Spiel eine (fast) immer funktionierende Siegstrategie gibt (die sogenannte Geldstrategie) mag richtig sein, gilt aber nicht für jede Kartenkombination und führt auch nur mit Glück zum Erfolg. Mit einer guten Strategie und den richtigen Karten kann auch gegen diese anscheinend übermächtige Taktik gewonnen werden.
Es gibt viel zu entdecken in diesem Spiel und das macht es richtig gut, denn es wird oft auf den Tisch kommen. Für den relativ hohen Preis „für ein paar Karten“ (es sind ja doch über 500) erhält man aber auch sehr viel Spielzeit – mehr als die meisten anderen Spiele, die oftmals wenig gespielt im Regal vor sich hin stauben. Dominion gehört in jedes Spielerregal, allein weil es bereits jetzt zu den Klassikern zählt, wie viele Spiele „von früher“, wo Innovation im Spielbereich an der Tagesordnung war. Aber auch in unserem Jahrtausend erfreuen uns geniale Ideen und Dominion gehört vielleicht zu den Größten unter ihnen.
(Eine Rezension von Gerhard Hany)
Hinweis zur Gender-Formulierung: Bei allen Bezeichnungen, die auf Personen
bezogen sind, meint die gewählte Formulierung beide Geschlechter, auch wenn aus Gründen der leichteren Lesbarkeit nur die weibliche oder männliche Form
verwendet wurde.
Die folgende Bewertung erfolgt innerhalb der Kategorie:
„Familienspiel, auch für Expertenspieler geeignet“
Kurzfassung
Titel: Dominion
Autor: Donald X. Vaccarino
Grafik: div.
Verlag: Rio Grande Games
Spieleranzahl: 2-4 Spieler
Altersempfehlung Verlag: Ab 13 Jahren
Eigene Einschätzung: Ab 8 Jahren (mit etwas Hilfe)
Spieldauer: 30 Minuten
generationen-tauglich: nur bedingt, da der Text auf den Karten oft sehr klein geschrieben ist
jungundalt-tauglich: sehr gut von 8 bis 70 mit Spaß in jeder (auch gemischten) Altersgruppe