Die Saga geht weiter – Die Legenden von Andor: Die Ewige Kälte von KOSMOS (Rezension)

Die Legenden von Andor: Die Ewige Kälte | Kooperatives Abenteuerspiel | ab 10 Jahren | 2 bis 4 Spielende | Michael Menzel | Kosmos

Eigentlich hatte Autor Michael Menzel seine kreative Arbeit an der Fantasy-Welt „Andor“ nach der dritten großen Box für beendet erklärt. Umso größer war die Überraschung, als plötzlich mit „Die Ewige Kälte“ doch noch eine vierte große Box in der Reihe veröffentlicht wurde. Sie ist keine Erweiterung, sondern ein eigenständiges Spiel. Tatsächlich weckt der Inhalt starke Erinnerungen an die Vorgänger, bietet aber auch ein paar ganz neue spielerische Momente.

Der Beginn einer neuen Ära in der Welt von Andor, nur eben in kalt!

 

Das Spiel
Die Legenden von Andor: Die Ewige Kälte
ist ein kooperatives Abenteuerspiel von Michael Menzel und bei KOSMOS erschienen. Es ist für 2-4 Spielende geeignet und kann ab 10 Jahren gespielt werden.

„Andor“ wurde 2013 zum Kennerspiel des Jahres gekürt. Wer das Spiel kennt, kommt sicher ganz schnell auch in dieser winterlichen Ausgabe zurecht. So finden wir auf der Seite des doppelseitigen Spielplans, auf der wir starten, allerhand Bekanntes, nämlich vor allem die Riedburg und die unangenehmen Gors. Sogar drei der vier Rollen aus dem Grundspiel können wir wieder spielen. Neu in der Auswahl ist nun die Wächterin des Feuers. Sie ersetzt die Bogenschützin. Und trotz vieler Gemeinsamkeiten mit dem Grundspiel sieht alles anders aus, denn über allem liegt eine dichte Schneedecke.

Jedes Szenario enthüllt sich allmählich durch Karten.

 

Ein unerklärlicher Winter hält das Land in seinem Bann. Schuld daran scheint ein blau schimmernder Stein zu sein, der unweit der Riedburg entdeckt wurde. Und schon stecken wir in einem geführten Einstiegsabenteuer, das uns die grundlegenden Spielmechaniken von Bewegung und Überstunden hervorragend erklärt. Gut, dass sich da Andor-Erschaffer Michael Menzel an sein Projekt „Die Abenteuer des Robin Hood“ erinnert hat, wo er uns den Einstieg ähnlich einfach gemacht hat. Das Spielziel ist auch hier gleich: Gemeinsam müssen wir in einem vorgegeben Zeitrahmen alle Ziele eines Szenarios erfüllen, sonst scheitern wir.

So klappt es auch im Schneegestöber.

 

In dem Tutorial von „Die Ewige Kälte“ lernen wir unter anderem, wie wir uns bewegen, das Kämpfen und wie sich das alles auf die Zeitleiste auswirkt. Auch wer mit „Andor“ bisher noch gar nichts am Hut hatte, findet sich schnellstens in das System ein. Statt der Nebelfelder aus dem Grundspiel decken wir nun Schneeplättchen um. Darunter können sich hilfreiche Dinge befinden, wie etwa Kräuter oder Brennholz, die uns in brenzligen Situationen durchaus das Leben retten können. Dummerweise können wir aber auch einen Schneesturm auslösen. Dann taumeln alle unsere Figuren auf andere Felder. Das kann einerseits einen Kaskadeneffekt auslösen, wenn man dann wieder auf einen Schneesturm trifft, zum anderen aber auch strategisch eingesetzt werden, wenn man mal lange Strecken überbrücken muss, aber die Puste schon ausgegangen ist. Natürlich ist da aber viel Glück im Spiel.

Bei all den lockenden Versuchungen darf mannie vergessen, dass unsere Heimat vor den eindringenden Monstern verteidigt werden muss.

 

Wenn wir alle unsere Bewegungen ausgeführt und somit eine Runde beendet haben, hetzen traditionell die Monster durch das Land. Das geht damals wie heute über das Pfeilsystem mit dem unangenehmen Bocksprung-Effekt. Und ja, auch das Errechnen von Bewegungen, das schon damals ein großer Kritik-Punkt war, ist bei „Die Ewige Kälte“ wieder Bestandteil eurer strategischen Überlegungen, wie lange die Riedburg noch den anströmenden Monstermassen widerstehen kann. Neu für uns ist aber, dass mit jeder gespielten Runde die Tage kürzer werden. Das bedeutet, dass wir grundsätzlich weniger Aktionen ausführen können. Das hat uns schon arg schwitzen lassen und dafür gesorgt, dass Missionen scheiterten. Das fühlte sich nicht immer befriedigend an. Wir können aber ja mit Koop-Frust gut umgehen.

Gor und Zwerg in direkter Nachbarschaft – das gibt Ärger!

 

Solltet ihr anfänglich vielleicht enttäuscht sein, dass wieder ‚nur‚ die tumben Gors ihr Unwesen treiben, trefft ihr aber schon spätestens ab dem zweiten Szenario ‚Das Land der drei Brüder‚ auf neue Monstrositäten, wie etwa die flinken Wargars, die eher putzig anmutenden Steppenbüffel und andere heftige Monstertypen. Ab dann spielt ihr übrigens auch auf der Rückseite des Spielplans und betretet eine neue Landschaft mit neuen Abenteuern und Herausforderungen. Und am Schluss … nun ja, das solltet ihr schon allein für euch herausfinden! Für die insgesamt vier Szenarien in dieser Box braucht ihr im optimalen Fall so etwa sechs Stunden. Dann muss aber wirklich alles glatt laufen! Aber ich prognostiziere mal, das wird es bei euch auch nicht!

 

Fazit
In den vier Szenarien, die euch erwarten, versucht „Die Ewige Kälte“ versucht wieder eine zusammenhängende und stimmungsvolle Geschichte zu erzählen. Für uns ist dieser Teil des Spiels auch gelungen. Der mysteriöse Winter über dem Land „Andor“ hat uns spannende Stunden geschenkt. Wer wie wir bis zum Ende des vierten Szenarios durchspielt, wird dann manchen harten Kampf ausgetragen haben, viel und weit optimiert durch das Land gereist sein und sicher auch mehrere Anläufe genommen haben, bis die unterschiedlichen Szenarien erfolgreich bestanden sind. Keine Frage, da waren auch frustrierende Momente mit dabei. Die stellen sich immer ein, wenn beim Würfeln nur Mist rauskommt oder man ein kleines Detail bei der Monsterwanderung vergessen hat. Für ein Kennerspiel, das „Die Ewige Kälte“ auf Grund der Regelvielfalt und Komplexität der Entscheidungen wirklich ist, ist der Glücksanteil erstaunlich hoch. Aber wer kann schon den Ablauf und das Ergebnis eines der größten Abenteuer deines Lebens vorhersagen?

Was uns in der Nachbetrachtung tatsächlich verwundert, ist wie viel altes „Andor“ in dem neuen „Andor“ steckt. Natürlich kamen wir nach einer knapp dreijährigen Pause seit unserer letzten Partie wieder super schnell wieder ins Spiel. Das lag vor allem an der toll aufbereiteten Anleitung und dem vorgelagerten Mini-Szenario. Das hat uns schnell viel Sicherheit in der Regelkenntnis gegeben. Aber vielleicht hätten wir uns sogar ein bisschen mehr Innovation gewünscht. Nebelplättchen sind nun Schneeplättchen, die Bauern heißen nun Iqaur, erfüllen aber den gleichen Nutzen, und der Zwerg ist immer noch die absolute Kampfsau. Und dennoch fanden wir den Umgang mit den neuen Inhalten, wie etwa den Kräutern, einem zugefrorenen See und der mysteriösen Höhle, sehr motivierend. Ihr merkt sicher, dass ich euch hier nur Andeutungen gebe, denn der Reiz des Spiels liegt tatsächlich darin, die Szenarien unvoreingenommen erleben zu dürfen. Da möchte ich euch nichts am Vorfreude verderben; Stichwort Spoileralarm!

Ich könnte euch verraten, wer der Typ auf der Wildsau-Echse ist, mach ich aber nicht.

 

In seiner Schwierigkeit passt sich auch „Die Ewige Kälte“ der Personenzahl an, wobei ich immer finde, dass in „Andor“ mehr Figuren immer mehr Chancen auf Erfolg haben. Deshalb haben wir zu zweit mit jeweils zwei Figuren gespielt. Wie immer lebt „Andor“ so wie andere Spiele dieses Genres davon, wie sehr ihr euch von dem Fantasy-Setting einfangen lasst. Das kann man für die anderen einfacher machen, wenn sich beim Vorlesen der Story ein bisschen Mühe gibt und bewusst ignoriert, dass hinter der Spielmechanik ein großer Berg Mathematik steht.

Generationentauglich ist auch „Die Ewige Kälte“ nicht. Du hantierst viel mit kleinen Markern, hast klein gedruckte Textkarten und sogar die Würfel sind klein geworden. Und dann kommt selbstverständlich der hohe Grad an Komplexität noch dazu. Abschließend versuche ich mich mal an einer Wenn-Dann-Aussage, wie wir sie in der Spielmechanik von „Die Legenden von Andor: Die Ewige Kälte“ so häufig vorfinden:

WENN_großer_Andor_Fan_DANN_eher_enttäuscht_WEIL_wenig_Neues
WENN_neu_in_Andorwelt_DANN_tauche_gerne_ein_WEIL_tolle_Geschichte_UND_viele_Stunden_Spaß

 

Bewertung / Test
+ gut gemachte Anleitung für Neulinge in der „Andor“-Welt
+ Tutorial führt in die Grundmechaniken ein
+ nur kleine Anreize für Menschen mit großer Andor-Spielerfahrung
+/- (nur) vier Legenden in der Box
– ist als Spiel immer noch arg berechenbar
– Nach 90 Minuten Optimierung an einem Würfelwurf zu scheitern kann Frust freisetzen

 

 

(Eine Rezension von Oli Clemens)


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Die folgende Bewertung erfolgt innerhalb der Kategorie:
“Kooperative Spiele”

  • ... Altersgruppe 10 bis 49 Jahre
  • ... Altergruppe 50 bis 70 Jahre
  • ... Altersgruppe ab 71 Jahre

Die Legenden von Andor: Die Ewige Kälte (2023)

Spielidee: Michael Menzel
Grafik: Michael Menzel
Verlag: KOSMOS
Anzahl der Spielenden: 2-4 Personen
Altersempfehlung Verlag: Ab 10 Jahren
Spieldauer: mindestens eine Stunde pro Abenteuer

Generationentauglichkeit: Nein, da sehe ich kein Potential für das generationenübergreifende Spielen. Zu viel Mikromanagement mit Figuren, kleinen Würfeln und kleinen Texten.