Eine wundervolle Welt | Autor: Frédéric Guérard | Grafiken: Anthony Wolff | 1-5 Spieler:innen | ab 14 Jahre | Kobold Verlag | Kartenlege- und Ressource-Management-Spiel für spielerfahrene Gelegenheitsspieler:innen

Der Titel des Spiels „Eine wundervolle Welt“ klingt nach Ponyhof und „alles gut“. Die Optik verrät aber, dass es durchaus ironisch zu verstehen ist. Denn wo Militär und Industriemagnate sich wenig freundlich gegenüberstehen, wird es so „wundervoll“ dann doch nicht zugehen.
Wir schlüpfen in die Rolle expandierender Industrie-Imperien und versuchen, uns besser zu entwickeln als unsere Mitspieler:innen. Zeit haben wir dafür vier Runden. In jeder Runde werden Karten gedraftet, also jeder erhält einen Schwung Karten, darf eine auswählen und gibt den Rest an den Nachbarn weiter. So kann man gezielt Karten für seine eigene Strategie heraussuchen oder die perfekte Karte für die Mitspieler herausnehmen. Bereits hier entscheidet sich wesentlich, wie meine Runde gelingt. Mit den Karten kann ich anschließend entweder Ressourcen produzieren, indem ich die Karte „recycle“, also abwerfe, oder ich lege sie in meine Ablage, um die entsprechende Anlage, die darauf abgebildet ist, zu bauen und so dauerhaft am Rundenende Ressourcen zu erhalten. Oder Siegpunkte. Was auch irgendwie wichtig ist in dem Spiel, denn am Ende gewinnt, wer am meisten hat.

Es gibt sechs Ressourcen im Spiel, dargestellt durch farbige Würfel. Dem Thema geschuldet haben sie auch Namen, diese werden im Spiel aber schnell durch die einfache Nennung der Farbe ersetzt. Statt „ich häufe Wissen an“ sammelt man jede Menge „Grün“. So thematisch ist das Spiel sowieso nicht, auch wenn die wirklich gelungenen Zeichungen sehr viel zur Spielatmosphäre beitragen.

Nach der Draft-Phase (Karten werden gewählt) und der Planungsphase (Karten abwerfen oder auslegen) kommt die Produktionsphase. Dabei wird auf dem Spielbrett von links nach rechts die einzelnen Ressourcen durchgegangen. Beginnend bei „Baumaterial“ oder „Grau“ wird geprüft, wer wieviele Steinchen bekommt. Die Summe ergibt sich aus der anfänglich zugeteilten Imperiumskarte und den ausliegenden und schon gebauten Karten. Die erhaltenen Steinchen darf man sofort auf ausliegende und noch nicht gebaute Karten legen. Jede dieser Karten benötigt bestimmte Steinchen. Liegen alle Steinchen darauf, gilt diese Karte als gebaut.
Wichtig ist hier, die Reihenfolge zu beachten und in seine Planung miteinzubeziehen. Kann ich mit den grauen Steinchen eine Karte fertigstellen, die anschließend schwarze Steinchen bringt, die wiederum eine Karte fertigstellen, die dann grüne Steinchen bringt … So ergibt sich bei geschickter Planung ein wunderbarer Synergie-Effekt. Funktioniert nur dann, wenn ich die richtigen Karten gedraftet habe und mit Hilfe des „Recyclings“ die fehlenden Steinchen geholt habe.
Das funktioniert manchmal erstaunlich gut und man ballt die Imperiums-Faust und freut sich über diese wundervolle Welt. Und dann wiederum scheitert man an dem einen Steinchen gleich zu Beginn der Produktionskette und man kann die Runde knicken.

Man hat viel zu planen in diesem Spiel. Kommen nicht die richtigen Karten, muss man eben einen Plan B aus dem Hut zaubern. Dazu bietet das Spiel genug Möglichkeiten. Wer damit am besten umgehen kann, wird auch gewinnen – es sei denn, es sitzt einer dieser Glückspilze am Tisch, der einfach nur die stets richtigen Karten bekommt. Das kann vorkommen, aber so ist das Spieler-Leben eben. Aber der Draft-Mechanismus gleicht sehr viel aus und es passiert tatsächlich nicht oft, dass ein Mitspieler einen solchen Run hat. Es spielt sich im Großen und Ganzen sehr ausgeglichen und belohnt tatsächlich geschickte Planung, aber bestraft auch nicht, wenn eine Runde mal daneben geht.
Spannend ist es bis zum Schluss, denn mit der letzten Produktionsphase kann noch soviel passieren. Schafft man die geplanten Großprojekte? Genügen die vielen kleinen einfachen Karten? Kann ich mit den Multiplikatoren für Generäle oder Investoren noch für eine Überraschung sorgen?

So gibt es viele Wege zu Punkten und es macht richtig Spaß, sein Imperium zu entwickeln, seine Welt wundervoll zu gestalten. Die Grafik tut ein Übriges, um eine sehr vergnügliche – fast hätt ich gesagt „wundervolle“ – Spielstunde zu bereiten.
Es gibt kaum „Downtime“ im Spiel, manchmal braucht man für eine Entscheidung etwas länger, wenn man zum Beispiel zwei perfekte Karten auf der Hand hat, aber nur eine behalten darf. Aber das Spiel läuft weitgehend flott und schnell.
Interaktion ist beim Draften gegeben, wenn man dem nächsten Spieler seine perfekte Karte für sich nimmt. Dabei gilt es aber abzuwägen, wodurch der größere Schaden entsteht, dass der andere seine Karte bekommt oder ich sie nehme, dafür aber eine gute Karte für mich weitergebe.

Sehr stimmig gezeichnete Karten, trotzdem klar erkennbare Symbole machen es einfach, sich auf das Spiel zu konzentrieren. Die erste Partie ist eindeutig zum Lernen da und zum Erkunden, welche Karten es denn gibt. Selbst bei guter Regelerklärung erkennt man erst mit der ersten Partie, welche Möglichkeiten tatsächlich in diesem Spielmechanismus stecken.
Und es ist ein wirklich toller Mechanismus, der auf der einen Seite sehr zugänglich ist und ohne Ecken und Kanten den Spielfluss fördert. Auf der anderen Seite angenehm moderaten Tiefgang besitzt, um immer wieder knifflige und spannende Entscheidungen zu fordern. Und keine Partie gleicht dabei der anderen und auch nach der zehnten Partie fühlt es sich nicht langweilig an. Ein großartiges, wundervolles Spiel für spielerfahrene Gelegenheitsspieler, Kennerspieler freuen sich über moderaten Tiefgang, das bei einer Spielzeit von nicht mal einer Stunde ein schönes Spielerlebnis auf den Tisch bringt, das man gerne sofort wiederholen kann.

Fazit
„Eine wundervolle Welt“ bietet einen raffinierten Draft-Mechanismus und einen sehr klug ausgetüftelten Spielmechanismus, der sehr einfach und flott zu spielen ist und genug Tiefe besitzt für viele kurzweilige Partien. Wer am geschicktesten die Karten miteinander kombiniert wird auch die meisten Siegpunkte generieren. Welchen Weg man dabei einschlägt ist offen und das hält die Spannung bis zur Punkteauszählung hoch. Ein auch grafisch gelungenes Spiel, das meiner Meinung nach in jedes Spieleregal gehört und ganz vorne stehen darf. Erfahrene Familien- und Gelegenheitsspieler, die auch mal nichts gegen Gehirnakrobatik haben, sind hier perfekt aufgehoben. Kennerspieler werden moderate Kost auch nicht verachten.
Und wer in Corona-Zeiten auch mal Solo gefordert sein will, der findet nicht nur einen spannenden Solo-Mechanismus, sondern gleich mehrere Szenarien zum Durchspielen – das ist wirklich wundervoll.

Bewertung / Test
+ einfache Spielregeln
+ sehr schön und stimmig illustriert
+ viele Möglichkeiten, Siegpunkte zu generieren
+ etwas Interaktion durch Draft-Mechanismus
+ spannend bis zuletzt
+ verzeiht Fehler und lässt viel Platz für Plan B, Plan C …
(Eine Rezension von Gerhard Hany)
Wichtige Informationen zu unseren Rezensionen (KLICK)
Die folgende Bewertung erfolgt innerhalb der Kategorie:
“Familienspiel“
Eine wundervolle Welt (2020)
Spielidee: Frederic Guerard
Grafik: Anthony Wolff
Verlag: Kobold Verlag
Spieler:innenanzahl: 1-5 Spieler:innen
Altersempfehlung Verlag: Ab 14 Jahren
Eigene Altersempfehlung: Ab 12 Jahren (mit Spielerfahrung)
Spieldauer: 45-60 Minuten
Generationentauglich: Bedingt geeignet für Spieler:innen ab 12 (mit Spielerfahrung) mit gleichen Anforderungen. Die Würfel auf die Karten legen und den Überblick über all die ausliegenden Karten zu behalten ist etwas mühsam.