Schon wieder die Goblins! Da haben wir uns gerade mit den anderen Rassen zusammengerauft, da kommen diese unangenehmen Kumpanen und fallen in unser Heimatgebiet ein. Also rauf aufs Schiff und möglichst weit weg. Und wie es der Spieleautor so will, landen wir an der Küste eines ertragreichen und Goblin-freien Landes und können hier gemeinsam mit den anderen Rassen eine neue Heimat gründen. Dabei geht es ziemlich friedlich zu, auch wenn die alten Rivalitäten nicht vergessen sind.
Soweit die Vorgeschichte. Nun zum eigentlichen Spiel. Wir besiedeln ein unentdecktes Land, das wir selbst mit Plättchen nach und nach legen. Dabei bringen die angelegten Landschaften unterschiedliche Ressourcen. Gold in den Hügeln, Kristalle im Gebirge, Holz im Wald und die wichtigen Ruhmespunkte in Städten. Aber an die Ressourcen ranzukommen ist nicht so einfach. Ich setze zwar meine Arbeiter ein, aber eine Landschaft wirft erst dann was ab, wenn diese abgeschlossen ist, also komplett durch andere Landschaften umgeben ist. Aus je mehr Plättchen diese Landschaft besteht, desto mehr wirft sie ab. Und jetzt kommt der Clou.
Nicht etwa die Figuren, die auf der Landschaft stehen, erhalten die Waren. Im Gegenteil, diese Figuren wandern unverrichteter Dinge nach Hause. Nur die Figuren, die auf benachbarten Plättchen stehen, erhalten die Waren.
Das ist so ungewohnt und ebenso genial. Da muss man anders denken und anders planen. Hinzu kommt, dass man zwar seine Arbeiter benachbart zu lukrativen Landschaften in Stellung bringen kann, aber wird die Landschaft, auf dem diese auf fette Beute lauern, zuerst abgeschlossen, sind sie wieder zu Hause, ohne etwas mitzubringen.
Hab ich schon gesagt, dass dieser Mechanismus genial ist? Er ist es. So einfach und unspektakulär sich das anhört, aber er fordert ein ganz neues strategisches Planen heraus. Das ist für alle Kennerspieler ein Leckerbissen. Dabei ist es so einfach, dass erfahrene Gelegenheitsspieler die Regeln sofort verinnerlicht haben. Aber wie man es gewinnbringend umsetzt, ist eine ganz andere Sache.
Wow. Ich gebe zu, ich war schon lange nicht mehr so begeistert von einem so simplen Arbeiter-Einsetz-Mechanismus.
Das besondere dabei ist zudem, dass das Spiel damit vorwärtsgetrieben wird. Man breitet sich automatisch über das Land aus, weil in abgeschlossene Gebiete darf man nicht mehr einsetzen. Man legt in jedem Zug an die Landschaften an und die Arbeiter wandern immer weiter über das Land. Man entdeckt die neue Heimat, und das ist ein sehr intensives Spielgefühl. Perfekt gelöst. Auf der Stelle treten und Waren einsammeln geht nicht.
Mit den errungenen Waren kann man verschiedene Dinge machen. Karten kaufen gehört zu den wichtigen Dingen. Diese Karten bringen im Spiel Vorteile, dauerhaft oder einmalig. Man baut Monumente für die wichtigen Siegpunkte am Spielende. Man baut Burgen, um sich Vorteile auf dem Spielfeld zu verschaffen. Das ist alles sehr gut ineinander verwoben, so dass es mehrere Sieg-Strategien ermöglicht. Und es gibt genug taktische Entscheidungen, um ständig neu planen zu müssen.
Das Spiel fordert Aufmerksamkeit, die Mitspieler wollen beobachtet und eingeschätzt werden, die Landschaft muss bewertet werden, um den jeweils besten Zug zu machen, langfristig muss geplant werden, wo und wann ich welche Karten erwerben kann. Es gibt viel zu tun, aber es überfordert nicht. Mit etwas Spielerfahrung macht es viel Spaß. Für Einsteiger ist es ein großer Schritt Richtung Kennerspiel, für Kenner gibt es komplexere Systeme, aber so erfrischend unverbraucht und mit angenehmer Spieltiefe ist Pandoria ein perfektes, kurzweiliges und schnell gespieltes moderates Kennerspiel.
Zu zweit gespielt kommt es auf die Spielernaturen an. Man kann sehr konfrontativ spielen, sich aber auch aus dem Weg gehen. Zu dritt offenbart das Spiel seine wirkliche Stärke, zu viert wird es manchmal etwas chaotisch, was mehr taktische Überlegungen erfordert als strategisch langfristige Pläne.
Am Material kann man nichts aussetzen, die Icons sind nach kurzer Eingewöhnung klar und das Spiel ist schnell erklärt und schnell gespielt. Die Figuren und Anzeigemarker sind sehr schön modelliert.
Spannend bleibt es bis zuletzt und es ergibt sich ein intensiver Spannungsbogen über das ganze Spiel. Es gibt wenig Downtime, selbst Zugoptimierer haben wenig Gelegenheit, das Spiel in die Länge zu ziehen. Der Glücksfaktor ist gering und macht sich eher angenehm bemerkbar als dass er stört und strategische Planungen zunichte macht. Da man gemeinsam mit seinen Mitspielern die Landschaft baut und natürlich stets versucht, die anderen Arbeiter nach Hause zu schicken, kommt eine sehr angenehme weil nicht zerstörende Konkurrenz auf. So entwickelt jeder Spieler sein Spielertableau für sich, ohne dass darauf die Mitspieler Einfluss haben. Der Wettstreit um die Ressourcen ist etwas ganz anderes.
Als Zielgruppe ist sicher der Kennerspieler gedacht, aber auch erfahrene Gelegenheitsspieler sind schnell im Spiel. Das Spiel ist trotz der vielen unterschiedlichen Karten nicht komplex und die ausgeführten Aktionen sind geradlinig und nicht verschachtelt. Da dreht man nicht an mehreren Stellschrauben. Alles ist klar und übersichtlich. Gemeistert ist das Spiel damit noch lange nicht.
Da durch die gelegten Landschaften sich jedesmal ein neues Spiel ergibt, ist die Wiederspielbarkeit sehr hoch.
Sehr gelungen ist im Übrigen die mitgelieferte, vereinfachte Familienversion, die das Spiel deutlich einfacher macht und somit ideal für Familien geeignet ist. Da kann an auch ohne viel Erfahrung rangehen. Und wer weiß, vielleicht wird das Spiel so zum Einstieg in die Fortgeschrittenen-Spieleszene.
Eine weitere Variante ist das Gruppenspiel, das bietet eine ganz neue dynamische Spielerfahrung. Hier kämpft man zwei gegen zwei und das verschärft das Spiel deutlich, vorausgesetzt, man mag Konfrontation.
Irongames, der Verlag hinter dem Spiel, ist schon längst kein Geheimtipp mehr. Die Spiele von Bernd Eisenstein (Autor und Verlagschef in einem) können durch die Bank überzeugen. Mit Pandoria hat er meiner Meinung nach ein neues Niveau erreicht.
FAZIT
Pandoria von Jeffrey D. Allers und Bernd Eisenstein, Grafiken von Christian Opperer und Lukas Siegmon, ist für 2 bis 4 Spieler ab 10 Jahren und wurde 2018 von Irongames herausgebracht.
Wenn ich es noch nicht gesagt habe, ich bin begeistert und ich finde die Spielmechanik genial. Perfekt für Kennerspieler, die hier ein moderates aber dennoch forderndes Spiel finden. Gelegenheitsspieler sollten Spielerfahrung mitbringen, dann steht ihnen nichts im Weg auf dem Weg nach Pandoria. Die Familienvariante ist eindeutig leichter und hier trifft die Altersvorgabe zu. Sonst würde ich das Spiel erst ab 12 oder 13 Jahren empfehlen.
Für zwei Spieler ist Pandoria ein feines Duell-Spiel, für drei und vier Spieler ideal. Viele Wege führen zum Sieg und jedesmal ergibt sich ein neues Spiel.
Meiner Meinung nach ein tolles Highlight, das in jedes Kennerspieler-Spieleregal gehört. Unbedingt antesten, und auch Familien mit Spielerfahrung machen nichts verkehrt und dank der vereinfachten Familienvariante auch für Einsteiger schön. Da hat die Familie Spaß und die Kennerrunde wird gefordert. Und alles in einem Spiel – perfekt.
BEWERTUNG
+ erfrischend neue Spielmechanik
+ tolle Ausstattung
+ intensives Spielerlebnis
+ viele Strategien möglich
+ schnell gelernt – schwer gemeistert
+ mit zwei Varianten für Familien und Gruppen
Hinweis zur Gender-Formulierung: Bei allen Bezeichnungen, die auf Personen bezogen sind, meint die gewählte Formulierung beide Geschlechter, auch wenn aus Gründen der leichteren Lesbarkeit nur die weibliche oder männliche Form wurde.
(Eine Rezension von Gerhard Hany)
Wichtige Informationen zu unseren Rezensionen (KLICK)
Die folgende Bewertung erfolgt innerhalb der Kategorie:
“Kennerspiel”
Panrodia
Autor: Jeffrey D. Allers, Bernd Eisenstein
Grafik: Christian Opperer, Lukas Siegmon
Verlag: Irongames
Spieleranzahl: 2-4 Spieler
Altersempfehlung Verlag: Ab 10 Jahren
Eigene Altersempfehlung: ab 10 Jahren (Familienvariante) sonst ab 13 Jahren
Spieldauer: 90 Minuten
Generationentauglich: gut gemeinsam spielbar, etwas Spielerfahrung tut gut, mit fortgeschrittenem Spielverlauf leicht unübersichtlich (in der Kennerspiel-Variante)