Khôra – Aufstieg eines Imperiums | Kennerspiel | ab 14 Jahren | 2 bis 4 Spielende | Headquarter Simulation Game Club | Iello |
Athen, Sparta, Olympia – vor knapp 2500 Jahren gab es in der Ägäis untereinander ziemlichen Stress über die Frage, wer nun der wichtigste Stadtstaat in dieser Gegend sein sollte. In diesem Konflikt ist jetzt unser Managementgeschick gefragt. Schnappen wir uns also eine der insgesamt sieben antiken aufstrebenden Mächte, um zum wichtigsten Global Player im Mittelmeer zu werden.

Das Spiel
Khôra – Aufstieg eines Imperiums ist ein Kennerspiel von Headquarter Simulation Game Club und bei Iello erschienen. Es ist für 2-4 Spielende geeignet und kann ab 14 Jahren gespielt werden.
Neun Runden lang wetteifern wir bei „Khôra“ um die meisten Siegpunkte. Dabei lenken wir die Geschicke eines einzelnen griechischen Stadtstaats und kümmern uns um Handel und Militär, Gesetze und Politik, aber auch um Philosophie und Kultur. Im Kern kombinieren wir Würfelergebnisse mit einer Auswahl von Aktionen. Einen großen Teil des Spiels verbringen wir damit, auf zahlreichen Leisten nach oben zu klettern.
Um gleich falsche Erwartungen zu schmälern: „Khôra“ – Aufstieg eines Imperiums“ ist trotz des vollmundigen Titels kein Simulationsspiel, bei dem wir eine Zivilisation über einen langen Zeitraum möglichst effektiv lenken. Eigentlich ist es ein Rohstoffel-Sammel-Rennspiel, bei dem wir auf verschiedene Arten Siegpunkte einsammeln. Und um auch gleich mit einem zweiten Irrtum aufzuräumen: Auch wenn auf der Schachtel das Wort Expert aufgedruckt ist, handelt es sich eher um ein Kennerspiel. Und keine Sorge, „Khôra“ ist so gut in seinem Ablauf strukturiert, dass man schnell ins Spiel kommt, auch wenn man am Anfang erst einmal auf scheinbar unendlich viele Leisten schaut: Bürgerleiste, Steuern, Ruhm, Truppen, Wirtschaft, Kultur und Militär.

Neun Runden spielen wir und jede Runde ist in sieben Phasen unterteilt, die nacheinander abgehandelt werden. Alles geht immer damit los, dass von einem Stapel ein Ereignis aufgedeckt wird. So kann eine Dürre aufkommen, ein Krieg ausbrechen, Lieferungen aus Lydien eintreffen oder andere Dinge geschehen, die thematisch in der Antike verankert sind. Dieses Ereignis aktiviert sich zwar erst in der sechsten Phase, gibt aber schon früh eine Orientierung, worauf wir in dieser Runde achten sollten, um einen Vorteil zu erhalten, oder zumindest eine Strafe abwenden zu können. Danach werden Steuern eingetrieben und die beiden Würfel gewürfelt, die man zu Beginn mit seinem eigenen Spieltableau, wunderbaren Holz- und Pappmarkern, ein paar Politikkarten, und einem Set aus sieben Aktionskarten bekommen hat.
Die nächsten beiden Phasen sind eigentlich das Spiel an sich. Die beiden Würfelergebnisse müssen jetzt möglichen Aktionen zugeordnet und danach abgehandelt werden. Die Aktionskarten haben die Werte von 0-6. Eine Aktion kann aber nur aktiviert werden, wenn ich eine Würfelzahl zuordnen kann, die mindestens gleich groß ist. Möchte man zum Beispiel die Aktion ‚4 – Militär‘ in dieser Runde spielen, muss einer der Würfel schon mindestens eine vier zeigen. Ist das Würfelergebnis zu klein, nutze ich meinen Marker auf der Bürgerleiste, um das Ergebnis entsprechend zu manipulieren – so lange ich dort Bürger habe.

Je nach ausgewählter Aktion kann ich Joker-Schriftrollen einsammeln, Politikkarten nachziehen, Siegpunkte einstreichen, Handel treiben um Drachmen zu bekommen, Politikkarten ausspielen oder meine Zivilisation entwickeln, wenn ich vorher genügend Ressourcen gesammelt habe. In „Khôra“ sind das die bereits erwähnte Währung Drachmen und runde grüne, rote und blaue Wissensmarker. Die meisten der Phasen laufen parallel. Wartezeit kommt fast keine auf.
Natürlich mache ich die Wahl meiner Aktion zuerst einmal von meinen Würfelergebnissen abhängig. Wer mies würfelt, hat durchaus einen Nachteil. Einsen und Zweien haben noch keine Polis in den Olymp gehoben. Wer häufig hohe Zahlen würfelt, kann sich unproblematischer aus dem Aktions-Angebot bedienen. Glück spielt also eine Rolle – das müsst ihr als Staatsoberhaupt wissen. Aber Glück und Pech verteilen sich ja bekannterweise.
Schnell wird klar, dass die Aktionen Handel, Militär und Politik eine große Bedeutung auf dem Weg zum Sieg haben. Mit Handel frische ich mein Bargeldkonto auf und kann mir notwendige Wissensmarker kaufen. Politik lässt mich Handkarten ausspielen. Diese bringen entweder einen direkten Einmalbonus, einen dauerhaften Effekt oder einen Bonus auf die Schlusswertung. Ausspielen kann ich so viele, wie ich schaffe.

Am bedeutsamsten für Sieg und Niederlage hat sich die Aktion Militär gezeigt. Diese erhöht meine Werte auf der Truppenleiste, mit der ich dann im Anschluss erkunden kann. Das bedeutet, dass ich mir aus einer Auslage von Wissensmarkern einen aussuchen kann, der meiner aktuellen Truppenstärke entspricht. Manchmal kann ich dazu noch Siegpunkte oder Drachmen oder sogar beides einstreichen. Hat ein Wissensmarker sogar noch einen aufgedruckten Lorbeerkranz, wirft er zum Schluss noch Siegpunkte ab. Militärpower lohnt sich also – wohl wie auch im richtigen Leben.

Zudem haben die meisten aller aufgedeckten Ereignisse aus Phase 1 etwas mit der Truppenstärke zu tun und belohnen und bestrafen die Person, deren Marker eben am weitesten oben oder unten steht. Die Militäraktion hat somit wohl die höchste Bedeutung im ganzen Spiel. Um diese Phase des Spiels in einer zugegeben nicht wissenschaftlich fundierten Regel auszudrücken: Wer selten diese Aktionen spielen kann, wird um den Sieg nicht mitspielen. Das kann schon frusten und hat so mancher Mitspieler:in das Spielerlebnis gründlich versaut.
Mit dem Würfelwert 6 kann man dann noch seine Zivilisation eine Stufe aufsteigen lassen, vorausgesetzt, man hat die notwendigen Wissensmarker schon zusammen. Jeder Aufstieg schaltet einen neuen, individuellen Bonus frei. Dadurch wird das Spiel sehr asymmetrisch und reizt natürlich, jede der sieben Zivilisationen auszuprobieren. So erhalten die kriegerischen Spartaner bald eine Verbesserung der Steuern, wenn sie die Militäraktion ausführen. Korinther starten mit mehr Reichtum als die anderen, Olympia belohnt Aktionen mit Kultur. Und Athen, die alten Demokratie-Erfinder, haben so manches Ass im Ärmel, wenn sie durch die Politik-Aktion Karten ausspielen dürfen. Letztlich bietet jede Zivilisation durch seine individuellen Boni eine gute Strategie an, um gewinnen zu können.

Im Anschluss kann man eine Fortschrittsleiste auf dem eigenen Spieltableau entwickeln. Zur Auswahl stehen Wirtschaft, Kultur und Militär. Dafür braucht es wiederum Drachmen. Fast jeder Aufstieg bringt einen kleinen Bonus mit sich. So bringen Entwicklungen auf der Wirtschaftsleiste mehr Bürger, Fortschritt beim Militär mehr Ruhm und ein Stufenaufstieg in der Kultur mehr Steuern und auch einen dritten Würfel. Dann könnte man drei statt bisher zwei Aktionen pro Runde ausführen – verlockend!
Nachdem dann noch das Ereignis abgehandelt und geprüft wird, ob jemand eine Errungenschaft freigeschaltet hat, endet eine Runde. Insgesamt werden neun gespielt und dann abgerechnet. Punkte gibt es dann vor allem noch durch ausgespielte Politikkarten und Wissensmarker mit Lorbeeren. Wer am Schluss den Wertungsstein vorne hat, gewinnt.
Fazit
„Khôra – Aufstieg eines Imperiums“ kam bei den Leuten, den ich es gezeigt habe, unterschiedlich gut an. Als bedeutendster negativer Kritikpunkte wurde oft geäußert: Wer nicht auf das Militär setzt, wird schnell abgehängt. Außerdem verloren auch einige die Lust, wenn die durch die Ereignisse bestraft wurden. Und dann ist dann ja noch das Glück der Würfel.
Mich alles stört das nicht. Wenn ich „Khôra“ spiele, liegt ein tolles Kennerspiel vor mir, das mir eine wunderbare Zeit liefert. Das Material ist optisch toll und wertig und ich mag es einfach, aus jeder noch so schlechten Situation was Gutes machen zu wollen. Dabei fälle ich reichlich Entscheidungen und muss in meinem Kopf viel abwägen. Da die meisten der sieben Phasen einer Runde simultan gespielt werden, kommt auch kaum lästige Wartezeit auf. Vor dem Thema der griechischen Antike muss auch niemand zurückschrecken
Dass der Schriftzug Expert auf der Schachtel aufgedruckt ist, irritiert eher und gilt vielleicht innerhalb der Iello-Spielewelt. „Khôra“ ist ein feines Kennerspiel, das sicher auch schon Personen ab 12 mit Freude spielen können. Menschen im hohen Alter würde ich aber eher davon abraten. Die Texte auf den Karten sind sehr winzig und man muss schon viel Material hin und her schieben.
Bewertung / Test
+ tolles Material
+ leichter Zugang
+ viele Entscheidungen
+ asymmetrische Zivilisationen ermöglichen unterschiedliche Spielerlebnisse
– es kann vorkommen, dass man schnell abgehängt wird
– Bestrafung bei den Ereignissen kann Motivation rauben
– Würfelglück
(Eine Rezension von Oli Clemens)
Wichtige Informationen zu unseren Rezensionen (KLICK)
Die folgende Bewertung erfolgt innerhalb der Kategorie:
“Kenner- und Expertenspiel”
Khôra - Aufstieg eines Imperiums (2021)
Spielidee: Headquarter Simulation Game Club
Grafik: David Chapoulet & Jocelyn Millet
Verlag: Iello
Anzahl der Spielenden: 2-4 Personen
Altersempfehlung Verlag: Ab 14 Jahren
Eigene Altersempfehlung: Sicher auch schon ab 12 Jahren, wenn genügend Erfahrung mit Kennerspielen vorhanden ist.
Spieldauer: 75 – 90 Minuten
Generationentauglichkeit: Nein, das Material ist zwar toll, aber eignet sich absolut nicht.