Äther, Dampf und Stahlgiganten | Pen&Paper Rollenspiel| ab 12 Jahren | 3 bis 8 Spieler:innen | Autor | Uhrwerk-Verlag| bedingt pädagogisch wertvoll
Eine kleine Episode aus Space 1889:
„Ein stampfendes Ungeheuer also, und sieben Yards hoch, sagen sie?“
Der Bleistift flog in atemberaubender Geschwindigkeit über das Notizpapier, so schwungvoll dass sich Nathaniel Burrows damit fast den Hut vom Kopf wischte. Was schlecht gewesen wäre, am Rande der Ufermole im Hafen von New Orleans wenn gerade der Wind seewärts kam. Ohne den Presseausweis unter dem Hutband gab es wenig, womit er die Leute davon überzeugen konnte, mit ihm zu sprechen, seit ihm die Spesen für Bestechungsgelder gekürzt worden waren.
Nicht dass es diesen speziellen Augenzeugen aufgehalten hätte.
„Mindestens!“, bellte der alte Mann, und brauner Tabakspeichel sprenkelte seinen zerrupften Bart. „Ich sag ihnen, das war auch eins von den Dingen, die man vom Mars hergeholt hat! Ich habs immer schon gesagt, das Zeug was von diesen seltsamen Segelohren geholt wurde, das ist nichts für uns hier! Das Monstrum war dabei noch nicht mal das schlimmste! Allein was sie da vor kurzem aufs Ätherschiff geladen haben, das sah ja furchtbar aus!“
„Was wurde verladen?“, fragte Nathaniel Burrows. Seine Finger schrieben ohne Unterlass, juckend vor all die sensationellen Neuigkeiten zu denen der spuckende Alte ihm den Weg weisen konnte.
„Oh, wenn ich ihnen das nur sagen könnte!“, lamentierte dieser. „Es sah so furchtbar aus. Dieser riesige Boiler allein, wenn sowas in die Luft fliegt, das wird schlimmer als dreimal Gettysburg, das sag ich ihnen!“
Nathaniel versuchte mit aller Macht, sich nicht auf die Zunge zu beißen.
„Was sie nicht sagen, und wohin war der unterwegs?“
„Zum Merkur, hab ich gehört, aber sie werden doch nicht…“
Oh, und wie Nathaniel würde!
„Hat er es gefressen?“, fragte der edel gekleidete Geschäftsmann, während er den Weg des Reporters in Richtung Ätherhafen von Fenster seines Büros aus verfolgte.
„Da können sie Gift drauf nehmen!“ Der alte Mann hatte es nicht für nötig gehalten, sich den Schmutz aus dem Bart zu wischen. „Aber erlauben sie mir die Frage, Mister Dallwinger, warum das alles? Ich mein, wenn der Schnüffler schon seine Nase überall reinstecken muss, warum dann nicht einfach auf die altmodische…“
Er strich mit dem ausgestreckten Daumen über seinen verdreckten Hals.
Mister Dallwinger lächelte und strich seinen gestärkten Kragen glatt.
„Auf die Altmodische, das wäre das Leichteste, nicht wahr? Und auch das dreckigste.“ Er wandte sich vom Fenster ab, und sein Blick strich über seinen Untergebenen wie über etwas das gerade aus den Wänden gekrochen war. „Ein Schnüffler verschwindet im Mississippi, und drei Neue stehen morgen bei seinem Chef auf der Matte. Aber wenn ein Schnüffler auf Koste der Zeitungsschmierer auf eine Reise geht, zum Mars und noch darüber hinaus, wenn meine Leute halbwegs gute Arbeit leisten, dann ist er ein Kostenpunkt der das Saldo der Zeitung belastet.“
„Hä?“, grunzte der Oldtimer.
„Vergiss es.“ Mister Dallwinger schüttelte den Kopf. „Stell nur sicher, dass er auf die Reise geht. Was immer ihn da draußen erwartet, hält ihn wenigstens von meinen Geschäften fern!“
Draußen im Ätherhafen ergatterte Nathaniel Burrows indessen die Karte für das Schiff, dass ihn in das Abenteuer seines Lebens tragen würde.
Das Spiel
Äther, Dampf und Stahlgiganten ist ein Abenteuerband zu Space 1889 und ist im Uhrwerk-Verlag erschienen. Es ist für 3-8 Spielende geeignet und kann ab 12 Jahren gespielt werden.
Die Abenteueranthologie „Äther, Dampf und Stahlgiganten“ bietet einen breiten Querschnitt durch die verschiedenen Planeten und Möglichkeiten der Welt von Space 1889. Zum Spielen werden lediglich das Grundregelwerk und eine passende Auswahl von Würfeln vorausgesetzt. Dann steht dem Start in eines der Abenteuer nichts mehr im Wege. Die Vielfältigkeit ist dabei des Buches größter Trumpf.
Ob nun, ausgehend von einer Erfinderwerkstatt im Wilden Westen der USA, die Entwicklung schnaufender Kampflaufenden miterlebt wird. Oder die Helden:innen einer Zaubernden ein spektakulärer Auftritt auf dem Mars ermöglichen. Ebenso wie die Möglichkeit, in den gefrorenen Weiten des Merkurs wahrhaft Unerhörtes zu entdecken. Dieser Band bietet für jeden Geschmack etwas.
Zwar sind die einzelnen Segmente etwas zu kurz um für lange und tiefe Charakterentwicklung sorgen zu können, doch spricht nichts dagegen sie als größere Szenen in eine weitaus weitläufigere Kampagne einzuflechten. Diese erzählerische Handwerkskunst muss der:die Spielleitende jedoch selbst mitbringen.
Für sich genommen bietet jedes der kurzen Abenteuer genügend Material für einen runden Spieleabend, mit einigen Erweiterungen leicht noch sehr viel mehr. Von Lokalitäts- und Personenbeschreibungen über die mit angegebenen Werte um lästiges blättern in verschiedenen Büchern zu vermeiden, bis hin zu sehr ansehnlich aufgemachten Hand-Outs. All dies ist in gewohnter, durchgehend hoher Space1889-Qualität gehalten, und kann teilweise auch in anderem Kontext an anderer Stelle verwendet werden.
Bewertung / Test
+ sehr große Auswahl verschiedener Abenteuerszenarien
+ fantasievolle Einbindung in das große Space 1889-Universum
+ kaum Beschränkungen in der Auswahl der Spielerhelden
– durchgehend kurze Spielzeit der einzelnen Szenarien
– wenig empfohlene Anknüpfungspunkte, zum zusammenlegen der einzelnen Episoden
– eher plottfixierte Konstruktion, Charakterfokus nicht berücksichtigt
(Eine Rezension von Ulrich Reimer)
Wichtige Informationen zu unseren Rezensionen (KLICK)
Die folgende Bewertung erfolgt innerhalb der Kategorie:
“Rollenspiele”
Äther, Dampf und Stahlgiganten (Space 1889)
Spielidee: Stefan Küppers (Gesamtredaktion)
Grafik: Juha Makkonen, Eric Lofgren, Victor Fetch
Verlag: Uhrwerk Verlag
Anzahl der Spielenden: 3-8 Personen
Altersempfehlung Verlag: Ab 12 Jahren
Spieldauer: 1 – unendlich Stunden
Generationentauglich: Bedingt, viel zu lesen, meist schwarzer Text auf grauem Untergrund