Golem | Expertenspiel | ab 13 Jahren | 1 bis 4 Spielende | Flaminia Brasini, Virginio Gigli & Simone Luciani | Cranio Creations
Seit dem Mittelalter gibt es nun die Golems. Die durch Magie beschworenen Wesen aus Lehm sind stark wie ein Ochse, aber dumm wie ein Ziegelstein. Das ist doch die optimale Voraussetzung, um sie in den Straßen Prags für uns arbeiten zu lassen. Und schon haben wir die Idee für ein Brettspiel auf Experten-Niveau. Und bitte lasst euch nicht von dem grimmigen Gesicht auf der Schachtel abschrecken. Der will nur spielen.
Das Spiel
Golem ist ein Expertenspiel von Flaminia Brasini, Virginio Gigli und Simone Luciani und bei Cranio Creations erschienen. Es ist für 1-4 Spielende geeignet und kann ab 13 Jahren gespielt werden.
In „Golem“ erschaffen, steuern und zerstören wir über vier Runden unsere hirnlosen Diener, um die meisten Siegpunkte zu erreichen. Diese entstehen vor allem durch die erspielten Menora-Symbolen. Aber auch vor der Wertung haben wir in den Straßen Prags reichlich Möglichkeiten Punkte für die Schlussrechnung zu erspielen.
Die Vorbereitungen für eine Runde „Golem“ sind kleinteilig und brauchen ihre Zeit. Zum einen muss ein großer Spielplan mit Plättchen, den schlanken Holzfiguren für die Studierenden und den etwas untersetzten Meeple für Golems vorbereitet werden. Sofort fällt auf, dass der Spielplan in drei farbige Zonen unterteilt ist: Rot, Blau und Gelb. Und diese Farben finden sich auch im weiteren Verlauf immer wieder. Jede Farbe repräsentiert einen Straßenzug, auf dem Bewegungen von links nach rechts ausgeführt werden. Und jede Straße schenkt den Spielenden Aktionen für die Golems und Belohnungen für die Studierenden. Und im unteren Teil des Spielplans finden wir noch einen Golem-Friedhof. Ganz oben ist noch Platz für zwei Kartenauslagen. Eine für Zauberbücher, die andere für Runden-Endbelohnungen.
Weiter geht’s mit dem eigenen Spieltableau, auf dem kleine Papp-Marker abgelegt werden. Und schon hier kann ich euch sagen, dass in unseren Vorstellungen eines generationentauglichen Spiels „Golem“ eigene Wege geht. Das ist schon alles teilweise sehr klein geraten und auch überfrachtet mit Symbolen. Wer selten Spiele mit einer solch großen Komplexität spielt, wird jetzt wahrscheinlich unsicher nach links und rechts schauen und möglicherweise die eigene Entscheidung hinterfragen „Golem“ mitspielen zu wollen. Wer aber solche Euro-Klopper gewohnt ist, bekommt sicher schon strahlende Augen – und meine Augen strahlen heller als die Sonne.
Neben dem Spielplan und dem eigenen Spieltableau braucht es noch mehr Platz für den Spielaufbau. Stellt die Synagoge mit den Kugeln sowie die Tafel mit der Aktionsauswahl eurer Rabbi-Meeple an den Rand. Wo ihr noch Platz findet, quetscht ihr noch die Ressourcen-Marker für Münzen, Gold, Wissen und Lehm hin. Jetzt ist es auf eurem Spieltisch unglaublich bunt und voll. Kurz Durchschnaufen, denn ihr müsst ja auch noch vor eurer ersten Partie die Regeln kennenlernen.
Diese Zeitspanne kann sich wie Kaugummi ziehen, denn es gibt viele und detailverliebte Regeln zu erklären und zu verstehen. Jede Menge Symbole gilt es zu lernen und allein auf dem eigenen Spieltableau warten 18 (!) unterschiedliche Marker darauf in ihrer Auswirkung auf das Spiel geschnallt zu werden. Dazu kommen die Aktionen in der Kugel-Synagoge, dem Rabbi-Spielplan und der Zauberkartenauslage. Dann hast du auch noch geheime Spielziele auf der Hand. Und außerdem warten auch noch die Aktionen der Golems und die potentiellen Belohnungen der Studierenden in den Straßen Prags darauf in eurem Kopf unterzukommen. Das kostet Zeit – und ehrlich auch Nerven beim Erklären und Zuhören. Die Regelerklärung bei „Golem“ kommt einer Abschlussprüfung gleich. Wenn du aber mal die wichtigsten Symbole verstanden hast, fällt der Groschen!
Die besten Erfahrungen habe ich gemacht, wenn ich den Menschen, die sich auf das „Golem“-Abenteuer mit mir einlassen, anfänglich nur die Phasen im Spielablauf und die Hauptaktionen erkläre. Das sorgt dann schrittweise für Verständnis, was die wichtigsten Symbole bedeuten, was ich machen kann, wenn ich an der Reihe bin und wie ich an Punkte komme. Alles andere liefere ich dann häppchenweise während des Spielens der ersten und zweiten Runde. Und so werde ich es mit euch auch machen.
Jede der vier Spielrunden beginnt mit der Organisationsphase. Dann wird die Kartenauslage angepasst, die Kugeln in die Synagogen gekullert und Aktionsplättchen für die Rabbis bereitgelegt. Diese Phase ist im Spielaufbau schon inbegriffen, weiter geht’s. Jetzt rennen die Golems los – und das beschäftigt uns fast während des ganzen Spiels. Zum Glück können wir ein wenig steuern, welcher Golem in den drei Straßen Prags wie weit rennt. Ihr könnt euch schon mal merken, dass es eigentlich ganz gut ist, wenn ein Golem weit läuft. Das Problem ist nur, dass ihm die Studierenden in vernünftigen Abstand folgen müssen. Je weiter ein Golem von seinem Studierenden entfernt ist, desto mehr müsst ihr später mit den blauen Wissensmarkern bezahlen.
Nun folgt das Kernstück einer Runde, nämlich die Aktionen. Und eigentlich ist es ganz einfach. Abwechselnd sind die Spielenden an der Reihe und entscheiden, ob sie die Aktion mit dem Rabbi machen oder eine Kugel aus der Synagoge nehmen. Der Rabbi belegt einfach ein Einsetzfeld und löst die Aktion aus. Da fällt die Entscheidung manchmal recht leicht, zumal attraktive Felder schon besetzt sein können. Es gilt: Wer zuerst sitz, belegt das Feld. Weil die Felder von oben nach unten angeordnet sind, bestimmt man so auch die Zugreihenfolge der nächsten Runde. Weiter oben beginnt, ganz unten kommt zuletzt.
Wer aber eine Kugel nimmt, hat es da schwerer mit der Entscheidung. Zunächst musst du wissen, dass die weißen, roten, gelben, blauen und schwarzen Kugeln in der Synagoge zufällig in Bahnen rollen. Jede Bahn ist einer Aktion zugeordnet, die wiederum aus einzelnen Schritten besteht. Und außerdem ist die Farbe der Kugel noch von Bedeutung für die Frage, ob die Studierenden den Golems hinterher hecheln können, und ob du einen Bonus am Rundenende aktivieren kannst oder ob du vielleicht eine Sonderwertung auslöst – und letztlich noch, wie stark die Aktion ist, die du auslöst. Du merkst, allein der Griff nach einer simplen Kugel rechtfertigt den Begriff Expertenspiel. Und ihr wisst ja: Bei so etwas strahlen meine Augen.
Die Aktionen in der Kugel-Synagoge konzentrieren sich vor allem auf zwei Aspekte: Ressourcen bekommen und Verbesserungen auf dem eigenen Tableau ermöglichen und Golems arbeiten lassen. Bei den Verbesserungen dreht sich alles um die 18 Plättchen, die du am Anfang auf deinem Spieltableau zurechtgelegt hast. Kannst du sie dir leisten, weil du dir vorher die entsprechenden Ressourcen Wissen, Lehm oder Münzen organisiert hast, darfst du eins der Plättchen aktivieren. Im blauen Bereich deines Spielerboards bekommst du dann einen Bonus, wenn du Zauberkarten kaufst, im gelben schaltest du dir Einkommen frei und der rote Bereich ist sozusagen die Golem-Schaltzentrale. Jede Verbesserung hilft dir, den tumben Koloss ein bisschen effektiver zu steuern.
Alle Bereiche haben übrigens gemeinsam, dass jede Verbesserung Menora-Symbole freisetzt. Eine Menora ist der traditionelle siebenarmige Leuchte in der jüdischen Religion. Zum Spielende wird jeder Bereich einzeln gewertet. Das funktioniert so, dass du die Anzahl der Menora-Symbole mit besonderen Voraussetzungen in den jeweiligen Bereichen multiplizierst. Kurz und gut: Verbesserungen sind teuer, sorgen massiv für Punkte und helfen dir somit zu gewinnen.
Außerdem kannst du über die Kugel-Aktionen auch noch neue Golems erschaffen und deine hirnlosen Assistenten für dich arbeiten lassen. Dann lösen sie auf dem Platz, an dem sie gerade stehen, eine Aktion aus, müssen dann aber ein Päuschen machen und werden erst einmal inaktiv. Erst dann, wenn sie wieder bewegt werden, darf man sie wieder zum Arbeiten schicken. Es gibt übrigens manchmal im Spiel auch gute Gründe dafür einen Golem zu zerstören. Dann kommen sie auf einen Friedhof, können nicht mehr genutzt werden, bringen aber noch einen Bonus. Das können beispielsweise Ressourcen sein, aber auch Siegpunkte oder andere kleine hilfreiche Extras.
Nach der Hauptphase der Aktionen wird die neue Zugreihenfolge für die nächste Runde angepasst und geprüft, ob jemand den Rundenbonus in Anspruch nehmen kann. Entscheidend ist dafür, ob du die farbigen Voraussetzungen durch deine beiden gewählten Kugeln erfüllst. Dann gib es endlich Einkommen! Wichtig ist dabei das Symbol einer geöffneten Hand. Prüfe dafür die aktuelle Position deiner Studierenden auf dem Hauptspielplan und die verschiedenen farbigen Bereiche auf deinem persönlichen Spieltableau, und nimm dir alles, was du dir zu diesem Zeitpunkt an Einkommen freigeschaltet hast. So kommst du an neue Ressourcen und auch schon an ein paar Siegpunkte.
Im Anschluss dürfen alle eine Verbesserung vornehmen, wenn sie sich es leisten können und wollen. Mit den blauen Wissensmarkern sollte man aber umsichtig kalkulieren, denn sie braucht man in der letzten Phase, wenn es darum geht die Golems zu kontrollieren. In jeder Straße wird der Abstand zwischen Studierendem und Golem in Feldern gezählt. Entsprechend muss man Wissen abgeben – ein Marker pro Feld. Wer das nicht leisten kann, muss Strafe bezahlen, und zwar Siegpunkte. Und weil die so hart zu verdienen sind, willst du das auf jeden Fall vermeiden.
Und schon geht es weiter mit der zweiten von insgesamt vier Runden, die wir unsere Golems in den Straßen Prags kontrollieren, Ressourcen sammeln und Verbesserungen so zielgerichtet vornehmen, dass wir ganz am Schluss die Nase vorne haben. Für die Endabrechnung werden alle farbigen Bereiche deines Spielertableaus dann einzeln gewertet. In jedem Bereich werden die Menora-Symbole mit speziellen Anforderungen multipliziert. Außerdem checkst du, welche deiner geheimen Aufträge du erreichen konntest (die du wahrscheinlich in deiner ersten Partie völlig vergessen haben wirst) und darfst noch verbleibende Ressourcen in Siegpunkte umrechnen. Und schon endet eine intensive Spielerfahrung, die am Anfang schon drei Stunden dauern kann.
Fazit
„Golem“ ist ein Expertenspiel durch und durch. Wer gerne tüftelt und optimiert und sich auch durch eine Million Symbole und Regeln nicht abschrecken lässt, kann mit „Golem“ ein wunderbares Spielerlebnis haben. Damit gilt aber: Die Zielgruppe ist klar definiert und generationenübergreifendes Spielen findet an anderen Tischen statt.
Während „Golem“ ist man viel in seinem Kopf unterwegs und grübelt über den eigenen Zug. Dabei kommt es aber auch zu Momenten, wo man im Auge behalten sollte, was die anderen machen. Vor allem die Frage des richtigen Timings bei der eigenen Kugel-Aktion ist ein Mysterium für sich. Welche Farben sind noch da? Wie stark ist die Aktion noch? Kann ich mir das überhaupt sinnvoll leisten? In deinem Kopf geht’s turbulent zu, wenn sich Gedanken selbst jagen. Schon oft habe ich mit ausgestrecktem Arm reglos über der Kugelauslage verharrt, bis ich dann endlich meine Aktion ausgelöst habe. Und dann haben wir aber auch das übliche Problem mit Spielen in diesem Anspruchsniveau. Spielst du es mit Leuten, die alles perfekt machen wollen, mach dich auf Wartezeiten gefasst!
Die wichtigsten Entscheidungen fällst du auf deinem eigenen Spieltableau bei der Frage, welche Verbesserungen du dir wann vornimmst. Und in deiner ersten (Lern-)Partie hast du unmöglich den Überblick, wie was zusammenpasst. Konzentriere dich dann darauf, die Symbole zu verstehen und welcher Bereich deiner Spielauslage wie Punkte bringt. Für dich entfaltet „Golem“ ab der zweiten Partie seinen Reiz. Hier kommen jetzt die Stichwörter ‚steile Lernkurve‘ und ‚eng verzahnt‘, eben solche Begriffe, die Kennerspielaugen straheln lassen. Für mich persönlich zählt „Golem“ gerade deswegen zu den tollsten Eurogames in meiner Sammlung.
Bewertung / Test
+ klar strukturierter Spielablauf
+ starke Lernkurve
– Unmenge an Symbolen
(Eine Rezension von Oli Clemens)
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Die folgende Bewertung erfolgt innerhalb der Kategorie:
“Kenner- und Expertenspiele”
Golem (2022)
Spielidee: Flaminia Brasini, Virginio Gigli und Simone Luciani
Grafik: Roberto Grasso
Verlag: Cranio Creations (Asmodee)
Anzahl der Spielenden: 1-4 Personen
Altersempfehlung Verlag: Ab 13 Jahren
Spieldauer: 2 Stunden aufwärts bei drei oder mehr Personen
Generationentauglichkeit: Zu komplex, zu klein
Pädagogisch wertvoll: