In Echtzeit durch die Katakomben – Sebastian Fitzek: Underground von moses Verlag (Rezension)

Sebastian Fitzek: Underground | Kooperatives Spiel | ab 12 Jahren | 1 bis 4 Spielende | Sebastian Fitzek & Marco Teubner | moses Verlag | pädagogisch wertvoll

Es beginnt zunächst ganz harmlos – der Spieleabend fällt aufgrund großer Hitze aus und durch einer Verkettung von Zufällen finden wir uns inmitten eines Lost Places wieder – vor einem sadistischen Entführer auf der Flucht durch ein Labyrinth aus Ebenen im Berliner Untergrund. Als ob das nicht allein für Klaustrophobie sorgen könnte steigt auch noch der Wasserspiegel stetig an und die Tür zum einzigen Weg nach draußen ist durch einen 5-stelligen Code gesichert – nur gemeinsam kommen wir hier raus …

Spielkarton und Inhalt
Blick auf die Fülle des Spielmaterials – gespielt wird in der Schachtel


Das Spiel

Sebastian Fitzek: Underground
ist ein kooperatives Spiel von Sebastian Fitzek & Marco Teubner und bei moses. Verlag erschienen. Es ist für 1-4 Spielende geeignet und kann ab 12 Jahren gespielt werden.

Schön und durch einen Prolog verstärkt finden wir uns mitten in der Geschichte wieder. Wer es noch authentischer mag, lässt ihn sich von Sebastian Fitzek vorlesen und wird mit den Worten „Viel Glück, ihr werdet es brauchen!“ in die Spielwelt entlassen. Die Spielwelt ist – ähnlich wie der Stand auf der SPIEL 2024 in Essen – imposant und bietet was für Auge. „Tischpräsenz“ würde es im Fachjargon vermutlich genannt.

Die Spielschachtel dient nicht nur der Aufbewahrung, sie gibt auch ein Koordinatensystem für die Spielwelt vor. Darin befinden sich sämtliche Ebenen und ein hoher Turm, der den Ausgang symbolisiert. Neben vorgefertigten Leveln gibt es auch die Möglichkeit, komplett frei und zufällig zu starten. Dabei wird es weniger schwer, wenn die hohen Ebenen direkt am Ausgang liegen. Eine Sanduhr wird zu A1 aufgestellt, ein paar Gegenstände mittels so einfach wie gut funktionierendem Spawnsystem platziert, ebenso unsere Startfigur und auch das erste Wasser bereits – schon kann sie starten – die panische Flucht nach draußen.

Der aufgebaute 3D Spielplan zu Beginn einer Partie
Wir sind bereits ein Stück des Weges gegangen, jedoch fehlen noch die Codeschnipsel, die sich in den Katakomben verteilen.

 

Wir spielen kooperativ – entweder gewinnen oder verlieren wir alle gemeinsam. Reihum sind wir am Zug und führen die denkbar einfachen Schritte aus: Handkarte ausspielen und ein abgebildetes Wegteil platzieren und / oder die Spielfigur bewegen. Die Reihenfolge ist beliebig und auch die Ausführung scheint optional – doch will ich wirklich nichts machen?

Wegteile haben Platzierungsregeln, wonach Holz das einzige frei schwebende Element sein darf, es kann also über Wasser oder auch über Luft gelegt werden. Überdeckt es dabei Elemente, so verschwinden diese für den Rest des Spiels. Die Spielfigur kann nicht durch Wände gehen, nicht durch Wasser laufen, darf Ebene 0 niemals berühren und auch nur 1 Ebene pro Schritt an Höhenunterschied überwinden. Endet ihre Bewegung auf einem Symbol, so wird die Aktion durchgeführt und das Symbol mit einem Gullideckel abgedeckt.

Spielsituation in fortgeschrittener Partie
In der Schachtel zu spielen macht nicht nur bei Kinderspielen Spaß!

 

Die verdeckten Symbole geben weitere Handlungsmöglichkeiten – so kann ich entweder ein Spezialwerkzeug für einmalige Nutzung aufnehmen und es in den Gruppenvorrat bis zur Verwendung aufbewahren oder ich kann ein Ventil schließen und damit auf einem Feld Wasser entfernen, oder ich finde eines der heißbegehrten Codefragmente. Diese passen allerdings nicht immer alle zusammen. Sammeln wir also weiter!

Je nach ausgespielter Handkarte und gewähltem Symbolplättchen wird nun der Zug abgeschlossen, in dem wir eine Handkarte nachziehen – wir halten am Ende unseres Zuges immer 2 auf der Hand – und falls die ausgespielt Karte blau war, wird ein Wasserplättchen entsprechend der Koordinaten der nachgezogenen Karte im Untergrund platziert. Gleiches passiert mit Codesymbolen – es liegen immer 4 verschiedene aus, bis der Vorrat erschöpft ist. So sollten wir langsam aber sicher dem Ausgang entgegenstreben.

Soweit so lustig, doch nun kommt die tickende Uhr und die Verfolgung durch den Entführer ins Spiel … die Sanduhr, die immer noch an Position 1 stand, läuft ununterbrochen. Ist sie durchgelaufen, wird sie neben Feld 2 gestellt usw. so wandert sie einmal um knapp 2/3 der Schachtel und beendet das Spiel, falls wir bis dahin nicht entkommen sind. Das das kein gutes Ende ist, brauche ich hoffentlich nicht zu erwähnen. Falls wir die Sanduhr vergessen umzudrehen, werden wir sofort mit 2 Wasserplättchen bestraft, ebenfalls, wenn wir die Sichtachse des Entführers kreuzen.

Szenariokarten und eine Übersichtskarte für die Spielzüge
Exemplarisch der Levelaufbau für Level 1

 

Dabei beginnt alles so schön ruhig wie Level 1, wo das Element der Sanduhr für’s erste Spiel noch nicht empfohlen wird. Da offenbart sich bereits, welches Kaliber uns hier erwartet. Denn allein das Puzzlen der Wegteile ist gar nicht so ohne und wie ärgerlich ist es – auch ganz ohne Echtzeitstress – wenn wir 2 Felder vor dem nächsten Symbol mit ansehen müssen, wie es davon gespült wird. Für Stimmung ist auf jeden Fall gesorgt. Den Prolog von Sebastian Fitzek anzuschauen ist beinahe Pflicht, weil die Stimmung gut aufgebaut wird. Einen Soundtrack parallel laufen zu lassen, setzt dem Ganzen noch die Krone auf.

Das Spielmaterial ist hochwertig, die Ebenen sind äußerst stabile Schachteln. Die Wegplättchen sind aus derart dicker Pappe, wie sie in Brettspielen selten bis nie anzutreffen sind – das hält sicher eine Weile. Auch das begleitende Spielmaterial, die Spielhilfe etc. wirken gut durchdacht. In Ruhe sieht das auch alles noch ganz gut aus. In Echtzeit – also spätestens ab Partie 2 wird dann ein aus meiner Sicht kleines Manko offensichtlich: da die Ebenen und Wegplättchen einen Rand von 5mm zur Schachtel lassen, verrutscht alles ziemlich schnell, gerade wenn eher hektisch mal was hingelegt wird, was im Eifer des Gefechts schnell passiert. Es ist zwar dabei bisher nie spielentscheidend verrückt worden, jedoch ärgert es ein wenig, weil die Qualität Anderes vermuten lässt. Ein quadratischer Rahmen aus einem 3D-Drucker könnte hier Abhilfe schaffen und die Teile gegen ein Verrutschen sichern, ein Papprahmen sicher auch.

Situation um Ende einer Partie
Den rettenden Ausgang gerade noch rechtzeitig erreicht, das Wasser breitete sich schon gar beeindruckend aus.

 

Fazit
Bei Echtzeitspielen und noch dazu einem Thema wie in „Sebastian Fitzek: Underground“ kann das generationenübergreifende Spiel nicht beabsichtigt gewesen sein. Das ist überhaupt nicht schlimm, denn gerade das stimmungsvolle Beisammensein ist es, was hier den Reiz ausmacht. Wir entscheiden als Team und versuchen am Ende auf dem Ausgang oben drauf zu stehen – die Sichtachse des Entführers kreuzen wir dabei, das bleibt nicht aus. Spannend wird es gleich aus mehreren Perspektiven – der Wasserspiegel steigt, die Sanduhr kommt uns immer näher und warum passen von unseren 5 Codeschnipseln 2 nicht zum Rest? Ein weiteres Wort aus dem Geschichtenerzählen und dem Spielen gleichermaßen ist hier sehr passend: „Immersion“. Das Eintauchen in die Spielwelt gelingt hier ohne Probleme.

Ich bin überhaupt kein Freund von reinen Echtzeitspielen und brauche immer wieder etwas Überwindung, mich darauf einzulassen. Während es in Spielen wie „Druckfrisch“ oder „Galaxy Trucker“ nur ein Teil des Spiels ausmacht ist es hier quasi von der ersten bis zur letzten Sekunde Echtzeit. Stress ist in meinen Augen kein guter Berater und so läuft es hier zwangsläufig darauf hinaus, nicht immer die optimale Entscheidung zu treffen. Es bedarf dann wieder einer gewissen Flexibilität um mit der neuen Situation den Weg nach draußen zu finden.

So gesehen trainiert eine Partie schon, ob es schöner mit oder ohne den Echtzeitpart der Sanduhr ist, findet am besten jeder für sich selbst heraus – am besten auf dem erfolgreichen Weg nach draußen. Eines ist dabei garantiert – die Immersion verbunden mit dem tollen Spielgefühl in der Welt einer der Berliner Lost Places – dem Untergrund. Danke an Sebastian Fitzek, Marco Teubner und dem moses Verlag für die gute Unterhaltung!

 

Bewertung / Test
+ Modularer Spielaufbau, keine freie Partie gleicht der anderen
+ Atmosphärisch sehr wirksam
+ Qualitativ hochwertiges Material
+ Recht einfache Spielregeln trotz einiger Spielelemente (Bewegungs- und Platzierungsregeln, Gegenstände)
+/- Echtzeitkomponente durch eine Sanduhr, die alle im Auge behalten müssen
– Sehr anfällig für fehlende Feinmotorik

 

(Eine Rezension von Tobias Mallock)

Tobias

 

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Sebastian Fitzek: Underground (2024)

Spielidee: Sebastian Fitzek & Marco Teubner
Grafik: Andrea Köhrsen, Jörn Stollmann
Verlag: moses. Verlag
Anzahl der Spielenden: 1 – 4 Personen
Altersempfehlung Verlag: Ab 12 Jahren
Eigene Altersempfehlung: Ab 10 Jahren
Spieldauer: 45 Minuten

Generationentauglichkeit: Zu anfällig fürs Verrutschen und zu hektisch durch Echtzeit – fürs generationenübergreifende Spiel eher ungeeignet.
Pädagogisch wertvoll: Flexibel auf neue Situationen reagieren, gemeinsam planen und im Team erfolgreich zu sein, sind immer eine wertvolle Lektionen.