Harmonies | Familienspiel | ab 10 Jahren | 1 bis 4 Spielende | Johan Benvenuto | Libellud | eingeschränkt generationentauglich
Wenn man dem Gesangsduo Paul McCartney und Stevie Wonder glauben mag, dann liegen die Tasten eines Klaviers trotz der farblichen Gegensätze in Harmonie nebeneinander. Würde doch der Mensch diese Blaupause des Zusammenlebens nur stärker beherzigen! Aber was im realen Leben nicht klappt, finden wir ja vielleicht im Brettspiel. Bei „Harmonies“ kümmern wir uns nämlich um den Einklang von Landschaften und Tieren.
Das Spiel
Harmonies ist ein Familienspiel von Johan Benvenuto und bei Libellud erschienen. Es ist für 1-4 Spielende geeignet und kann ab 10 Jahren gespielt werden.
Ästhetisch, beruhigend, wohlgeordnet – auf diese 3 Worte trifft man, wenn man nach dem Begriff Harmonie googelt. Ich gehe in den Praxis-Check, ob das Brettspiel „Harmonies“ diesem dreifachen Anspruch gerecht werden kann. Eigentlich erwarte ich ja weniger eine Zen-Meditation als vielmehr einen Wettkampf um die meisten Punkte in etwa einer halben Stunde.
Ob dein fertiges Spiel am Ende wohlgeordnet sein wird, liegt maßgeblich an dir und deinem Talent beim Puzzeln. Deine wichtigste Aufgabe besteht nämlich darin, aus bunten, hölzernen Scheiben vor dir Landschaften aus Flüssen, Bergen und Bäumen entstehen zu lassen. Vielleicht schaffst du es ja auch, verträumt liegende Felder in deinem Arrangement einzubauen oder das ein oder andere Gebäude zu erschaffen. Alles unterliegt strengen Vorgaben, wie es zueinander angeordnet sein muss. Glaub mir, es ist gar nicht schlecht, wenn du über ein gutes räumliches Denken verfügst, denn auf der Auslage, die zwar nur aus 23 Feldern besteht, kannst du unglaublich viel planen und strukturieren.
Deswegen ist deine Übersichtskarte in der ersten Partie sehr wertvoll. Sie zeigt dir detailliert und nachvollziehbar, wie gewertet wird. Ähnlich wie bei „Cascadia“, dem Spiel des Jahres 2022, bekommt ihr einen Teil eurer Punkte für euer fertiges Landschafts-Arrangement am Ende des Spiels. Ab der zweiten Partie weiß man dann auch schon ganz gut, wofür es Punkte geben wird, ab der dritten Partie ist diese Karte Vergangenheit.
Flüsse schlängeln sich durch eure Auslage und je länger sie werden, desto mehr Punkte werfen sie ab. Bäume wachsen in die Höhe, doch oben muss natürlich eine Krone sitzen. Hochalpin oder müdes Mittelgebirge – die Höhe entscheidet auch bei den Bergen, doch sie müssen noch zusätzlich miteinander verbunden sein. Häuser lieben die Vielfalt um sie herum, und nur ein doppeltes Feld ist ein ertragreiches Feld.
Stehen die verschiedenen Landschaften passend zueinander, locken sie für euch Tiere an. Das geht aber nicht automatisch. Vorher muss man sich aus einer offenen Auslage Karten organisieren. Auf ihnen ist nicht nur eine herzerwärmende Illustration abgebildet, sondern auch, wie eure Landschaften zueinander angeordnet sein müssen. Mit kleinen Steinchen markiert ihr, wie oft ihr ein Tier maximal unterbringen könnt und auch, wie viele Punkte ihr letztlich damit erreichen werdet. Egal ob knuffeliger Frosch, Wonneproppen-Biber oder den Wüstenfuchs – alle haben andere Ansprüche an eure Puzzle-Auslage.
Der Spielablauf wirkt durchaus beruhigend auf mich, denn ich darf alleine und ungestört in meiner persönlichen Auslage fast meditativ vor mich hin puzzeln. Konkurrenzkämpfe mit den anderen gibt es allerdings bei der Frage, welche Scheiben ich aus der offenenen Auslage in der Mitte nehmen darf und welche Tierkarten bei mir landen. Die Scheiben werden zufällig aus einem Beutel gezogen und manchmal ist der Markt eben knapp, auch wenn ich noch so dringend blaue Scheiben für meinen Biber oder den Frosch brauche. Weg ist weg – der Zufall regelt, was neu aus dem Sack kommt. Und auch bei den Tierkarten bin ich vielleicht einfach nicht an der Reihe, wenn genau das süße Tierchen auftaucht, das ich super gut gebrauchen könte.
Und dennoch: „Harmonies“ spielt sich ohne Ellenbogen – es ist immer genug für alle da.
Gespielt wird solange, bis entweder die Scheiben im Beutel leer sind oder ein Platzproblem auf den Puzzle-Auslagen auftaucht. Mit einem Wertungsblock rechnet ihr dann ab, wie erfolgreich ihr gewesen seid. Zuerst geht es um die Landschaften, danach um die Punkte durch die Tiere. Lasst euch gerne von den anderen helfen bei eurer ersten Partie, denn das analytische Auge beim Abrechnen stellt sich erst langsam ein. Immerhin ist eine abstrakte, bunte 3D-Landschaft vor euch entstanden, die erst einmal genau gescannt und ausgewertet werden möchte.
Bleibt noch ästhetisch als Kriterium. Die optische Schönheit des Spiels mit seinem einladenden Farben und den wunderschönen Illustrationen haut mich einfach um! Die Landschaft vor mir ist natürlich abstrakt, doch vor meinem geistigen Auge sehe ich die Bäume, Gebirge und Flüsse wie auf einer Wanderkarte. Die verspielten Illustrationen der Tierkarten treffen genau meinen Geschmack und machen „Harmonies“ für mich zu einem Augenschmaus. In diesem Spielsetting möchte ich verweilen.
Dazu bietet „Harmonies“ noch einen Solo-Modus, wenn du lieber ganz alleine für dich puzzelst. Zusätzliche Abwechslung kannst du dir zudem noch verschaffen, wenn du deinen Spielplan umdrehst und ein anderes Lege-Arrangement vorfindest oder die Mini-Erweiterung der Naturgeister einbaust. Sie funktioniert ähnlich der Tierkarten und sorgen für eine persönliche knifflige Zusatzaufgabe in Richtung der Endwertung.
„Harmonies“ läuft komplett sprachneutral und doch eignet es sich für das generationenübergreifende Spielen nur bedingt. Du musst schon auf eine gute Fingerfertigkeit zurückgreifen können, insbesondere wenn es um die kleinen Steinchen geht, mit denen du die Tiere auf deiner Puzzle-Auslage markierst. Wenn das aber klappt, steht einer Partie nichts im Weg! Entsprechend sehe ich auch die Altersvorgabe von 10 Jahren gar nichts als so bindend an. Warum sollte ein Kind von 8 nicht schon Spaß am räumlichen Denken und Puzzeln haben?
Fazit
Mechanisch zwischen „Cascadia“ beim Legen und „Azul“ beim Ziehen der Steine, optisch auf einer Wellenlinie mit „Everdell“ – das ist ‚Harmonies‘ für mich! Schnelle Entscheidungen von Bedeutung mit tollem Material machen das Familienspiel zu einem Kurzurlaub am Brettspieltisch. Durch ein wendbares Spieltableau und optionale Naturgeister kann man noch mehr Abwechslung zaubern. Klappt der Pinzettengriff noch, hast du auch ein tolles Spiel für das generationenübergreifende Spielen.
Bewertung / Test
+ Wohlfühlspiel
+ sprachneutral
– Steinchen sehr klein
(Eine Rezension von Oli Clemens)
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Harmonies (2024)
Spielidee: Johan Benvenuto
Grafik: Maëva da Silva
Verlag: Libellud (Vertrieb Asmodee)
Anzahl der Spielenden: 1-4 Personen
Altersempfehlung Verlag: Ab 10 Jahren
Spieldauer: 30 Minuten
Generationentauglichkeit: Schwierig, wenn der Pinzettengriff nicht mehr klappt. Wertungen auf den Tierkarten könnten einen Ticken größer sein.