Ein Spiel um Macht, Geld und Einfluss – Gray Eminence von Dragon Dawn Productions (Kickstarter-Vorschau)

Gray Eminence – Kennerspiel – ab 12 Jahren – 3 bis 5 SpielerInnen – Dragon Dawn Productions

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Achtung! Alle Bilder stammen von einer Vorschau-Version des Spiels! Aussehen und Inhalt können sich bis zum fertigen Produkt noch ändern!

Politik ist ein Thema, dass zwar im Alltag omnipräsent, in Brettspielen aber eher selten vertreten ist. Der finnische Verlag Dragon Dawn Productions wirbt ab 2. Februar 2020 auf Kickstarter um Unterstützung für Gray Eminence. Ich durfte mich mit der englischsprachigen Vorschau-Version dieses ungewöhnlichen Spiels über „Intrigen, Politik, Bluffen und (fragwürdige) Moral“ beschäftigen und verrate euch, was ihr erwarten könnt.

Das Spiel:

Im Kern dreht sich dieses Spiel um globale Ereignisse, deren Ausgang die SpielerInnen mittels Macht, Geld und Einfluss zu ihren Gunsten manipulieren. Jede Spielerin/jeder Spieler repräsentiert dabei eine von fünf undurchsichtigen Persönlichkeiten, die mit Hilfe verschiedener Fraktionen ihre individuellen, zwielichtigen Ziele verfolgen und so die meisten Siegpunkte ergattern wollen. Dabei bemüht sich Gray Eminence gar nicht erst um politische Korrektheit oder historische Originaltreue, sondern möchte mit einem Augenzwinkern Diskussionen über unser Weltgeschehen anregen.

Der Aufbau des Spiels gestaltet sich recht einfach und ist auf der Rückseite jedes Spielertableaus aufgedruckt. Jede Spielerin/jeder Spieler erhält zu Beginn willkürlich eine von fünf einflussreichen Persönlichkeiten, deren etwaige Ähnlichkeit mit lebenden Personen natürlich rein zufällig ist. Diese Persönlichkeiten geben Auskunft darüber, welche Ressourcen man zu Beginn des Spiels erhält und welche drei persönlichen Ziele man verfolgt. Außerdem erhält jede Spielerin/jeder Spieler zwei geheime Siegkarten.

Alle neun Phasen der bis zu neun Spielrunden sind auf jedem Spielertableau detailliert aufgelistet, so dass sich der Blick in das übersichtliche Regelbuch erübrigt. Daher spare ich mir auch eine detaillierte Schritt-für-Schritt Anleitung und werden nur auf die wichtigsten Aspekte der Spielmechanik eingehen.

Zu Beginn jeder Runde wird ein globales Ereignis aufgedeckt. Diese Ereignisse stellen politische Krisen dar, die es in der Regel auf eine von drei Arten zu bewältigen gilt: Finanziell (Geld), gewaltsam (Macht) oder diplomatisch (Einfluss).

Ein Beispiel gefällig? Der Frieden in der Ukraine kann mit gefälschten Wahlen (Geld), Waffenlieferungen (Macht) oder Sanktionen gegen Russland (Einfluss) herbeigeführt werden. Jede dieser – politisch nicht immer ganz korrekten – Lösungen erfordert eine gewisse Anzahl von Ressourcen, die durch verschiedenfarbige Holzwürfel repräsentiert werden.

Jede Spielerin/jeder Spieler bietet nun verdeckt (in der geschlossenen Hand) eine beliebige Anzahl und Kombination ihrer/seiner Ressourcen. Welche Ressourcen man bietet, hängt maßgeblich davon ab, welche Ziele man erfüllen möchte. Die Gebote werden gleichzeitig enthüllt und bestimmen die Spielerreihenfolge für diese Runde. Die gebotenen Ressourcen werden gesammelt in den Bietpool des zentralen Tableaus gelegt.

Die nächsten Phasen des Spiels bestehen nun im Grunde genommen darin, die Ressourcen im Bietpool und das Machtgefüge der Beziehungstabelle zu manipulieren. Dies geschieht über zufällig gezogene Tweet-Karten (die erschreckend realitätsnahe Äußerungen des US-Präsidenten zum aktuellen Weltgeschehen beinhalten),  Aktionskarten (von denen jede Spielerin/jeder Spieler bis zur vier verdeckt ausspielt) und Fraktionskarten (die man nach Gebrauch zu Beginn einer Runde durch die Abgabe von Ressourcen auffrischen kann).

Dann wird das aktuelle Ereignis aufgelöst. Die Ressourcen im Bietpool bestimmen, auf welche Art das Ereignis gelöst werden kann. Gibt es mehr als eine mögliche Lösung, wird abgestimmt. Erzielt man auf diese Weise keine Einigung, bestimmt der Startspieler die Lösung. Die zur gewählten Lösung benötigten Ressourcen kommen in den allgemeinen Vorrat zurück. Der Rest verbleibt im Bietpool. Das Ereignis wird rechts vom zentralen Machtkampf-Tableau platziert. Die gewählte Lösung wird für spätere Auswertungszwecke markiert.

Finden sich für keine der Lösungen genügend Ressourcen im Bietpool, gilt das Ereignis als ungelöst und wandert an den linken Rand des Machtkampf-Tableaus.

In jedem Fall sind die Auswirkungen der gewählten Option abzuhandeln, was sich meistens auf die Ressourcen der SpielerInnen und/oder des Bietpools oder die Beziehungstabelle auswirkt.

In der neunten und finalen Phase einer Runde kann jede Spielerin/jeder Spieler eines ihrer/seiner Ziele erfüllen und dadurch Siegpunkte generieren. Ein mögliches Ziel wäre es beispielsweise, die Machtverhältnisse der Beziehungstabelle auf eine bestimmte Art beeinflusst zu haben. Oder eine bestimmte Reihe diplomatisch gelöster Ereignisse. Oder die Menge der gesammelten Ressourcen. Und so weiter und so fort. Jedes der drei persönlichen Ziele kann nur einmal erfüllt werden. Eine erfüllte Siegkarte wandert auf den Ablagestapel und wird durch eine neue ersetzt. Und schon beginnt die nächste Runde.

Fazit:

Die einhellige Meinung unserer Spielerunde war, mit Gray Eminence ein sehr einzigartiges Spiel erlebt zu haben. Dragon Dawn Productions hat das trockene Thema Politik in ein kurzweiliges Machtgerangel verpackt. Man muss sich nicht unbedingt für das politische Weltgeschehen interessieren, um mit Gray Eminence Spaß zu haben. Aber es hilft natürlich ungemein, denn gerade durch den Realitätsbezug der ironischen Kartentexte bezieht das Spiel seinen Charme. In Folge dessen richtet es sich natürlich vornehmlich an erwachsene und politisch interessierte SpielerInnen. Die Spielmechaniken selbst sind dagegen schnell verinnerlicht und dürften auch unerfahrenere SpielerInnen selten überfordern.

Ein Spiel, dessen Reiz hauptsächlich dem Thema geschuldet ist, läuft natürlich Gefahr, sehr endlichen Spielspaß zu bieten. Irgendwann hat man jedes Ereignis gelöst und jeden Tweet gelesen. Aber gerade hier bieten sich für Gray Eminence unzählige Erweiterungsmöglichkeiten. Die Vorschau-Version beinhaltet bereits zwei Szenarien, die bestimmen, welche Karten (Ereignisse, Tweets, Ziele etc.) ins Spiel kommen oder ob es ein globales Ziel gibt, das alle SpielerInnen gemeinsam verfolgen müssen. So könnte das politische Weltgeschehen immer wieder zu einem neuen, thematischen Szenario verarbeitet werden.

Es müssen nicht immer Miniaturen, Premium-Ausstattung und Bombast-Grafik sein. Manchmal reicht eine simple, originelle Idee. Brettspiel-Enthusiasten, die auf der Suche nach einem außergewöhnlichen Thema mit solider Spielmechanik sind und sich von dem  eher zweckmäßigen Äußeren nicht abschrecken lassen, sollten bei Gray Eminence einen Blick riskieren.

Einschätzung:
+ sehr originelles Thema
+ solide Spielmechanik
+ Potential für Erweiterungen
– sehr schlichte Grafik
– Wiederspielbarkeit begrenzt

 

(Eine Preview von Marco Dirscherl)

Wichtige Informationen zu unseren Rezensionen (KLICK)

 

Da es sich um eine Vorschau-Version handelt, wird dieses Spiel nicht abschließend bewertet.