Von Engeln und Dämonen – EOS: Island of Angels von King Racoon Games & Grey Fox Games (Rezension)

EOS: Island of Angels | Expertenspiel | ab 12 Jahren | 2 bis 5 Spielende | Till Bröstl, Felix Mertikat | King Racoon Games & Grey Fox Games

Die abenteuerlichen Reisen auf den Weltmeeren haben schon immer für spannende Stunden gesorgt. Diesmal kämpfen wir gegen Dämonenfürsten und haben zuvor versteinerte Engel erweckt. Mit ihnen Seite an Seite sollte die Welt zu einem besseren Ort werden können. Was für dich wie eine Metapher klingen mag ist in „EOS: Island of Angels“ Brettspielrealität geworden. Ob sich dieses gewaltige Unterfangen mit Freude und Spaß spielt? Lies weiter, ich habe mich ins Getümmel gestürzt.

Übersicht über Spielmaterial im Spielaufbau für 2 Personen - es wird eng am Tisch.
Bunt und viel – so lässt sich das Material on EOS mit zwei Adjektiven treffend beschreiben. Es wird eng am Tisch!


Das Spiel

EOS: Island of Angels
ist ein Expertenspiel von Till Bröstl und Felix Mertikat und bei King Racoon Games & Grey Fox Games erschienen. Es ist für 2-5 Spielende geeignet und kann ab 12 Jahren gespielt werden.

Die Spielschachtel ist groß und randvoll. Nimmt man die Nationenerweiterung und das Deluxe-Material mit hinzu so quillt die Schachtel beinahe über. Was so viel hochwertiges Material enthält, erschlägt anfangs schon etwas. Der Aufbau einer Partie dauert mit allen Vorbereitungen gut 10 min und unter Umständen auch länger. Einmal am Tisch Platz genommen und die Grundregeln verstanden, kann die Rettung der Engel und der Welt dann auch schon beginnen. Und das geht erstaunlich flüssig.

Jede der 2 – 5 Personen übernimmt die Kontrolle über eine Fraktion. Diese tragen nicht nur verschiedene Namen und sehen verschieden aus, sie sind unterschiedlich in der Spielweise. Dabei ist die Grundspielmechanik stets diesselbe, jedoch wirken sich die Belohnungen und Effekte hier unterschiedlich aus.

Darstellung des Spielertableaus.
Das Spielertableau der Gilde der Seefahrer. Hübsch anzuschauen und für jede der teilnehmenden Fraktionen höchst verschieden.

In meinem Spielzug wähle ich also stets zwischen einer Arbeiteraktion – wo ich eine meiner Arbeiterfiguren auf den Helden meines Schiffes, im Spielverlauf hinzugewonnenen Engeln oder Gefährten wähle, oder einer Auffrischungsaktion – bei der ich sämtliche Arbeiter zurücknehme und sogar noch Boni erhalte, je mehr ich einsetze, desto größer fällt der Bonus aus. Wähle ich im Rahmen meiner Arbeiteraktion eine Chronikaktion, die entweder das Vollbringen einer Heldentat, das Erwecken eines Engels oder das Bekämpfen eines Dämonenfürstes beinhaltet, so decke ich einen weiteren Schritt auf der Chronikleiste zu und handle die dort beschriebenen Effekte ab. Wenn der letzte freie Platz auf der Chronikleiste belegt ist, wird das Ende einer Partie eingeleitet und nach eine finalen Punktewertung endet die Rettung der Welt. Es gewinnt, wer die meisten Ruhmespunkte gesammelt hat.

Als Bogen wird die Chronikleiste angelegt, sie notiert den Spielfortschritt.
Die Chronikleiste – ist sie voll, ist die Welt im Spiel ein besserer Ort geworden.

Wenn du Spiele dieser Art kennst, wird dir auffallen – hier gibt es keine feste Rundenzahl, sondern der Spielverlauf ist von Partie zu Partie verschieden schnell. Das liegt zum einen am erwähnten variablen Aufbau und zum anderen an der Asymmetrie der Fraktionen und natürlich der individuellen Spielweise einer jeden einzelnen Person. Jede Person spielt also in ihrem eigenen Tempo. Das wird in der Spielanleitung auch explizit angesprochen und wirkt zunächst etwas befremdlich in einem kompetitivem Spiel. Im Verlauf der Partie wird das jedoch sehr deutlich, denn obwohl wir unterschiedlich „schnell“ spielen, liegen wir bei Spielende mit den Punkten gar nicht so weit auseinander.

Nahaufnahme einer Schiffskarte
Hier verrutscht schnell mal was … die eigene Liquidität wird durch Ringe erfasst. Darüber 3 der 4 Arbeiter der Gilde der Seefahrer, das 1. Feld ist bereits freigeräumt.

Aufgrund der Fülle an Möglichkeiten, die die Aktionen bieten, lasse ich die weitere Spielmechanik hier außen vor und konzentriere mich auf das Spielgefühl bei „EOS: Island of Angels“ und das ist durchweg belohnend. Ich bekomme immer etwas. Manchmal will ich das gar nicht unbedingt – denn die Dämonen, die mich auf meiner Fahrt über die Meere begleiten erhalte ich genauso dazu wie zum z. B. Stärke, Geld oder Abenteuerkarten. Das macht ziemlich viel Freude und sorgt selten für Frust. Die Entscheidung zu Beginn meines Zuges ist also stets ein Abwägen, was brauche ich momentan am ehesten und wo bekomme ich es her. Habe ich dann noch meine Helden oder mein Schiff aufgewertet, so verknüpfe und verstärke ich meine Aktionen spürbar. Scythe und Revive als „Schwergewichte“ lassen grüßen.

Auch wenn wir kompetitiv spielen, so sind wir nie direkt im Duell gegeneinander. Auch wenn es Fraktionen gibt, die schon ein paar Steine in den Weg werfen können, so entsteht der kompetitive Charakter im Wettlauf um die begehrten Engel und die Ruhmespunkte durch Chronikaktionen. Auch wenn ich vielleicht bei einem Wettlauf mal an Position zwei oder später das Ziel erreiche und leer ausgehe, so fängt das durchweg belohnende Spiel dieses Gefühl wieder ganz gut auf. Es gibt ebenso gewisse Limitationen um einem „Hamstern“ entgegenzuwirken.

Detail der zentralen Insel des Spielplanes
Der zentrale See bietet noch eine Heldentat. Um das zentrale Eiland stehen noch versteinerte Engel – hier in der Deluxe-Version durch Holzfiguren dargestellt. Die Standard-Version bietet hier ebenso hübsche Papp-Standfiguren.

Das Thema ist schön umgesetzt und trotzdem gibt es hier und da ein paar Punkte, bei denen manche Aktionen weniger bedeutsam wiegen. Die Moral anzuheben erlaubt es uns in der Regel einen Soforteffekt auszuführen – selten profitiere ich jedoch dauerhaft von einer hohen Moral, das klingt zwar thematisch nachvollziehbar, lässt jedoch das Anheben einer Moral oft in die zweite Reihe der Begehrlichkeiten rutschen, auch wenn diese Anhebungen in der Endwertung noch je 1 Punkt einbringen. Im Spiel bin ich jedoch bei meinen Helden auf dem Schiff und weiche den Gefahren der See aus und das fühlt sich sehr gut und stimmig an. Im Test fiel bislang nicht auf, dass alle Personen nacheinander immer die gleichen Aktionen wählen – hier sind ein paar mehr Partien notwendig um darüber Auskunft zu geben.

Die gesamte Ikonographe in einem Din A5 Faltblatt.
Nötig und oft auch hilfreich – die Spielhilfe und Kurzerklärung der Ikonographie

„EOS: Island of Angels“ bietet in seinem Umfang enorm viel. Das ist sowohl auf die Qualität als auch auf die Quantität des Materials bezogen und setzt sich beim Regelwerk fort. Ohne wirklich kompliziert zu sein, erfordert es Ausdauer um den Überblick über die vielen Aktionsmöglichkeiten und Symbole im Kopf zu behalten. Auch wenn eine sehr gute Ikonographie nebst Spielerhilfe diesen Aspekt des Spiels untersützt so wird schnell klar: Es ist kein Spiel für Jung und Alt. Das Thema und vorallem seine Gestaltung würde sicher noch gut funktionieren. Die physische Kleinteiligkeit des Spiels, der viele Text und die vielen Möglichkeiten, die mitunter wenig, bis keine Berührungspunkte haben und dennoch Punkte bis zum Spielende wert sein können, lassen es hier deutlich werden: „EOS: Island of Angels“ ist nicht als Generationenspiel geeignet und ganz sicher auch nicht beabsichtigt gewesen.

Detail eines Dämonenfürstes.
Einer der vielen Dämonenfürsten im Spiel – mitsamt eines gar ärgerlichern Fluches. Für Varianz ist gesorgt: 6 zufällig gezogene können dem Spiel beitreten, die Auswahl ist weit größer.

 

Fazit
Anfangs habe ich mich sehr mit der Anleitung und der Spielerklärung gequält, ich fand sie erst zu allgemein, dann zu sehr auf „später vertröstend“ um sie dann im Laufe einer ausführlichen Lernpartie als Nachschlagewerk sehr zu schätzen zu lernen. Denn einmal auf die wesentlichen Spielmechaniken reduziert fühlt sich „EOS: Island of Angels“ wie eine gelungene Mischung aus Spielen wie Scythe, Revive und Pick-up-and-Deliver-Spielen an. Dazu kommt ein eher unverfängliches Thema, was vom Spielgefühl zwischen dem düsteren Cthulhu und dem farbenfrohen Disney einzuordnen ist. Auch wenn ein Fluch alle Mitspielenden bremst und die Tentakel nur so um sich greifen, stets schwingt eine Prise Arielle die Meerjungfrau mit und die Figur des Dämonenfürsten erinnert dann irgendwie an Sebastian, die Krabbe.

Aufgrund des Umfangs von Spielmaterial und Regelwerk eignet sich „EOS: Island of Angels“ nicht für generationenübergreifendes Spielen. Im Spielecafé der Generationen sollte es dennoch nicht fehlen, denn einmal in die Spielwelt eingetaucht ist es verhältnismäßig zügig gespielt. Es bietet aufgrund der großen Varianz im Aufbau, sowie den mitgelieferten Spielvarianten einen großen Wiederspielreiz. Das Deluxe-Material ist zwar eine schöne Ergänzung des ohnehin schon imposanten Spiels, ist jedoch nicht erforderlich um mit Freude über die Meere zu segeln.

Bei der Rezension zu „EOS: Island of Angels“ habe ich wieder eine Menge über mich und Brettspiele dazugelernt. Zum einen lohnt es sich immer am Ball zu bleiben und einer Sache, wenn sie sich nach Spaß anfühlt eine weitere Chance zu geben. Zum anderen und das ist im Hinblick auf die Spielanleitung bedeutsam: Ein Perspektivwechsel schadet nie. Eine Spielanleitung, die sich aufgrund ihrer Struktur hervorragend zum Nachschlagen eignet ist gerade bei Spielen mit vielen kleinen Aktionen ein wahrer Segen! Vielen Dank dafür!

 

Bewertung / Test
+ Tolle Gestaltung sämtlicher Spielmaterialien, egal ob Deluxe oder Standard
+ Unverfängliches Thema irgendwo zwischen Disney und Cthulhu
+ Asymmetrie der Fraktionen und zusätzlich hohe Varianz im Spielaufbau
+/- Sehr ausführliche und anfangs abschreckende Spielanleitung, die im Verlauf zum wertvollen Nachschlagewerk wird
– Teilweise Elemente, die sich bedeutungslos anfühlen

 

(Eine Rezension von Tobias Mallock)

Tobias

 

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EOS: Island of Angels (2023)

Spielidee: Till Bröstl, Felix Mertikat
Grafik: Felix Mertikat, Maxine Metzger, Sandra Süsser
Verlag: King Racoon Games & Grey Fox Games
Anzahl der Spielenden: 2-5 Personen
Altersempfehlung Verlag: Ab 12 Jahren
Spieldauer: 90 – 120 Minuten

Generationentauglichkeit: Nein, viel Text und Kleinteiligkeit. Nicht gewollte und nicht erfüllte Generationentauglichkeit.