Und Sie bewegt sich doch! – Galileo Galilei von Frosted Games (Rezension)

Galileo Galilei | Kennerspiel | ab 12 Jahren | 1 bis 4 Spielende | Tomáš Holek | Frosted Games | pädagogisch wertvoll

Es ist als das dunkle Zeitalter bekannt und umfasst mehr als ein Jahrtausend der Menschheitssgeschichte – das Mittelalter! Die Kirche war eine Institution und wissenschaftlicher Fortschritt wurde nicht selten als Gotteslästerung interpretiert. Es schloss sich das Zeitalter der Renaissance an, die Wiedergeburt der Antike – und so ist es nicht verwunderlich, das eben die Mathematik der Antike Galileo Galilei diente, um seine Forschungen über Himmelskörper und Konstellationen zu verwirklichen. Was wohl die Kirche dazu meinte? Klingt nach trockenem Geschichtsunterricht? Weit gefehlt! Ich habe das Spiel aus der Feder von Tomáš Holek mehrfach gespielt und stelle es dir kurz vor … lies weiter!

Das Spiel
Galileo Galilei
ist ein Kennerspiel von Tomáš Holek und bei Frosted Games erschienen. Es ist für 1-4 Spielende geeignet und kann ab 12 Jahren gespielt werden.

Bereits die Gestaltung der Schachtel lässt keinen Zweifel aufkommen – hier geht es um Geschichte! Der Inhalt fällt in den vielen Tütchen etwas durcheinander und begeistert durch viel buntes Material. Allen voran die bunten Würfel – die ganz anders als herkömmliche Würfel keine Punkte sondern arabische Zahlen tragen und zudem nur fürs Zählen im Spiel geeignet sind, da ihre Zahlen anders angeordnet sind.

Schon der Spielaufbau ist besonders: Jede der 1 – 4 Personen erhält ein eigenes Teleskop und platziert darauf 6 Aktionsplättchen, die zu einem Kreisbogen von 90° den Himmel darstellen, denen wir im Laufe des Spiels immer wieder beobachten. Zusätzlich wählt jede Person einen der 4 Charaktere – fürs 1. Spiel wird die Einsteigervariante empfohlen. Hier sind die Charaktere nur optisch verschieden, in der fortgeschrittenen Version haben sie auch unterschiedliche Fähigkeiten. Jede Person erhält außerdem je einen der 3 verschiedenfarbigen Würfel und legt sie mit dem Wert 1 nach oben sichtbar auf das eigene Spielertableau. Nach kurzem Startaufbau – der vorallem das Festlegen der Wertungskategorien beinhaltet – beginnt eine Partie „Galileo Galilei“.

Mit unserem Teleskop dürfen wir uns maximal bis zu 3 Felder nach oben bewegen und führen jeweils sämtliche der aufgedruckten Aktionen im Zielsektor aus. Sind wir oben angekommen, oder würden uns die 3 Schritte über das höchste Feld hinaus führen, so beginnen wir wieder unten am Horizont. Die Ikonographie ist dabei so gut gelungen, dass bereits ab der Hälfte der ersten Partie alles in Fleisch und Blut übergegangen ist. Zur Verfügung stehen mir dabei Aktionen, die es mir erlauben Würfel zu manipulieren oder gar neue zu erhalten, mit eben diesen Würfeln Entdeckungen zu machen, Kometen zu sichten oder an der Universität zu unterrichten um so am Ende meine Entdeckungen auch zu brauchbaren Punkten zu machen.

Dabei erhalten wir für Entdeckungen Belohnungen, die durch genau die gleichen Symbole dargestellt werden und als ob das nicht schon genug Grund zur Freude wäre: Sämtliche Regelhilfen, egal ob Spielaufbau, Aktionen zum Rundenablauf oder Endwertungen – sie alle sind auf dem Spielplan und den Tableaus abgedruckt und erleichtern das Spiel und seinen Fluss dadurch nochmal mehr. Dadurch können wir Aktionen miteinander verketten und den jeweiligen Bonus geschickt miteinander kombinieren. Denn Punkte gibt es vorallem im laufenden Spiel eine Menge und auch am Ende sind unsere Errungenschaften nicht unbedeutend. Wenn wir rechtzeitig an den Hochschulen Unterricht im jeweiligen Gebiet gegeben haben, erhöht das unseren Multiplikator mitunter beträchtlich.

Nun ist wissenschaftlicher Fortschritt, wie eingangs erwähnt, keinesfalls immer mit offenen Armen begrüßt worden und viel zu häufig gesellen sich die Inquisitoren hinzu, solange wir einen im Keller haben und ihn nicht bewegen, passiert nicht viel. Werden wir aber dazu aufgefordert, ihn zu bewegen – was einem „überzeugen“ gleich kommt, so müssen wir am Rundenende eine Befragung über uns ergehen lassen. Diese Befragungen sind vorallem zu Beginn einer Partie schmerzhaft, weil sie unseren Ruf beschädigen und uns sogar Minuspunkte einbringen werden.

Im Verlauf einer Partie werden diese überzeugten Inquisitoren immer wertvoller, weil sie unseren Ruf sogar verbessern und am Spielende einen großen Bonus einbringen können, wenn wir möglichst viele von ihnen überzeugt haben. Das Ende einer jeden Partie naht wie immer viel zu schnell und mit großen Schritten, wenn eine bestimmte Anzahl an Himmelskörpern entdeckt wurde. Spätestens dann wünscht sich jeder am Tisch, wenig Abzüge durch die Inquisition zu erfahren und in einem letzten Spielzug noch einmal möglichst viele Punkte mitzunehmen – wenn „Galileo Galilei“ zu Ende ist, dann waren alle Personen gleich oft am Zug. Es folgt dann noch eine kurze Endwertung, bestehend aus Universitäten und Inquisition bevor eine Partie dann endgültig vorbei ist.

Das Spielmaterial ist schön bunt. Zugegeben, die Spielertableaus wölben sich leider unschön auf dem Tisch, jedoch tut das der Spielfreude kaum einen richtigen Abbruch. Meine verfügbaren Aktionen sind immer ersichtlich und planbar, weil die verwendeten Aktionen nachrücken und ich aus einer Auswahl von 3 verschiedenen Möglichkeiten mir genau die aussuche, die mich mit den meisten Punkten belohnt, oder mich in eine günstige Position für künftige Entdeckungen bringt. Dabei belohnt „Galileo Galilei“ fast alle meine Aktionen, mal mehr und mal weniger. Von wirklicher Interaktion kann da keine Rede sein. Natürlich ärgere ich mich, wenn mir die Entdeckung des Mars kurz vor der Nase weggeschnappt wird, allerdings bin ich dadurch niemals vom Spiel abgehängt, weil sich genug andere Möglichkeiten bieten – und vielleicht ist der nächste Himmelskörper ja sogar noch etwas interessanter …

„Galileo Galilei“ ist im Kennerspielbereich angesiedelt und durch die sehr gelungene Ikonographie relativ schnell selbstständig spielbar. Die Aktionen sind nicht wirklich komplex in ihrer Abwicklung, werden jedoch durch die Verkettung der einzelnen Belohnungen mitunter etwas lang. Als Generationenspiel ist es von daher nur bedingt zu empfehlen. Bei hohem pädagogischem Wert und dem Aufforderungscharakter doch jetzt einfach mal mitzuspielen sind es vorallem die Dauer einer Partie von knapp 30 Minuten pro Person sowie die Verkettungen die dem Generationenspiel im Wege stehen.

Fazit
Der Blick gen Himmel ist in diesen Tagen wieder häufiger – das liegt zum einen daran, dass wir um den Jahreswechsel vielleicht mit einem Feuerwerk rechnen, zum anderen auch an der länge der Nächte im Winter. Es gibt viel zu entdecken und zu sehen und dieses Bewusstmachen dafür ist auch ein Verdienst von Spielen wie „Galileo Galilei“ – die pädagogische Note gibt es quasi inklusive mit dazu, ohne dass sie als aufgesetzt oder störend empfunden wird. Alles ist stimmig und fühlt sich sehr rund an. Das beginnt bei der Gestaltung der Symbole, die dadurch sofort nachvollziehbar werden und zieht sich über das Spielgefühl und die Länge einer Partie hinweg bis hin zur grafischen Gestaltung, die neben den wunderschönen Entdeckungskarten auch noch die wichtigsten Schritte in Sachen Spielaufbau und der Abhandlung eines Spielzugendes sowie der Endwertung kompakt zusammenfasst! Bravo!

Wirkt „Galileo Galilei“ vom Cover und dem Namen des Spiels her recht komplex, so entkräftet bereits die Erstpartie diesen eher unbegründeten Eindruck. Als Kennerspiel macht es genau das, was viele von einem Kennerspiel erwarten: Es ist in der Lage mich für eine gewisse Zeit in eine Welt zu entführen, ohne dass mir zwischen meinen Zügen der Kopf schmerzt oder ich mich in eine Sackgasse manövriert habe, aus der ich nur schwer und mit Verlust wieder herausfinde. Wartezeit zwischen meinen Zügen entsteht nur dann, wenn es einer Person am Tisch gelingt Belohnungen zu verketten.

2024 wird für den Spieleautor Tomáš Holek lange in hoffentlich guter Erinnerung bleiben! Neben „S.E.T.I.“ (erschienen bei Czech Games Edition und HeidelBÄR Games) und „Tea Garden“ (albi) ist „Galileo Galilei“ seine dritte Neuerscheinung in diesem Jahr! Der hohe Output, wie wir ihn vielleicht von Reiner Knizia oder Uwe Rosenberg erwarten würden, liegt auch an der Entwicklungszeit vom Spiel zum fertigen Produkt und freut mich umso mehr für den bescheidenen jungen tschechischen Autor, von dem in Zukunft hoffentlich noch viel zu höhren sein wird! Alles Liebe Tomáš!

 

 

Bewertung / Test
+ Wunderschöne Gestaltung des Spielmaterials
+ Spielanleitung mit historischen Hintergrundinformationen fügen sich stimmig ein
+ Sehr gute Ikonographie, die durch’s Spiel führt
+ Spielhilfen genau da, wo sie auch Sinn machen und das Spiel beschleunigen
– Spielertableaus wölben / biegen sich sehr deutlich und liegen dadurch nicht mehr schön auf dem Tisch

 

(Eine Rezension von Tobias Mallock)

Tobias

 

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Galileo Galilei (2024)

Spielidee: Tomáš Holek
Grafik: Michal Peichl
Verlag: Frosted Games
Anzahl der Spielenden: 1 – 4 Personen
Altersempfehlung Verlag: Ab 12 Jahren
Spieldauer: 60 – 120 Minuten (30 Minuten pro Person)

Generationentauglichkeit: Für Fortgeschrittene ja, denn Material und Anspruch der Aktionen erlauben das Spiel für Jung und Alt, die Verkettung und die vielen Wege Punkte zu erzielen schrecken stattdessen etwas ab.
Pädagogisch wertvoll: Das Interesse an den Personen sowie der Astronomie wird hier spielerisch und eher nebenbei geweckt!