Unterwegs mit dem Genie – Lacrimosa von Kosmos Spiele-Verlag (Rezension)

Lacrimosa | Kennerspiel | ab 12 Jahren | 1 bis 4 Spielende | Gerard Ascensi und Ferran Renalias | Kosmos Spiele-Verlag

„Lacrimosa“ heißt der Zauberspruch Harry Potters, mit dem sich deine Spielesammlung in eine schwarze, nach Lakritz riechende Masse verwandelt. Nein, Blödsinn! Es handelt sich um einen Abschnitt in Mozarts Requiem, das er vor seinem Tod nicht beenden konnte. Mit Hilfe von Komponisten seiner Zeit arbeiten wir an der Vollendung. Keine Sorge, hier braucht man kein Musik-Diplom! Wir haben hier ein spannendes Kennerspiel.

Spielkarton und Inhalt

 

Das Spiel
Lacrimosa ist ein Kennerspiel von Gerard Ascensi und Ferran Renalias und bei Kosmos erschienen. Es ist für 1 – 4 Spielende geeignet und kann ab 12 Jahren gespielt werden.

Die opulente Ausstattung zeigt schon an, dass „Lacrimosa“ mit Herzblut gestaltet wurde. Es fallen sogleich die Tableaus auf, die zusammengeklappt wie ein Notenbuch aussehen und geöffnet als Double-Layer-Boards Einsteckplätze für Karten haben und unverrutschbare Plätze für die Marker. Alle bekommen eine Starthand aus neun Karten und eine Opuskarte mit einem Teil aus Nannerls Notenbuch. Es gibt auf dem Tableau links eine Einkommensleiste. In der Mitte drei Leisten für unterschiedliche Ressourcen. Da sind wir schon bei einem Einstiegsproblem: die speziellen Begrifflichkeiten. In der Anleitung ist von Storypunkten die Rede, die auch durch Scheiben erlangt werden können. Diese Begrifflichkeiten sind thematisch, erschweren aber das Verständnis. Im Grunde sind die Regeln gar nicht schwierig. (Für Vielspielende. Andere können jetzt berechtigt die Stirn runzeln!)

Die Noten-Marker werden beim Komponieren auf dem unteren Teil des Spielplans benötigt. Auf dem Tableau ist zudem noch Platz für Dukaten und weitere Vorräte.

Spielerbord mit Material

Der Spielplan ist als dreiteilig mit einer durchlaufenden Punkteleiste. Bei jedem Zug wählen wir aus unseren vier, bzw. drei Handkarten zwei aus und schieben sie in die erste Slotreihe. Die obere bestimmt unsere aktuelle Aktion und die untere bringt am Ende der Runde Einkommen.

Der Kartenbereich des Spielplans gibt uns eine von Runde zu Runde entwickelnde Auswahl von Erinnerungs- und Opuskarten. Für den Kauf gibt es jeweils eine eigene Aktion. Die Erinnerungskarten liegen oben bündig und zeigen unten ihren Kaufpreis. Sie ermöglichen extra Einkünfte, manchmal auch zwei Aktionen statt einer. Eine gekaufte Karte wird mit der im unteren Slot ausgetauscht, welche aus dem Spiel genommen wird. Man sollte im Blick behalten, durch diesen Austausch keine Aktionsart zu verlieren.

Die Opuskarten liegen bündig nach unten und zeigen oben ihre Kosten plus der Kosten dieses Slots. Sie sind in Gattungen unterteilt, was für besondere Siegpunktkarten wichtig sein kann. Der Erwerb bringt direkt ein paar Siegpunkte. Mit den Opuskarten im Besitz kann ich eine weitere Aktionsart nutzen: Die Aufführung. Sie generiert Geld oder einen besonderen Vorteil, wenn das Opus verkauft wird.

Der Kartenbereich des Spielplans mit der Startauslage

Der Abschnitt Reise zeigt Orte, die Mozart zu Lebzeiten besucht hat. Nutzen wir die Reise-Aktion, sind Kosten in Form von Geld und Reisepunkten zu zahlen. Wie die anderen Story-Punkte auch, zeigen die Würfelchen auf dem Tableau den Besitzstand an. Dieser wird am Ende der Runde immer auf Null gesetzt. Die im Verlaufe des Spiels erworbenen Scheibchen sind von diesem Rücksetzen unberührt. Kosten kann ich entweder über die Würfel oder/und über die Scheibchen zahlen.

Die kleinen Reiseziele geben einen Soforteffekt. In den drei Städten mit Königshöfen liegen Plättchen, die am Ende des Spiels Siegpunkte generieren können. Es macht Sinn, sich diese früh zu holen um die eigenen Strategie danach auszurichten. Andernfalls läuft man Gefahr, dass die Mitspielenden zuvorkommen. Etwas Warten lohnt sich aber auch, weil die nicht entnommenen Plättchen zwischen den Runden auf ihre Seite mit dem Goldrahmen umgedreht werden und dann noch bessere Belohnungen bieten.

Der Reisebereich des Spielplans mit Bonusplättchen

Der dritte und nicht minder wichtige Teil des Spielplans befasst sich mit der Vervollständigung von Mozarts Requiem. Zu Beginn wurden zwei von vier möglichen Komponisten ausgewählt, die sich für die einzelnen Teile beauftragen lassen. Wähle ich die Aktion Requiem, kann ich einen Notenmarker von meinem Tableau auswählen und bekommen den dazugehörigen Bonus. Wo ich den einsetze, hängt erst einmal davon ab, was der Komponist für seine Leistung verlangt. Das ist auf den Plättchen angezeigt, die in aufsteigender Reihenfolge der Kosten sortiert sind. Sie bringen Sofort-Boni oder permanente Boni wenn ich sie nach dem Erwerb auf mein Tableau gelegt habe. Der Notenmarker wir mit der dem Komponisten entsprechenden Seite positioniert.

Am Ende der Partie wird für jeden Teil geschaut, welcher Komponist die Mehrheit hat und Siegpunkte werden entsprechend verteilt.

Der Requiembereich des Spielplans zu Beginn einer Partie für 2 Personen

Es braucht schon eine Lernpartie, um die Zusammenhänge alle zu erfassen und eine eigene Strategie zu entwickeln. Zum einen wirken die Aktionen sich auf den weiteren Spielverlauf aus und gleichzeitig spielt die Taktik der Mitspielenden eine nicht unwichtige Rolle beim eigenen Erfolg. Ich habe die Regeln hier vereinfacht dargestellt und vor allem nicht die Verwaltungsphase zwischen den Runden beschrieben. Es gibt so einige Details, die für den ersten Überblick nicht wichtig sind.

Spielsituation während einer Partie. Zu sehen sind die beiden Spielertableaus, Kartenslots sind teilweise belegt.

Das Anleitungsheft ist umfangreich und gut gemacht. Nach der Übersicht zum Material wird der Aufbau Schritt für Schritt erklärt. Die Aktionsarten werden in eigenen Kästchen erklärt, was dem schnellen Nachschlagen bei Unklarheiten dient. Es gibt am Schluss eine Übersicht für die Symbole. Im Nachhinein weiß ich gar nicht, warum ich mich mit dem ersten Verstehen schwer getan habe. Das lag zum großen Teil sicher an den speziellen Begrifflichkeiten, aber auch an dem umfangreichen Material. Dieses ist auf dem Titelfoto nicht einmal ganz vollständig gezeigt.

Beim Solomodus wird durch einen Kartensatz ein:e Mitspielende:r simuliert.

Als Kennerspiel ab 12 Jahren geht es bei der Generationentauglichkeit nur noch um ältere Personen. Diese müssen spielerfahren sein um mit der Komplexität zurecht zu kommen. Die Schrift- und Symbolgrößen sind dagegen ein geringeres Problem. Das Material ist griffig, hochwertig und gut unterscheidbar.

Fazit

„Lacrimosa“ spricht sicher besonders an, wenn man Mozart und seine Musik mag. Das ist keine Voraussetzung, erhöht aber den Genuss beim Spielen. Viele Details aus Mozarts Leben und Werk sind hier eingearbeitet. Mechanisch verknüpft „Lacrimosa“ bereits bekannte Mechaniken zu einem stimmigen Mix. Es gibt keine optimal Strategie. Man kann sich mal mit dem einen Schwerpunkt, mal mit dem anderen beschäftigen auf eine doppelsinnig spielerische Art. Gleichzeitig ist es interaktiv, weil es durchaus wichtig ist, was die Mitspielenden anstreben. Meist zeigt erst die Endabrechung, wer gewonnen hat. So bleibt es spannend bis zum Schluss.

Der Aufbau und die Verwaltungsphase zwischen den Runden nimmt Zeit in Anspruch. Dafür können die Mitspielenden die Entscheidungen über ihre aktuelle Aktion gleichzeitig treffen. Es sollte kaum Downtime geben.

Die Verbesserung des eigenen Kartensatzes, die Planung für die Ressourcen, Reiseziele und Effekte: Alles wirkt sich auf die eigene Partie aus. Meiner Einschätzung nach liegt es zwischen Kenner- und Expertenspiel. „Lacrimosa“ ist wie Mozarts Requiem keine leichte Kost, macht aber immens Spaß wenn man sich darauf einlässt. Für Vielspieler ohne Abneigung gegen klassische Musik empfehle ich es sehr gern. Wenn es beim Spielen Begleitmusik geben soll, nehmt dann aber bitte nicht das Requiem! Es gibt so viel Leichteres von unserem Genie!

Bewertung / Test
+ thematisch stimmig, sehr schönes Material
+ taktische Möglichkeiten bringen Wiederspielreiz
– Materialfülle erschwert den Einstieg und benötigt Zeit

 

 

(Eine Rezension von Paul Theisen)


Wichtige Informationen zu unseren Rezensionen (KLICK)


ACHTUNG – hier geht es zu unserem YouTube-Kanal:
Spielecafé der Generationen – Jung und Alt Spielt – YouTube

 

Die folgende Bewertung erfolgt innerhalb der Kategorie:
“Kennerspiele”

  • ... Altersgruppe 13 bis 49 Jahre
  • ... Altergruppe 50 bis 70 Jahre
  • ... Altersgruppe ab 71 Jahre

Lacrimosa (2023)

Spielidee: Gerard Ascensi und Ferran Renalias
Grafik: Enrique Corominas, Jared Blando und David Esbri
Verlag: Kosmos
Anzahl der Spielenden: 1 – 4
Altersempfehlung Verlag: ab 12 Jahren

Spieldauer: 90 Minuten, mit 3 und 4 Spielenden länger

Generationentauglichkeit: Wegen der Komplexität und Kleinteiligkeit eher nein