Flotilla | Expertenspiel | ab 14 Jahren | 3 bis 5 Spielende | J.B. Howell & Michael Mihealsick | Strohmann Games
In „Flotilla“ hat es die Menschheit also tatsächlich geschafft! Wir haben die Erde so nuklear verseucht, dass der letzte Rest der Menschheit nur noch zurückgezogen auf dem Meer einen Ort zum Leben findet. Um zu überleben, fischen wir Ressourcen aus dem Meer, bergen verlorengegangene Technologien, retten Überlebende und bauen aus dem Schrott der Vergangenheit eine schwimmende Stadt … wenn die anderen uns lassen.

Das Spiel
Flotilla ist ein Expertenspiel von J.B. Howell & Michael Mihealsick und bei Strohmann Games erschienen. Es ist für 3-5 Spielende geeignet und kann ab 14 Jahren gespielt werden.
„Flotilla“ hat eigentlich alles, was ein Spiel auf Expertenniveau interessant macht: übermäßig viel tolles Material und einen gut funktionierenden Mix aus verschiedenen Spielmechaniken, die sich elegant verbinden. Man legt Plättchen, treibt Handel, erkundet neue Gebiete und baut Siedlungen. Würfel gibt es auch noch, ebenso offene Aufträge, die maßgeblich Einfluss auf die eigene Strategie nehmen können.
„Flotilla“ unterscheidet sich aber von anderen Spielen dadurch, dass es eigentlich zwei Spiele in einem sind, denn während einer Partie wechselt man sprichwörtlich die Seiten. Man entwickelt sich von den Sinksidern, die im Wasser nach verwertbaren Materialien suchen, zu Stadtbaumeistern mit dem Namen Skysider. Den Zeitpunkt bestimmen alle selbst, die Taktik macht dabei den Unterschied. Wenn es soweit ist, nutzt man das die Rückseite des Spielmaterials und hat ein paar neue Regeln, auf die man achten muss.

In seinem Herzen ist das Spiel ein Deckbuilder. Für die Aktionen, die man machen möchte, spielt man eine seiner Crewkarten aus, außerdem organisiert man sich neue, bessere Karten aus der Auslage. Wer diesen Mechanismus kennt, wird schnell ins Spiel finden. Schwierig für uns war am Anfang, dass außer der Hauptaktion jede Karte noch einen Wert besitzt, den wir sehr oft übersehen haben. Dieser entscheidet darüber, ob wir zusätzlich unsere Transportschiffe noch bewegen dürfen, beziehungsweise ein bisschen Geld in die Kasse kommt.

Solange man auf der Sinkside-Seite des Lebens spielt, erkundet man mit den Karten das Gewässer rund um das Startplättchen, kommandiert die eigenen Schiffe und sorgt sich darum, dass wertvolle Rohstoffe aus den Tiefen des Meeres geborgen werden. Da das Gebiet jedoch stark nuklear verseucht ist, kann uns das ziemlich schaden, wenn wir die Gewässer erkunden. Im Spiel müssen dann Toxizitätsmarker versetzt werden. Nicht nur allein, dass das Wort ein absoluter Zungenbrecher ist: Je weiter ein Marker versetzt werden muss, desto mehr unserer hart verdienten Siegpunkte verlieren wir zum Schluss.

Wenn wir mal zum Tauchen kommen um Rohstoffe zu bergen, wird gewürfelt, um zu sehen, wie erfolgreich der Tauchgang war. Dann werden die Frachtschiffe mit kleinen Fässern beladen, um diese dann an den eigenen Hafen zu bringen und zu löschen. Wer Glück hat, findet beim Tauchen auch noch Überlebende und greift einen Bonus ab. Ja, richtig gelesen: Glück. Würfel fallen eben, wie sie wollen. Beeinflussen kann ich das Ergebnis nicht. Ob ich viel oder wenig Ressourcen aus der Tiefe hole, ob danach die Stelle im Ozean vielleicht sogar erschöpft ist – das hängt vom Zufall ab. Ich spüre schon bei Leuten, die Kenner- und Expertenspiele mögen, wie sich gerade die Haare im Nacken stellen.

Als wäre das Sinksider-Leben durch die Radioaktivität und Fortuna nicht schon schwer genug, müssen wir auch um die Anerkennung bei den ansässigen Gilden buhlen. Das geht ebenfalls über das Ausspielen von Karten aus der Hand und ist einer der leichtesten Wege, um an neue, verbesserte Aktionen zu gelangen. Letztlich sollte ich auch den Markt im Auge behalten, auf dem ich Rohstoffe handeln kann. Durch die verschiedenen Aktionen der anderen, steigen und fallen die Preise der verschiedenen Waren. Da kann man schon mal ein Schnäppchen machen.
Wenn man das Gefühl hat, die eigenen Warendepots ausreichend gefüllt zu haben, kann man Skysider werden. Ab dann benutzt man einfach die Rückseiten der Karten und der eigenen Spielauslage. Aus blau wird orange. Ab sofort kümmert man sich nicht mehr primär um das Organisieren von Ressourcen, sondern baut eine Stadt im Wasser. Dabei gilt: je größer und enger miteinander verflochten, desto besser. Je höher der Einfluss bei den Gilden, desto mehr Siegpunkte. Hat man sich einmal entschieden, gibt es kein Zurück mehr.

Das Spiel endet, wenn eine vorher festgelegte Menge an Siegpunktmarker aufgebraucht ist. Diese orientiert sich an der Anzahl der mitspielenden Personen. Möglichkeiten an Punkte zu kommen, gibt es reichlich in beiden Spielphasen. Dabei sollte man auf keinen Fall die ausliegenden Aufträge aus den Augen verlieren, sonst kleckert man, anstatt zu klotzen.
Fazit
„Flotilla“ ist ein zäher Brocken, den man liebhaben kann, aber nicht muss. Das fängt schon damit an, dass man echt Zeit mitbringen muss. Vor allem die ersten Partien können sich ziehen wie Kaugummi. Wir haben zu dritt mehr als drei Stunden gebraucht. Nicht jeder Augenblick davon war von reiner Spielfreude gezeichnet. Wir mussten uns die ersten Runden hart erarbeiten und waren anfänglich eher unsicher, wohin unsere Züge überhaupt führen würden.
Ein wesentlicher Teil des Spiels ist es, seine nächsten Züge sinnvoll aufeinander abzustimmen und über den Einsatz der Karten zu programmieren. So lohnt es sich auf jeden Fall zwischen zwei und drei Aktionen im Kopf vorzuplanen. Dafür ordnet am besten schon mal die Karten in der gewünschten Reihenfolge. Aber statt dann einfach mal dieses Programm an einem Stück runternudeln zu können, muss man zwischen jeden Schritt wieder warten, bis man an der Reihe ist. Das ist ermüdend.

Während der Wartephasen hat man aber immer wieder reichlich Gelegenheit, das echt tolle Spielmaterial zu bestaunen. Besonders mag ich die hölzernen Schiffsmeeple in unterschiedlichen Formen. Hervorheben möchte ich auch, dass eine besondere Dynamik dann in dem Spiel aufkommt, wenn Personen schon auf die Skyside gewechselt sind, die anderen aber noch auf der Sinkside verweilen. Denn dann entfaltet der Markt eine besondere Bedeutung und auch andere kleine Synergien des Spiels entwickeln sich.
So richtig ins Gehege kommt man sich bei „Flotilla“ aber nicht, obwohl das Endzeit-Überlebens-Thema das ja eigentlich nahe legt. Na gut, ist halt so. Ein bisschen kann man sich schon sticheln, wenn man sich die attraktiven Crewkarten aus der Auslage schnappt oder mit der Karte Student eine besonders lohnenswerte Aktion von den anderen kopiert. Der größte Teil des Spiels ist aber solistisch. Leute, die gehobene Kennerspiele, beziehungsweise Expertenspiele mögen, sollten für „Flotilla“ aber unbedingt mal die Zeit investieren.
Bewertung / Test
+ tolles Material
+ Wechsel-Mechanik ermöglicht verschiedene Strategien
– mindestens 3 Personen
– Spielzeit kann sich endlos anfühlen
– Der beste Plan ist vor Glück oder Pech nicht geschützt
(Eine Rezension von Oli Clemens)
Wichtige Informationen zu unseren Rezensionen (KLICK)
Die folgende Bewertung erfolgt innerhalb der Kategorie:
“Kenner- und Expertenspiele”
Flotilla (2021)
Spielidee: J.B. Howell & Michael Mihealsick
Grafik: Bartek Fedyczak
Verlag: Strohmann Games
Anzahl der Spielenden: 3-5 Personen
Altersempfehlung Verlag: Ab 14 Jahren
Spieldauer: 90-150 Minuten, länger ist locker drin.
Generationentauglichkeit: Nein!