Friedrich Ebert | Kennerspiel | ab 12 Jahren | 1 bis 4 Spielende | Jonas André und Martin Thiele-Schwez | OSTIA Spiele | pädagogisch wertvoll
Ich kam bisher noch nie in den Genuss einen Spiel-Prototypen ausprobieren zu dürfen. Das ist richtig spannend, besonders, wenn das Spiel erst danach auf einer Crowdfunding-Plattform unterstützt werden kann. Ich darf also einen kleinen Beitrag leisten und den Förderern helfen zu entscheiden, ob das Spiel etwas für sie ist oder nicht. Das freut mich sehr!
Das Spiel
Friedrich Ebert : der Weg zur Demokratie – das Kartenspiel ist ein kooperatives Kennerspiel von Jonas André und Martin Thiele-Schwez und wird bei Ostia Spiele erschienen, wenn die Crowdfunding Kampagne in der Spieleschmiede erfolgreich verläuft. Es ist für 1-4 Spielende geeignet und wird ab 12 Jahren empfohlen.
In diesem Spiel durchleben wir gemeinsam wichtige Stationen im politischen Werdegang und Leben von Friedrich Ebert, einem der Wegbereiter der Sozialdemokratie in Deutschland. Dabei durchspielen wir vier verschiedene Kapitel und damit Zeitabschnitte seiner Karriere, die gleichzeitig wichtige Abschnitte der deutschen Geschichte sind. Wir verkörpern im Spiel verschiedene Interessensgruppen der deutschen Gesellschaft und Politik im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts.
Die Karten und Handlungen, die wir ziehen und auswählen, müssen wir so aneinanderreihen, dass in keiner Interessensgruppe die Spannung zu hoch wird und ein Konflikt ausbricht, denn dann haben wir verloren.
Nur wenn wir die gestellten Aufgaben in Form von Meilensteinen schaffen, beenden wir die Unterkapitel und Kapitel erfolgreich und dürfen mit den nächsten weitermachen.
Ein kleiner Wermutstropfen bei Friedrich Ebert : der Weg zur Demokratie ist, dass wir die Kartensets und Marker je nach Kapitel unterschiedlich zusammenstellen, genau sortieren und unter den Spielenden verteilen müssen. Dieser Aufbau des Spiels und der einzelnen Kapitel ist am Anfang ein wenig zeitaufwändig, aber wenn man den Dreh einmal heraußen hat, nicht mehr schlimm.
Außerdem schreibt der Verlag, dass im Vergleich zu diesem Prototyp das Handling der Sortierung noch weiter verbessert wird.
Auf Material und Optik möchte ich in der Rezension noch nicht eingehen, denn die sind noch nicht endgültig festgelegt. Ich habe nicht den aktuellsten Stand des Prototypen erhalten und auch im Laufe der endgültigen Produktion werden sich vermutlich noch weitere Änderungen ergeben. Der Ostia-Verlag schrieb mir auch, dass auch die Grafik und das Kartendesign wie abgebildet, noch nicht endgültig sind.
Bis man jedes Kapitel gemeistert hat, kann es je nach Fortschritt und Kapitel durchaus auch mal zwei, drei oder vier Versuche brauchen. Danach kann man das Spiel, meiner Meinung nach, eigentlich nicht mehr mit dem gleichen Vergnügen und der gleichen Spannung spielen. Zu sehr prägt man sich die verschiedenen geschichtlichen Ereignisse und auch ihre Auswirkung auf den Spielverlauf ein. Dadurch hätte man bei nächsten Partien einen Wissensvorteil, der einen Teil des Spielspaß und der Tüftelei verderben würde.
In der Anleitung wird deshalb auch auf Varianten eingegangen und es gibt auch noch weitere Karten, die „persönlichen Ereignisse“, um das Spiel variabler zu gestalten.
Natürlich wäre es für den Lerneffekt noch besser, wenn das Spiel ohne Einschränkungen wiederspielbar wäre. Aber da wir es nun einmal mit geschichtlichen Ereignissen zu tun haben und nur der korrekte geschichtliche Verlauf, ohne was-wäre-wenn und Abweichungen, abgebildet wird, ist das so nicht ganz möglich.
Wir haben jetzt deshalb in unserer Runde die letzten Kapitel des Prototypen noch nicht gespielt, damit wir sie dann mit der finalen Version erleben können. Darauf freuen wir uns schon.
Das Kartenspiel ist eine Anlehnung an eine schon fertige Online-Version des Spiels, die es auf der Webseite der Ebert Gedenkstätte gibt. Soweit ich das nach dem Prototyp beurteilen kann, wurden das Konzept und das Spielgefühl gut in ein analoges Kartenspiel umgesetzt.
Bei einem Kennerspiel mit historisch korrektem Thema nicht verwunderlich, halte ich Friedrich Ebert : der Weg zur Demokratie für nicht generationentauglich. Es ist für Kinder nicht geeignet, da es im Spiel viel Verständnis der geschichtlichen Ereignisse und der gesellschaftlichen Entwicklungen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts braucht, um die richtigen Karten zum richtigen Zeitpunkt auszuwählen und deren Auswirkungen im Vorhinein abschätzen zu können. Wenn ich an meinen eigenen Geschichtsunterricht im Gymnasium (und mein Interesse daran im Teenageralter) zurückdenke, finde ich sogar das angegebene Spielalter, ab 12 Jahren, etwas gewagt. Ich würde, ohne den Lehrplan genau zu kennen, behaupten, dass man die Inhalte, von denen man im Spiel nicht zum ersten Mal hören sollte, eher erst mit 14 bis 16 Jahren in der Schule lernt.
Außerdem könnten auch die Karten mit viel kleingedrucktem Text und kleinen, wichtigen Symbolen eine Schwierigkeit für ältere Personen und Personen mit Seh-Schwierigkeiten darstellen. Da das Kartendesign aber noch nicht abgeschlossen ist, darf man das noch nicht zu streng beurteilen und ich werde das auf jeden Fall beim Verlag anmerken. (Nachträgliche Anmerkung: Die Schrift wird lt. Verlag deutlich besser lesbar als beim Prototyp!)
Ich freue mich, dass ich durch mein Testen des Prototyp, meine Vorschläge und konstruktive Kritik, die ich dem Verlag mitteilen werde, hoffentlich einen positiven Einfluss auf die Entwicklung des Spiels nehmen kann.
Ich weiß, dass es sich bei diesem Spiel um eine Kooperation zwischen dem Verlag Ostia Spiele und der Friedrich Ebert Gedenkstätte handelt. Trotzdem muss ich sagen, dass ich das Prinzip des Spiels so gut finde, dass ich hoffe, dass es sich auch auf andere geschichtliche Ereignisse und Persönlichkeiten anwenden lässt. Vielleicht dürfen wir auch andere Epochen, Schlaglichter und Persönlichkeiten der (deutschen oder Welt-) Geschichte in dieser Form erleben und kennenlernen. Man lernt ohne Mühe und mit Spielspaß und Spannung so viele wichtige Details über die Epoche und Friedrich Ebert selbst, und kann sich vieles davon auch dauerhaft merken. Die Idee einer ganzen Reihe von Spielen dieser Art mit historischem Kontext drängt sich förmlich auf.
Auch wenn man sehr viel über einen nur begrenzten Zeitraum und Personenkreis der deutschen Geschichte lernt, ist diese Epoche doch eine sehr bedeutende und das Spiel damit auf jeden Fall pädagogisch wertvoll. Das besondere daran ist aber, dass es trotz aller Lerneffekte spannend bleibt. Man grübelt gemeinsam, welche Handlungen welche Auswirkungen haben und was das beste Ergebnis bringen könnte. Mit historischem Grundwissen weiß man natürlich auch, wie der Lauf der Geschichte ist und dass nach Ebert die Nationalsozialisten die Weimarer Demokratie wieder zerstören. Das können wir auch im Spiel leider nicht verhindern.
Fazit
„Friedrich Ebert : das Kartenspiel“ hat mich mit seinen Texten und Ereignissen viel mehr gefesselt und begeistert, als ich es von einem so ernsten historischen Spiel jemals erwartet hätte. Es ist nicht nur für Geschichtsinteressierte und Lehrende zu empfehlen, sondern für Alle interessant! Außerdem sind die Thematik der Demokratisierung und die Spannungen in den gesellschaftlichen Gruppen heute wieder so aktuell wie damals, auch wenn der Krieg zum Glück räumlich noch nicht so nahe gerückt ist.
Bewertung / Test
+ wichtige Thematik
+ mitreißende Texte
+ spannende Spielmechanik
– nicht generationentauglich
– durch Prototyp noch keine abschließende Bewertung möglich
(Eine Rezension von Elisabeth Sandner)
Wichtige Informationen zu unseren Rezensionen (KLICK)
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Friedrich Ebert (2024)
Spielidee: Jonas André und Martin Thiele-Schwez
Grafik: Emma Defty, Meta Wachlin, Kristina Fitzner
Verlag: Ostia Spiele
Anzahl der Spielenden: 1 – 4 Personen
Altersempfehlung Verlag: Ab 12 Jahren
Eigene Altersempfehlung: Ab 14 Jahren
Spieldauer: 4 x 30-45min
Generationentauglichkeit: nicht generationentauglich
Pädagogisch wertvoll: hoher Lerneffekt für Politik, Sozialkunde, Demokratie, Geschichte