1902 Méliès | Kennerspiel | ab 12 Jahren | 2 bis 4 Spielende | Eloi Pujadas und Ferran Renalias | Looping Games
Wenn ich dich auf ein Spiel mit Kernmechanismus Worker Placement einladen würde und ich mich bereits durch die fremdsprachige Anleitung gearbeitet habe, wie könntest du da noch ablehnen? Vorallem wenn es thematisch in der Welt des Filmpioniers Georges Méliès angesiedelt ist und in einer derart kleinen Schachtel daherkommt? Lies weiter, wie sich das im Falle von „1902 Méliès“ spielt.
Das Spiel
1902 Méliès ist ein Workerplacement Spiel von Eloi Pujadas und Ferran Renalias und bei Looping Games erschienen. Es ist für 2-4 Spielende geeignet und kann ab 12 Jahren gespielt werden.
In einem Schachtelformat, dass eher an Kartenspiel als an Workerplacement denken lässt, kommt „1902 Méliès“ daher. Für Spiele der Serie fast schon traditionell ist die bezaubernd bunte Gestaltung von Pedro Soto. Die vielen Karten, der zentrale und recht kleine Spielplan bilden das Zentrum des Spielgeschehens. Hier wird das Studio von Georges Méliès dargestellt in dem wir alle künftigen Aktionen durchführen werden, in dem wir unsere Spielfiguren auf Einsatzfelder stellen – im Spiel zu zweit stehen 3 zur Verfügung, im Spiel zu dritt und zu viert benutzt jede Person 2 Spielfiguren.
Zu tun gibt es allerhand: Ich erstelle das Drehbuch, die Szene, positioniere und kostümiere die darstellenden Personen, drehe eine Szene oder bin voll und ganz mit der Nachbearbeitung beschäftigt, der Film will geschnitten und manchmal sogar nachkoloriert werden. Diese vielen verschiedenen Aktionen löse ich durch meine Spielfiguren aus. Einen besetzten Platz gibt es hierbei nicht, wenn bereits eine Figur auf einem Einsatzfeld steht, so geht sie zurück in den Vorrat des Mitspielenden der entsprechenden Farbe. Komme ich in die Verlegenheit einmal keine Figur mehr einsatzbereit vor mir zu haben, so ist der Rückruf meine einzige Aktion. Gefühlt kommt dies einem Aussetzen gleich.
Bereits nach wenigen Runden wird die Tragweite der eigenen Entscheidungen offenkundig: Ich darf auf das Bühnenbild, die Spezialeffekte und den Schnitt achten – Punkte während des Spiels erziele ich durch die erforderlichen Charaktere der jeweiligen Szene. Diese sind optional und sollten mich nicht allzu lange am Dreh hindern – denn für die perfekte Szene bedarf es im Spiel auch einiges an Glück. An dieser Stelle findet sich im Spiel auch gleich eine Besonderheit. So fühlt es sich zunächst ungewöhnlich an, dass ich im Laufe einer Partie wenig Punkte erhalte. Die Aufmerksamkeit liegt dadurch unweigerlich auf der Endwertung. Hier gibt es Punkte für das Zusammenfügen der Szenen zu Sequenzen, denn schließlich sind bewegte Bilder im Film das Ziel und keine Diashow.
„1902 Méliès“ hält dennoch viel für „unterwegs“ bereit – Belohnung erhalte ich für Aktionen im Bereich der Vorarbeiten, dem Filmdreh sowie der Nachbearbeitung. Diese Aktionen und Belohnungen sind von Partie zu Partie verschieden und machen oft den feinen Unterschied beim Punktezählen am Spielende aus. Zusätzlich erhalte ich Punkte für das Kolorieren fertiger Filmszenen, egal wer sie zuvor fertig gestellt hat. So entsteht relativ schnell das Taktieren um das Fertigstellen einzelner Szenen um den Mitspielenden nicht sofort die Nachbearbeitung daran zu ermöglichen, wofür sie am Ende sogar noch Punkte erhalten. Ein schönes Element wie sich in mehreren Partien herausstellte.
Wenn du die 1900er Serie bereits schon länger verfolgst, so wird dir auch dieses Mal in der Illustration und grafischen Gestaltung kein geringerer als Pedro Soto auffallen. Sein ganz persönlicher Stil haucht dem Spiel die gewisse Magie ein, die bereits für die Pioniere der Filmindustrie spürbar gewesen sein dürfte. Die einzelnen Szenen sind dem Film „la voyage dans la lune“ nachempfunden und sind faszinierend detailiert. Zusätzlich ist die Ikonographie zweckdienlich und bereits in der 1. Partie größtenteils verinnerlicht. Für die eine oder andere Erinnerungslücke steht dennoch das Regelheft übersichtlich zur Verfügung, wenn auch in kleinem Format und Schrift.
Klein liefert auch das Stichwort für die Bewertung vor dem Hintergrund des generationenübergreifenden Spielens: „1902 Méliès“ zielt, wie die gesamte 1900er Serie, nicht darauf ab Jung und Alt an einen Tisch zu holen, vielmehr unterhält es Personen der Sparte Kennerspiel und die am jeweiligen Thema interessierten Personen. Der Charme von „1902 Méliès“ in einer kleinen Schachtel daherzukommen ist dann eben auch das Limit: Sehr viel kleines Material und Karten und Symbole.
Fazit
Die 1900er Reihe des Looping Games Verlag habe ich bis auf wenige Ausnahmen alle gespielt und bin bei jedem einzelnen Titel begeistert, wie verblüffend genau sich jeweils ein bestimmter Spielmechanismus passend zum Thema verhält – ganz egal ob wir um die Wette zum Südpol unterwegs sind, den Eurotunnel bohren, die ISS ausbauen, in der Prohibition unseren Nachtclub auf- und ausbauen oder eben wie hier im Falle von „1902 Méliès“ den Film von der Reise zum Mond erschaffen. Auch wenn es thematisch vielleicht ein paar kleine Lücken im Gesamtkonzept gibt, so fühlt sich die Filmproduktion gut durchdacht an. Während es anfangs noch ein wenig verwunderlich wirkt, nicht direkt Siegpunkte zu bekommen so wächst das Verständnis für’s Punkte erzielen im Laufe einer Partie.
Ein wenig ärgerlich ist die Kleinteiligkeit, die dem Markenzeichen der Serie geschuldet ist. Die ganzen Karten, Marker und Spielfiguren finden in einer Schachtel Platz, die im Taschenbuchformat ihren Geschwistern in der äußerlichen Größe treu bleibt. Die Einsatzfelder der Spielfiguren sind entsprechend klein, ebenso wie die Punktemarker und die Scheiben der Belohnungsfelder – das funktioniert auf einem normalgroßen 4 Personentisch zwar annehmbar, limitiert allerdings das Spielen im Alter. Nun ist die 1900er Serie nicht auf generationenübergreifendes Spielen ausgelegt und findet in einer wachsenden Fangemeinschaft immer wieder ihre spielbegeisterten Personen.
Wenn du dich bisher mit den Titeln der 1900er Serie beschäftigt hast, führt aus meiner Sicht an „1902 Méliès“ kein Weg vorbei. Wenn du den Mechanismus „Workerplacement“ gern hast, dann sowieso. Du wirst Gefallen am Spiel finden, wenn dir „1998 ISS“ Freude bereitet hat, denn das Ausmaß an Interaktionen ist ähnlich hoch. Abschließend ist „1902 Méliès“ für mich ein sehr gutes Beispiel dafür, dass die Größe der Schachtel zwar über die Platznutzung, jedoch nicht viel über die Qualität eines Spiels auszusagen vermag. Es ist wie im richtigen Leben und betont einmal mehr die Bedeutung der innenliegenden Werte und die besitzt „1902 Méliès“!
Bewertung / Test
+ Tolle Umsetzung des Themas mit treffender Illustration und Ikonographie
+ Einfache Arbeitereinsatzfelder mit durchdachten Aktionen
+ Hintergrundinformationen zu Georges Méliès in der Spielanleitung
+ Planbare Züge und passender Grad an Interaktionen
– Kleinteiligkeit von Karten, Kartentexten und Spielmaterial
(Eine Rezension von Tobias Mallock)
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Die folgende Bewertung erfolgt innerhalb der Kategorie:
“Kenner- und Expertenspiele”
1902 Méliès (2023)
Spielidee: Eloi Pujadas, Ferran Renalias
Grafik: Pedro Soto
Verlag: Looping Games
Anzahl der Spielenden: 2 – 4 Personen
Altersempfehlung Verlag: Ab 12 Jahren
Eigene Altersempfehlung: Ab 10 Jahren
Spieldauer: 45 – 60 Minuten
Generationentauglichkeit: Kleine Ikonographie, kleine Karten und viel kleinteiliges Spielmaterial – reisetauglich ja, generationentauglich leider nicht.