Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben aber nicht das Jahr 2200. Ausgehend von unserem Planeten machen wir uns auf den Weg ins Weltall, entdecken neue Planeten und neue Technologien, bauen Raumschiffe, mit denen wir den Aliens, manchmal auch unseren Mitspielern, auf den Pelz rücken. Und erbauen uns ein Imperium, das uns letztlich die meisten Siegpunkte bringt. Und das alles in einer grafisch perfekt inszenierten Spielerwelt. Ein Augenschmaus, was uns da „Alien Artifacts“ bietet.
Tolles Material und eine wunderbar spielfördernde Grafik lassen uns eintauchen in das Artefakte-Universum, ein kartengesteuertes „4X-Spiel in einer Stunde“ (4X = eXplore, eXpand, eXploit und eXterminate = erforschen, ausbreiten, ausbeuten und auslöschen). Dabei bilden wir unsere Auslage und bauen unser eigenes Herrschaftsgebiet. Das besteht aus den zunächst geplanten Bauvorhaben. Können wir diese in die Tat umsetzen, erweitern wir damit unser Imperium. Wobei wir stets vor das Problem gestellt sind, die Bauvorhaben logistisch einzusetzen oder operativ.
Der Unterschied ist beträchtlich. Ein Schiff operativ eingesetzt kann angreifen, logistisch eingesetzt ermöglicht es uns, im weiteren Spiel mehr Rohstoffkarten auszuspielen. Bei Technologiekarten ist es noch schwerer, sich zu entscheiden. Verwende ich die logistische Seite, erhalte ich teils richtig gute Möglichkeiten im Spiel, operativ andererseits erlaubt es mir im Spiel und vor allem am Spielende dicke Punkte zu machen, vorausgesetzt ich erfülle die entsprechenden Vorgaben.
Und schließlich die Planeten. Ok, hier von Bauvorhaben zu sprechen ist seltsam, aber drücken wir mal ein Auge zu. Logistisch „gebaut“ geben sie uns Ermäßigungen beim Bau von Schiffen, Technologien oder Planeten oder geben uns einen Bonus auf das Kaufen von weiteren Bauvorhaben. Operativ eingesetzt erweitern sie die Rohstoffkarten, die wir auf der Hand haben und geben uns (bei etwas Kartenziehglück) Siegpunkte.
Die Entscheidungen, wie ich die Karten einsetze, sind knifflig. Ermäßigungen für den Bau sind wichtig, denn die Kosten steigen mit jeder bereits „gebauten“ Karte. Bonus auf den Einkauf bringt deutliche Vorteile, denn ich spare mir damit viele Extrazüge, in denen ich Rohstoffe in das benötigte Geld umwandeln muss. Züge sparen ist ein deutlicher Vorteil.
Technologien sind manchmal so stark, dass ich sie im Spiel perfekt einsetzen kann, andererseits ohne operative Technologiekarten erhalte ich am Spielende keine Punkte. Hier richtig gespielt führt direkt zum Sieg.
Was sich am einfachsten anhört, um Punkte zu generieren, sind die Schiffe. Angreifen, Punkte absahnen und die überstarken Alienartefakte einsammeln – bei richtiger Vorbereitung (Planeten, die den Schiffsbau erleichtern) eine zufällige, aber konstante Methode, Punkte zu generieren. In der Regel reichen diese Punkte aber nicht, um gegen die Planeten-Strategie oder gar gegen die operativen Technologie-Karten zu gewinnen.
Übrigens zu den Schiffen. Da ist in den Regeln ein ganz dicker Hund begraben. Theoretisch wäre es nämlich möglich, unendlich oft in einem einzigen Zug anzugreifen. Mit einem Schiff, das im Angriff nicht zerstört wird, sondern nur auf die Bauhabenseite geschoben wird und genügend Planeten, die das Schiff durch die Ermäßigungen automatisch bauen, sodass es sofort wieder angreifen kann, ergibt sich eine theoretisch unendliche Schleife. Autsch! Nach vielen Protesten im Forum wurde eine erweiterte Regel nachgeschoben: Jedes Schiff kann nur einmal im Zug angreifen. So ist das schon besser, auch wenn die „automatische Bau“-Regel immer noch unklar und meiner Meinung nach so gesehen unsinnig ist. Besser wäre es, die Ermäßigungen gelten nur bei der Bau-Aktion, das ist die Aktion, in der ich durch die Planeten-Boni, ein Schiff umsonst bauen kann, aber es ist eine Aktion. Das wäre eine sinnvolle Hausregel. Auch wenn das nicht den Regeln entspricht. Aber gut, die Regeln sind teils etwas mühsam und bei einigen Technologiekarten hätte ich mir einen klärenden Satz in der Anleitung gewünscht. Aber am Tisch sind solche Dinge schnell ausdiskutiert.
Der Zug eines Spielers ist schnell gespielt. So geht es flott durch die Runden und man ist eigentlich ständig beschäftigt. Man hat drei Rohstoffkarten auf der Hand und kann, ist man am Zug, eine Aktion ausführen. Das kann Bauvorhaben kaufen sein, oder Bauvorhaben umsetzen, dafür braucht man Rohstoffkarten, die man abgibt. Aber nur zwei Karten. Die Rohstoffkarten zeigen zwei verschiedene Rohstoffarten in unterschiedlicher Anzahl. Ich kann nur eine der Sorten verwenden. Reichen sie nicht zum vollständigen Bau eines Bauvorhabens, lege ich die Rohstoffe unter die entsprechende Karte, die ich damit zum Teil gebaut habe und in einem späteren Zug vervollständigen kann. Das ist Fummelei hoch zwei. In meiner Auslage der Bauvorhaben sind vielleicht vier oder mehr Karten und unter jeder liegen zwei bis drei Karten, das ist so unglaublich schlecht gelöst, dass wir sofort eine Notlösung gesucht haben. Jetzt legen wir kleine Chips auf die Karten und legen die Rohstoffkarten ab. Spielt sich wesentlich entspannter, ohne die lästige Fummelei, Karten unter andere Karten zu den bereits untergeschobenen Karten zu schieben, dabei zu achten, dass man sieht, wieviele Rohstoffe ich jetzt schon bezahlt habe und dabei aber nicht andere Karten zu verschieben, denn da muss ich ja auch sehen, wieviele Rohstoffe ich bereits angebaut habe. Oh Mann, das geht vielleicht bei einer oder zwei Karten, aber wenn es mehr werden, wird das ziemlich unspielbar. Das hätte man wesentlich besser lösen müssen.
Und da habe ich bereits das Hauptproblem im Spiel angesprochen. Ich muss zählen. Ständig. Ich muss zählen, wieviele Rohstoffe mich der Bau eines Bauvorhabens kostet. Dann muss ich davon abziehen, wieviele Ermäßigungen ich durch die Planeten bekomme. Dann muss ich zählen, wieviele Rohstoffe ich bereits dafür untergeschoben habe und dann muss ich noch zählen, wieviele Rohstoffe ich auf der Hand oder unter einem der Planeten geschoben habe (ja da schiebe ich nämlich auch Rohstoffe drunter). Und das, je nachdem wie ich die Karten auf der Hand verwende. Nehme ich die einen Rohstoffe, kann ich diese Karte bauen, nehme ich die anderen Rohstoffe, kann ich die andere Karte bauen, ah nein, da fehlt doch noch ein Rohstoff, oder? Nochmal zählen. Wie war das jetzt mit der anderen Karte? Nochmal zählen!<
Das ist so mühsam über das gesamte Spiel hinweg. Wenn dann wenigstens die Rohstoffkarten handlich wären. Aber nein. Die eine Rohstoffsorte steht oben, die andere unten. Ich muss also die komplette Karte anschauen, um die Möglichkeiten zu sehen. Hätte man da nicht oben ins Eck die jeweiligen Rohstoffe anzeichnen können, sodass ich einen schnellen Überblick habe, wenn ich sie auf der Hand habe?
Ok, man kann sich mit Hausmitteln schon etwas helfen. Wir haben ein paar 20-seitige Würfel im Haus und haben diese auf die entsprechende Bauvorhabenreihe gelegt, die zeigt uns jeweils aktuell die Kosten inkl. der Ermäßigungen an. Viel besser.
Lassen wir die Handhabung einmal außer acht. Wie spielt sich das Spiel. Flott, das ist schonmal gut. Man baut an seinem Imperium und versucht, seine Strategie zu perfektionieren. Dabei ist man sehr allein unterwegs, denn die Möglichkeiten, den Mitspieler aufzuhalten, sind gering. Das geht am besten, wenn man zu zweit oder dritt über einen Mitspieler herfällt, dann kann man ihn schon kurz aus der Bahn werfen, aber nicht wirklich entscheidend. Das versprochene „4X-Spiel“ ist das nicht. Es fehlt das „Exterminieren“. So ist es ein relativ einfaches Auslage-Bilden-Spiel, das sich die anderen „X“ etwas aufgepropft hat. Und man merkt kaum, ob man zu zweit oder zu viert spielt.
Leider kann ich mit meiner Flotte wenig ausrichten. Denn wie läuft ein Kampf ab? Zum einen, auch wenn ich fünf Schiffe habe, greift jedes einzeln an. Und wie läuft ein Kampf? Ich ziehe eine Karte und vergleiche die Zahl auf der Karte mit dem Verteidigungsplan. Auf den Karten sind die Werte 1 bis 4. 1 ist meist schlecht, 4 ist meist gut. Ich habe kaum eine Möglichkeit, meine Schiffe zu verstärken, oder gar zusammen angreifen zu lassen. Es bleibt dabei, ich greife an und ziehe eine Karte und ergebe mich dem Schicksal. Also baue ich eine tolle Flotte und dann entscheidet eine gezogene Karte. Das ist frustierend. Warum gibt es nicht mehr Technologien, die meine Schiffe verbessern? Warum kann ich nicht mit einem Schiff angreifen und mit den anderen unterstützen? Auch das hätte man besser lösen können.
Bei der Punktvergabe während des Spiels (durch die operativen Technologiekarten bzw. die Planeten) läuft es ähnlich. Wenn ich Punkte machen will, muss ich eine Karte ziehen. Ist das entsprechende Symbol darauf, gut, ist es nicht drauf, Pech gehabt. Immerhin eine 50/50-Chance. Da kann ich an meinem Imperium noch so lange hinbasteln, es wird nicht besser, auch nicht schlechter. So ergeben sich viele Punkte durch reines Glück, das ich auch nicht mal im Geringsten beeinflußen kann.
FAZIT
Alien Artifacts“ ist ein wunderschön gestaltetes Auslage-Bilden-Kartenspiel, das keine sonderlichen Ansprüche stellt. Durch die Grafik wird man in das Spiel hineingezogen und man erlebt den Aufbruch ins All förmlich mit. Die vielen unterschiedlichen Technologiekarten machen das Spiel komplex, aber in keinster Weise überfordernd. Man muss viel Zählen in seiner Auslage, die Entscheidungen werden durch nicht beeinflussbares zufälliges Kartenziehen gelöst. Auch die Bauvorhaben, die man kaufen kann, sind zufällig, da immer nur eines je Sorte offen liegt.
Die Auslage selbst ist fummelig, man muss eine Reihe von Karten unter ausliegende Karten schieben.
Wäre es nicht so schön gestaltet, könnte es meiner Meinung im Regal liegen bleiben. So reizt das Material, gespielt zu werden. Und wer sich vom Glück nicht ablenken lässt, bekommt ein wenig anspruchsvolles Spiel auf den Tisch, das mehr verspricht als es halten kann. Letztlich ist es ein reines Ablegespiel mit ein paar netten Gimmicks. Familien und Gelegenheitsspieler können sich über ein paar Partien freuen, wenn man sich durch die Anleitung gearbeitet hat. Vielspieler werden schnell die einfache Struktur des Spiels erkennen und dass man wenig Einfluss auf den Aufbau und die Wirksamkeit seines Imperiums hat.
Obwohl es ein schnelles Spiel ist (Spielzeit ca. eine Stunde), dauert es manchmal zu lange, nämlich dann, wenn sich ein Spieler frühzeitig absetzen kann, da er die richtigen Kombinationen an Karten erhalten hat. Dann kann man nur gemeinsam gegen ihn vorgehen, aber selbst das bringt nicht wirklich viel. So spielt jeder für sich und versucht, seine Strategie mit einem hoffentlich glücklichen Händchen umzusetzen.
Ich habe eigentlich nicht wirklich etwas gegen einen gewissen Glücksanteil in Spielen. Manche Spiele beruhen nur auf Glück. Andere so wie „Alien Artifacts“ kommen daher, als wären sie strategische Spiele. „AlienArtifacts“ will ein großes Aufbauspiel mit vielen Möglichkeiten sein, ein 4X-Spiel. Da würde der Glücksanteil nicht stören, hätte ich eine Möglichkeit, ihn zu beeinflussen. Aber das habe ich nicht. Egal wie lange und wie oft ich spiele, eine gezogene Karte entscheidet einen Kampf, eine gezogene Karte entscheidet, ob ich eine Wertung durchführen kann oder nicht. Das ist mir zu wenig. Besonders, da man mit wenigen Mitteln das lösen hätte können (Schiffe greifen gemeinsam an, ich kann mehr Karten ziehen und die bessere werten, usw.). So bleibt von einem wirklich optisch tollen Spiel letztlich nur ein einfaches Glücksspiel, dafür lohnt aber der ganze Aufwand nicht. Hausregeln könnten das Spiel deutlich aufwerten.
BEWERTUNG
Dank der gelungenen und spielfördernden Grafik gibt’s einen Punkt extra.
+ beeindruckende Grafik und Material
+ schneller Spielzug, keine Wartezeit
– einige Technologien zu stark
– viel zu viel Zufall im Spiel
– Endlos-Schleifen-Problem erst mit neuen Regeln aus dem Internet gelöst
– ständige Zählerei
– Handhabung der Kartenauslage sehr fummelig
(Eine Rezension von Gerhard Hany)
Hinweis zur Gender-Formulierung: Bei allen Bezeichnungen, die auf Personen
bezogen sind, meint die gewählte Formulierung beide Geschlechter, auch wenn aus Gründen der leichteren Lesbarkeit nur die weibliche oder männliche Form
verwendet wurde.
Die folgende Bewertung erfolgt innerhalb der Kategorie:
„Familienspiel“
Kurzfassung
Titel: Alien Artifacts
Autor: Marcin Senior Röpke und Viola Kijowska
Grafik: Evan Lee
Verlag: Portal Games
Spieleranzahl: 2-5 Spieler
Altersempfehlung Verlag: Ab 10 Jahren
Spieldauer: 60 Minuten
jungundalt-tauglich: geeignet von 10 bis 70, spricht alle Altersgruppen gleich an