Ein Fall für die Spiel-SOKO – Unter Schock von moses. (Rezension)

Unter Schock | Kooperatives Krimispiel | ab 14 Jahren | 1 bis 6 Spielende | Mathias Spaan | moses.

Krimispiele zum Selbsttüfteln liegen schon ein paar Jahre voll im Trend, insbesondere für Personen, die sich eher selten die Zeit nehmen zu spielen. Entsprechend viele Spiele-Reihen haben sich seitdem etabliert, und über die meisten haben wir euch auch schon berichtet. Nun taucht plötzlich „Unter Schock“ auf und macht etwas ganz Neues.

Das Material liegt sauber verstaut in einem Papp-Inlay
Liebling, es ist Schock-Zeit!

Das Spiel
Unter Schock
ist ein kooperatives Krimispiel von Mathias Spaan und bei moses. erschienen. Es ist für 1-6 Spielende geeignet und kann ab 14 Jahren gespielt werden.

Die Schachtel von „Unter Schock“ verspricht drei Fälle und drei Morde für ein Team. Das Team sind wir. Und um es gleich vorab zu nehmen: Im Gegensatz zu anderen Krimireihen kann unser Team kann gerne aus mehr als zwei Personen bestehen. Das ist schon mal die erste gute Nachricht. Langweilen wird sich niemand. Dafür sind die Fälle kurz genug und die Infos, mit denen wir arbeiten bestehen in der Regel aus wenigen Sätzen, die vorgelesen werden und die man sich gut merken kann. Lange über Bildkarten grübeln und mit dem Kopf anderen die Sicht versperren – das gibt es bei „Unter Schock“ nicht.

Jeder der drei Fälle, die voneinander unabhängig sind, und deswegen in einer beliebigen Reihenfolge gespielt werden können, beginnt mit einer Fallakte. Wer sich danach fühlt, liest sie den anderen vor. Das dauert etwa zwei Minuten und fasst das unmittelbare Setting des Mords zusammen, den wir auflösen sollen: Infos zum Opfer, die verdächtigen Personen, den Tatort und die vermutliche Tatzeit. Jede Fallakte endet damit, dass vier konkrete Fragen an uns als Ermittlerteam gestellt werden. Um einen Fall abschließen zu können, brauchen wir die Antworten auf mindestens drei davon. In einer Abschlussakte können wir dann zum Spielende prüfen, wie gut wir die Infos kombiniert haben, und ob unsere Ermittlungen erfolgreich waren.

In der Fallakte stehen die Rahmeninfos und die Leitfragen
Fall 2: Der Bruder des Autors. Los geht’s.

Die Infos, mit denen wir ermitteln, kommen von Karten. Pro Fall sind das immer genau 27. Diese unterscheiden sich in viele Zeugenaussagen, die jeweils konkreten Personen zugeordnet werden können, und eine deutlich geringere Zahl an Beweisstückkarten. Auf den Zeugenaussagen finden wir kurz und knapp eine Aussage der verdächtigen Person. In der Regel stehen da nicht mehr als zwei Sätze. Auf den Beweisstückkarten ist eine Szene abgebildet und ein Ort dazu angegeben.

Alle Karten werden nun miteinander gemischt! Ja, ihr habt richtig gelesen: durch-ein-an-der gemischt! Für die bisherigen Krimispiele ist das ein absolutes No-Go! Da müssen die Karten immer in einer besonderen Reihenfolge gezogen werden und niemals darf irgendwas durcheinander geraten, weil sonst die geradlinige Handlung durcheinander geraten würde. Bei „Unter Schock“ spielt das keine Rolle. Die gemischten Karten werden in einem Raster ausgelegt, das sehr an das Spiel „7 Wonders Duel“ erinnert.

Die Karten liegen in Reihen aus.
Hören wir mal Jonas zu, was er so zu sagen hat. Los, umdrehen!

Konkret bedeutet das, dass nun die verdeckten Karten in sechs Reihen untereinander ausliegen und die Reihen jeweils überlappen. Zugriff haben wir zu Beginn nur auf die ‚freien‘ Karten in der unteren Reihe. Erst nach und nach bekommen wir Zugriff auf Karten, die weiter oben in der Reihe liegen, wenn wir sie erreichbar gemacht haben.

Die Info der Karte, die wir umgedreht haben, teilen wir natürlich mit den anderen. Wir haben das durch Vorlesen geregelt. Wie gesagt, die Texte sind kurz. Danach kommt die Karte offen zur Seite und kann natürlich immer wieder eingesehen werden. Basierend auf den Fragen von der Fallakte, entstehen schon schnell erste Gespräche am Tisch, Ideen werden gesponnen und Vermutungen ausgesprochen. Wenn mehr Infos gebraucht werden, wird die nächste Karte umgedreht.

Insgesamt dürfen aber nur drei Karten offen liegen. Um eine neue aufzudecken, wandert dann eine eurer bekannten Karten aus dem Spiel in die Schachtel. Das ist aber kein Problem. Weil die Kartentexte so gering sind, kann man sich die Infos gut merken. So ein bisschen Gehirnakrobatik tut ja ganz gut, zumal die Anleitung des Spiels untersagt, sich Notizen zu machen. Das hat uns am Anfang sogar richtig verwundert, waren wir es doch aus anderen Krimispielen gewohnt alles aufzuschreiben.

So spielen wir uns nacheinander die Karten frei, bis wir uns in der Lage sehen, die Ermittlungsragen aus der Fallakte zu beantworten. Das kann zu einem x-beliebigen Moment innerhalb des Spiels sein. Dabei ist es nicht notwendig alle Karten zu kennen, aber durchaus hilfreich. Mit der Abschlussakte prüfen wir nun gegen, ob unsere Vermutungen stimmen. Außer dem grandiosen Gefühl, die Zusammenhänge erfolgreich hergestellt zu haben, bestimmt die Anzahl der Karten, die noch auf dem Tisch liegen, die Qualität unserer Ermittlung. Aber wie eigentlich immer: Eine Bewertung durch Punkte interessiert mich bei Krimispielen nie.

 

Fazit
„Unter Schock“ tut etwas, das ich in Krimispielen bisher noch nie machte: Es lässt mich die Karten in eine zufällige Reihenfolge bringen! Dadurch entsteht eine unvorhergesehene Dynamik, wann welche Karte aufgedeckt wird. Und so stelle ich mir tatsächlich Ermittlungsarbeit vor: unberechenbar und auch ein bisschen zufällig. Somit wirkte „Unter Schock“ auf uns lebhafter als andere Spiele dieser Art, bei der Karten unbedingt in einer ganz bestimmten Reihenfolge umgedreht werden müssen, damit sie die Story vorantreiben.

Keine der Infos war so ein richtiger Eisbrecher, aber in der Reihenfolge, in der sie auftauchten, ließen sie Verdachtsmomente erhärten oder nahmen Verdächtige aus der Schusslinie. Bei uns kamen bei „Unter Schock“ am Tisch richtige und authentische Diskussionen auf, die wir aus anderen Spielen noch nicht kannten. Und in diese Diskussionen konnten sich alle am Tisch jederzeit einbringen. Auch darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu anderen kooperativen Krimispielen anderer Reihen, bei denen sich häufig eine Alpha-Person herausschält, also eine Person, die das Geschehen an sich reißt.

Drei Fälle liegen in der Schachtel. Jeder davon dauert etwa 25 Minuten. Das ist kurzweilig und lässt auch mal zu, dass man einen Fall „rein schiebt“. Das ganze Material ist sorgsam mit Papierbanderolen voneinander getrennt und liegt in einem Inlay aus Karton. Kartenchaos kommt da keins auf. Von Plastik ist keine Spur. Sehr gut. Und die Schachtel kommt in dem handlichen Schubladenkarton, der für den Verlag so typisch ist.

Zwei der Fälle haben uns richtig viel Freude bereitet und wir konnten sie auch dadurch lösen, dass wir die Infos der Karten logisch miteinander verknüpft hatten. Das fühlt sich gut an, wenn Gehirnarbeit sich auch lohnt. Der dritte Fall schien uns dann doch ein wenig konstruiert. Da hatten wir das Gefühl, dass uns eine wichtige Info vorenthalten wurde. Und trotzdem klopften wir uns dafür auf die Schulter, dass wir den größten Teil der Ermittlungsarbeit geleistet hatten. Überhaupt finde ich motivierend, dass wir die Täter:in bereits überführen können, wenn wir nur drei der vier möglichen Antworten kennen. Mut zur Lücke ist wohl auch in der fiktiven Ermittlungsarbeit ein gutes Prinzip zum Erfolg.

„Unter Schock“ könnte auf jeden Fall ein gutes Stück generationentauglicher sein, wenn das Verhältnis von Bild und Text auf den Karten umgekehrt wäre. Also: größeres Text, kleineres Personenbild. Ansonsten passt das schon sehr gut, denn das eigentliche Spiel ist ja der Austausch untereinander. Die Altersvorgabe von 14 Jahren hingegen finde ich gut gesetzt. In den Fällen kommen Sex, Gewalt und Drogen vor. Da darf der Kreis der Spielenden gerne schon mal ein bisschen älter sein.

 

Bewertung / Test
+ neues nicht-lineares Spielsystem
+ Fälle durch Logik lösbar
– Verhältnis von Bild zu Text auf den Karten generationenuntauglich

 

 

(Eine Rezension von Oli Clemens)


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Die folgende Bewertung erfolgt innerhalb der Kategorie:
“Kooperative Spiele”

  • ... Altersgruppe 14 bis 49 Jahre
  • ... Altergruppe 50 bis 70 Jahre
  • ... Altersgruppe ab 71 Jahre

Unter Schock (2022)

Spielidee: Mathias Spaan
Grafik: Folko Streese
Verlag: moses.
Anzahl der Spielenden: 1-6 Personen
Altersempfehlung Verlag: Ab 14 Jahren
Spieldauer: etwa 25 Minuten pro Fall

Generationentauglichkeit: Ja, aber macht doch bitte die Schrift größer und die Illustrationen der Personen auf den Karten kleiner. Dann passt’s.