Familiar Tales von Plaid Hat Games / Asmodee – Und wenn sie nicht gestorben sind, spielen sie noch heute

Familiar Tales | Familienspiel | ab 8 Jahren | 1-4 Personen | Jerry Hawthrone | kooperativ | Plaid Hat Games | Vertrieb Asmodee | generationentauglich | pädagogisch wertvoll

Bild von Familiar Tales und dem farbenfrohen, vielfältigen Material

 

Es war einmal ein Küchentisch, der sich in ein Märchenland verwandelte.
Aufgeschlagen liegt ein dickes Ortsbuch, daneben kleine Vertraute – Frosch, Füchsin, Fee, Golem – und mittendrin ein winziges Baby, das behütet werden will. Ein Klick in die begleitende Web-App, eine Stimme hebt an, Musik weht durch den Raum – und schon sind wir fort, auf Fluchtwegen durch Mühlen, Wälder und über Wurzelbrücken. Das wirkt wie interaktives Hörspiel mit Spielbrett: Die App erzählt, lenkt, speichert, wir entscheiden, würfeln ab und zu das Glück heraus und blättern zur nächsten Seite im Buch. Ohne die App geht’s nicht – sie ist unser Erzähler, Regie und Logbuch in einem.

Warum das so gut funktioniert? Weil der Zugang butterweich ist. Kinder ab acht steigen mühelos ein, Erwachsene bekommen trotzdem genug zum Kauen: Fünf Handkarten formen pro Zug kleine Rätsel – bewege ich, sammle ich, kümmere ich mich? Karten sind Multitalente für Proben, Bewegung, Kampf und Kniffe; jedes Szenario bringt eigene Mini-Regeln, aber nie zu viel auf einmal. Dadurch entsteht ein Rhythmus aus Lauschen, Entscheiden, kurzes Kapitel spielen – und „ach komm, eins geht noch“. Dass die Kampagne in drei Akte gegliedert ist und wir die Prinzessin von ihren ersten Tagen an (als Baby) begleiten, ist der emotionale Haken: Unsere Taten hinterlassen Spuren, die Geschichte biegt an Gabelungen ab – und am Ende ist sie nicht nur gerettet, sondern zu jemandem geworden, den wir selbst mitgeprägt haben. Nur wer epische Komplexität erwartet, wird hier vergeblich suchen – Familiar Tales ist bewusst leichtfüßig. Dafür erzählt es mit Herz, wo andere mit Regeln erschlagen.

Materialseitig ist das ein kleines Fest: stabiles, großformatiges Buch als Tischbühne, übersichtliche Räder für Laune & Unglück, sortierte Deck- und Akt-Boxen, dazu Miniaturen, die man sogar bemalen kann – der Charme sitzt bis in die Marker. Genau diese Wertigkeit trägt das Märchenhafte: Aufklappen, Figuren setzen, Szene spielt. (Das Regelheft bleibt angenehm schlank, die App hält Glossar & Nachschlagehilfe bereit; zusammen ist das wirklich „hinsetzen und losspielen“.)

Spielerisch bleibt Familiar Tales kooperativ-leicht, aber selten flach. Kämpfe sind taktisch genug, um Teamgespräche auszulösen, ohne an der Geduld zu sägen. Ressourcen wirken überschaubar, das Deck lässt sich mit neuen Fertigkeiten nach und nach schärfen, und der „Kümmern“-Aspekt – Wickeln, Füttern, Trösten – ist kein Gimmick, sondern Herzstück: Vernachlässigen wir das, schreit das Baby, steigt die Gefahr, und plötzlich wird aus Märchenidylle ein hektischer Sprint zur nächsten sicheren Tür. Dieser Fokus hält die Dramaturgie familientauglich hoch und die Kapitel angenehm kompakt.

Natürlich hat jedes Märchen seine Dornenhecke. Der Aufbau ist zwar ordentlich geführt, aber ein paar Schälchen für Marker und das vorsortierte Ablegen der Decks sparen Nerven. Und weil die Erzählführung über Browser-App läuft, sollte man (je nach Gerät) kurz prüfen, ob Bedienung und Speichern rund laufen – dann wird aus „mal reinprobieren“ sehr schnell „wir essen heute halt später“. Dafür belohnt das Spiel konsequent mit Tempo, Wärme und Momenten, in denen Kinder und Erwachsene gemeinsam entscheiden, lachen, scheitern, neu ansetzen – und die nächste Seite aufschlagen.

Bild von drei Rüstungskarten sowie einem persönlichem Aktionsrad.


Fazit
Ein märchenhaftes Story-Crafting-Game mit echtem Familien-Flow: kinderleicht rein, gemeinsam tief drin. Familiar Tales verbindet Hörbuch-Atmosphäre, schlaues Karten-Handling und liebevolles Material zu einer Kampagne, die verzaubert statt zu überfordern. Für Familienrunden ab acht eine Empfehlung mit Schleife – und für bemalfreudige Hände ein gefundenes Fressen.

 

Bewertung / Test
+ extrem zugänglich, Kapitel im perfekten Häppchenformat
+ starke Atmosphäre (App-Erzählung) und lebendiges Abenteuerbuch
+ hübsches, stabiles Material; Minis laden zum Bemalen ein
+ kooperativ, kindertauglich – und dennoch mit Entscheidungen, die tragen
– App ist Pflicht; je nach Gerät/Bedienung gelegentlich fummelig
– erfahrene Vielspielende könnten sich mehr „Crunch“ wünschen

 

(Eine Rezension von Petra Fuchs)

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Familiar Tales (2022)

Spielidee: Jerry Hawthorne
Verlag: Plaid Hat Games / Vertrieb Asmodee
Anzahl der Spielenden: 1-4
Altersempfehlung Verlag: ab 8 Jahre

Spieldauer: je nach Abenteuer ca. 30-45 Minuten

Generationentauglichkeit: Ob acht oder achtzig – wer Freude am gemeinsamen Eintauchen in Geschichten hat, findet hier einen märchenhaften Spielplatz für alle Generationen.
Pädagogisch wertvoll: Familiar Tales fördert Empathie, Entscheidungsfähigkeit und Teamkommunikation – und zeigt spielerisch, dass Fürsorge, Verantwortung und Mut immer gemeinsame Abenteuer sind.