Aus gut mach besser – Glen More 2 von Funtail zeigt, wie Neuauflage geht (Rezension, Test)

Glen More 2 – Chronicles von Matthias Cramer, Grafiken von Jason Coates für 2-4 Spieler ab 12, 90-120 min, erschienen 2019 bei Funtails ist ein moderates Kennerspiel, auch geeignet für erfahrene Gelegenheitsspieler

Kann man etwas sehr Gutes noch besser machen? Und soll man das eigentlich? Zwei wichtige Fragen, die man sich stellen sollte, wenn man nach einem Spiel greift, das eine 2 hintenanstehen hat. So gibt es immer mehr Spiele, die quasi der zweite Teil eines erfolgreichen Spieles sind. Klar will man damit die Käufer locken. Aber hat man sich auch auf Verlagsseite die zwei wichtigen Fagen gestellt und konnte man sie mit „Ja“ beantworten? Sehen wir es uns am Beispiel „Glen More“ an.

„Glen More“, also das erste Spiel, war ein Knaller. Zwar oft übersehen, aber wer es auf dem Tisch hatte, war begeistert. Eine tolle Spielmechanik, ein jedesmal spannendes und immer wieder anders verlaufendes Spiel. Und dabei so easy, so locker zu spielen und mit wenig Zeitaufwand und wenig Regelstudium ist viel Spiel auf dem Tisch.

Und jetzt Teil 2. Kann man es denn besser machen? Nun, da muss man schon sehr behutsam rangehen. Oft genug wird etwas verschlimmbessert. Oder man ruht sich gemächlich auf den Lorbeeren aus. Hier gar nicht. Hier hat der Autor perfekten Feinschliff an den Tag gelegt. Und das Spiel hat gewonnen. Das ahnt man nicht, liest man sich die Regeln durch. „Was, das fällt weg? Und was soll die Landkarte?“ Das sind die ersten Fragen, und man denkt sich „Och nö, es war mal so ein geiles Spiel“.

Und dann spielt man es. Und „bäng!“ ist man begeistert. Das ist ja wirklich toll gelöst. Und da, wieder so eine kleine Stellschraube, die es besser, runder, noch spielbarer macht. Klasse. Das Spiel hat wirklich gewonnen. Beide Fragen also mit einem klaren „Ja“ beantwortet.

Kennt wer den Vorgänger nicht? Kurz erklärt: Auf einem Rondell mit Feldern liegen verschiedene Orte. Die Spielfiguren stehen ebenfalls auf solchen Feldern. Wer am weitesten hinten liegt, sucht sich einen Ort vor sich aus (egal wie weit entfernt), zieht seine Figur dorthin und nimmt den Ort und baut ihn in sein Dorf ein. Es gibt ein paar wenige Anbauregeln, die schnell verinnerlicht sind. Dann werden sowohl der gelegte Ort als auch alle direkt benachbarten Orte aktiviert. Das heißt, einige liefern Rohstoffe, andere wandeln Rohstoffe in Punkte um. Klingt simpel, spielt sich auch locker leicht. Das Besondere ist das Rondell und die Entscheidung, welchen Ort ich nehme. Springe ich weit nach vorne, bin ich lange nicht mehr dran, denn immer der, der hinten steht, darf ziehen. So kann man auch ein paarmal direkt hintereinander an der Reihe sein.

Aber Achtung! Je größer mein Dorf ist, desto mehr Gelegenheiten habe ich, aber es können sich am Spielende jede Menge Minuspunkte ergeben. Es wird nämlich bei Spielende die Anzahl der Plättchen miteinander verglichen und für jedes Plättchen, dass ich mehr habe als der mit den wenigsten, verliere ich 3 Punkte. Das ist oftmals entscheidend. Wie alle Punkte durch einen solchen Vergleich vergeben werden. Habe ich drei Whiskyfässer mehr als der mit den wenigsten, erhalte ich drei Punkte. Da kann man, als Letzter, schnell mal die Mitspieler ärgern, wenn man geschickt den Abstand verkleinert.

Durch den Aktivierungsmodus im Spiel ist manchmal auch wirklich knifflig, wie ich die wenigen Plättchen so geschickt verteile, dass ich meine kleinen Maschinen (Rohstoff sammeln und in Punkte umwandeln) geschickt und optimal einsetze. Das führt manchmal zu etwas Downtime, aber alles in Grenzen.

Jetzt gibt es auch noch den Spielplan der Highlands. Hier kann ich mich der Hilfe der anderen Clans versichern. Einmalige oder wiederkehrende Boni machen mir das Spiel leicht, vor allem, da die Person, die ich vom Rondell ziehe, keinen Platz in meinem Dorf benötigt. Das ist wichtig, denn je kleiner das Dorf ist, desto weniger Minuspunkte erwarten mich am Spielende.

Jedesmal, wenn eine Figur weiterzieht, wird die Lücke zur nächsten Person mit neuen Plättchen aufgefüllt. Ja, da ist ein gewisser Glücksfaktor dabei. Aber nicht jeder kann jedes Plättchen gebrauchen, das kommt immer auf die eigenen Strategie an, und nicht jeder will weite Sprünge machen, denn dann ist er lange nicht mehr am Zug. Vielleicht zulange, denn immer, wenn einer der vier Stapel von Nachfüllplättchen leer ist, folgt eine Zwischenwertung. Dann kann man schon mal Punkte liegen lassen, weil man nicht mehr rechtzeitig am Zug war.

Das sind so herrlich kleine Entscheidungen, die man ständig treffen muss, dass es richtig Laune macht. Da entscheidet auch nicht die große langfristige Strategie, sondern der richtige Mix aus langfristiger Strategie und optimalen taktischen Spielzügen.

Dass das Spiel bis zuletzt spannend bleibt und man selbst abgeschlagen noch Chancen hat, ist ein weiterer großer Vorteil.

Und wäre das Spiel nicht eh schon toll genug, hat der Autor bei der „Neuauflage“ auch noch – ganz aktuell – eine fortschreitende Geschichte – „Chronicles“ – eingebaut. Na gut, das ist etwas irreführend. Eigentlich sind es Module, die ich dem Spiel beimischen kann. Dadurch ergibt sich jedesmal aufs Neue eine neue Spielsituation. Für viel Abwechslung ist also gesorgt. Und manche dieser Module haben es wirklich in sich. Manche bieten nur mehr vom Gleichen, andere ganz neue Herausforderungen. Wow, das ist wirklich gelungen.

Und ganz wie die Riesenschachtel ist das Spiel richtig riesig geworden. Und immer noch mit wenig Lernaufwand und entsprechend geringen Zeitaufwand. Die Spielzeit vergeht im Flug – beste Spielerunterhaltung.

Auch Gelegenheitsspieler dürfen sich rantrauen, mit ein bisschen Spielerfahrung kann man schon gut mitspielen.

Die Ausstattung ist gelungen, bei den Grafiken auf den Plättchen hätte ich mir mehr Klarheit gewünscht. Total daneben gegangen ist dem Verlag aber die Markierungsplättchen für die Landkarte. Die sind so klein, man hat echt seine liebe Not, sie mit weniger filigranen Fingern richtig zu platzieren. Da hat man eine so toll ausgestattete Schachtel mit nahezu vorbildlichem Material und dann kann man nicht mal mehr farbige Holzklötzchen spendieren. Schade eigentlich.

 

FAZIT

Glen More 2 – Chronicles ist eine perfekt gelungene Neuauflage eines bereits sehr guten Spiels. Die kniffligen Entscheidungen, welches Plättchen ich nehme und wie ich es in meine Auslage einbaue macht Spaß. Langfristig gedacht und manchmal kurzfristig entschlossen läuft das Spiel mit jeder Partie anders. Die zusätzlichen Module erweitern das Spiel und beleben es hervorragend. Eine wirklich liebevolle Ausstattung mit viel Holz lädt zum Spiel ein und so kurzweilig und spannend unterhalten wird man selten bei so wenig Lernaufwand.

Selbst Besitzer des Originalspiels sollten es sich ins Regal holen, denn es ist nicht nur von der Spielschachtel her ein richtig großes Ding.

Auch zu zweit (mit dem Spielwürfel als zusätzlichen Spieler – der auch bei Mehrspielerspielen für ein schnelleres Spiel sorgt) ein tolles Spielerlebnis. Meiner Meinung nach eines der Spiele, die in jedes Regal gehört. Nicht nur Viel- und Expertenspieler haben hier eine wahre Freude, fortgeschrittene Gelegenheitsspieler sind nicht überfordert. Absolut empfehlenswert.

 

BEWERTUNG

+ tolle Ausstattung (bis auf kleinste Mängel)
+ viel Spiel durch mitgelieferte Module
+ perfekte Überarbeitung des sehr guten Originals
+ schnell gelernte Regeln
+ viel Spieltiefe
+ jedes Spiel verläuft anders
+ Grafiken auf den Ortskärtchen könnte deutlicher sein

 

Hinweis zur Gender-Formulierung: Bei allen Bezeichnungen, die auf Personen bezogen sind, meint die gewählte Formulierung beide Geschlechter, auch wenn aus Gründen der leichteren Lesbarkeit nur die weibliche oder männliche Form verwendet wurde.

 

(Eine Rezension von Gerhard Hany)

Wichtige Informationen zu unseren Rezensionen (KLICK)

 

Die folgende Bewertung erfolgt innerhalb der Kategorie:
“Kennerspiel” 

  • ... Altersgruppe 13 bis 49 Jahre
  • ... Altersgruppe 50 bis 75 Jahre
4.8

Glen More 2 - Chronicles

Autor: Matthias Cramer
Grafik: Jason Coates
Verlag: Funtail
Spieleranzahl: 2-4 Spieler
Altersempfehlung Verlag: Ab 12Jahren
Spieldauer: 90 – 120 Minuten

Generationentauglich: bedingt geeignet, Grafiken nicht klar genug, fizzelige Kleinstteile