Die weiße Burg | Kennerspiel | ab 12 Jahren | 1 bis 4 Spielende | Sheila Santos und Israel Cendrero | Kosmos
Gerne meckere ich über zu viel Luft in der Spieleschachtel, gerade weil der Platz in den Spieleregalen oft knapp ist. Hier schweige ich still. Der Karton ist prallvoll mit Material. Erfüllt „Die weiße Burg“ auch die anderen Erwartungen eines Spielerherzen?

Das Spiel
Die weiße Burg ist ein Kennerspiel von Sheila Santos und Israel Cendrero und bei Kosmos erschienen. Es ist für 1 – 4 Spielende geeignet und kann ab 12 Jahren gespielt werden.
Da muss man sich erst einmal einen Überblick verschaffen bei der Vielfalt an Material, vor allem an Kartenarten. Dabei gibt es keine Ressourcenmarker wie bei den meisten Kennerspielen. Beim Aufbau wird der Spielplan gefüllt mit Würfelmarkern, mit Aktionskarten und Übungsplatz-Plättchen. Das ergibt für jede Partie ganz unterschiedliche Eingangsvoraussetzungen, Varianz ist hier schon mal definitiv gegeben.
Beim ersten Spiel muss man sich an die Ikonographie gewöhnen, die ist aber nicht weiter schwierig und lässt sich über ein einseitige Glossar schnell nachschlagen. Die Startbedingungen für die Mitspielenden werden durch Karten geklärt. Dafür suchen sich alle ein Pärchen aus. Eine Karte stellt eine Aktionsart dar, die auf dem eigenen Tableau zum Einsatz kommt und die andere Karte gibt Startressourcen vor.

Alle haben ein eigenes Tableau, auf dem drei Arten von Figuren aufgestellt werden: Höflinge, Gärtner und Krieger. Die drei Leisten, auf denen Klötzchen verschoben werden können, zeigen den Besitz der möglichen Ressourcen an. Auf den freien Platz rechts unten werden Karten angelegt mit der Rückseite nach oben. Das beginnt mit der Startkarte. Mit der so genannten Laternenaktion kann ich diese Ressourcen abgreifen. Das werden mehr im Laufe des Spiels. Zudem werden Ressourcenfelder frei, wenn die Figuren auf den Spielplan wandern. So gibt es in jeder Reihe ein Würfeleinsetzfeld, welches dann diese Effekte auslöst.

Wir setzen nämlich keine Arbeiter ein, sondern Würfel. Das kennen wir schon von einzelnen Kennerspielen. Hier kommt ein weiterer Kniff hinzu. Auf den drei Brücken werden in aufsteigender Reihenfolge die Würfel platziert, einer mehr als Mitspielende. Bin ich an der Reihe, kann ich einen äußeren Würfel auswählen. Die niedrige Zahl links gibt als Bonus eine Laternenaktion. Eine hohe Zahl ist vorteilhaft auf den Einsatzfeldern. Dort sind Würfelzahlen abgebildet und ich bekomme die Differenz zum eingesetzten Würfel ausbezahlt oder ich muss Geld ausgeben um einen niedrigen Würfel setzen zu können.

Die zugelosten Würfelmarker geben an, welche Aktion dieser Würfel auf der zugeordneten Karte auslöst. Das können auch zwei Effekte sein. Bei mehr als zwei Mitspielenden dürfen die Würfel auch gestapelt werden. Die obere Zeile auf dem nächsten Foto zeigt als Beispiel an: Ich gebe ein Siegel aus um eine Burg-Aktion auszuführen. Damit setze ich einen Höfling auf den unteren Teil der Burg. Nun kann ich Perlmutt ausgeben um diesen oder einen anderen meiner Höflinge aufsteigen zu lassen. Von diesem Platz nehme ich dann die Aktionskarte auf mein Tableau und lege die Karte, die vorher dort lag umgedreht zu meiner Laternenleiste.
Nun wird klar, dass ein Würfel eine ganze Reihe von Aktionen auslösen kann. Dies zu planen und erfolgreich zu nutzen, macht den eigentlichen Reiz des Spiels aus.

Ähnlich ist es mit dem Rekrutieren der Krieger. Hier wird mit Eisen bezahlt und das Setzen des Krieger löst wieder ein oder zwei andere Bonusaktion aus. Wesentlicher ist aber der Effekt bei der Schlußwertung: die Siegpunkte durch Krieger werden zudem multipliziert mit der Anzahl der Höflinge in der Burg. Das ist eine der Möglichkeiten für eine Siegesstrategie.

Die dritte Figurenart sind die Gärtner. Hier ist Nahrung zu bezahlen um sie auf den Feldern unterhalb der Brücken zu setzen. Der Effekt dazu wird sofort ausgelöst und nochmals nach der ersten und zweiten Runde, wenn auf der dazugehörigen Brücke noch ein Würfel liegt.
Es gibt noch weitere Einsetzfelder auf dem Spielplan. Alle müssen hier nicht aufgeführt werden. Durch die unterschiedlichen Karten verläuft jede Partie anders. Und die Aktionskarten wechseln, wenn Höflinge in die Burg aufsteigen. Letztendlich gibt es keine finale Strategie zum Sieg. Es gilt auf die jeweilige Situation zu reagieren und zu schauen, was die Mitspielenden machen. In jeder Runde kann man nur drei Würfel nehmen und einsetzen und nach drei Runden ist die Partie vorbei. Da führt zu einer angenehm kurzen Spieldauer, aber meist fühlt es sich zu kurz an, weil die eigene Strategie erst in Ansätzen greift.
Das Material ist wertig und sehr schön. Die plastischen Brücken sind ein nettes Gimmick, die den Spielplan aufwerten. Für den Spielenden, der gegenübersitzt können sie die Sicht auf die Gärtnerkarten versperren. Wenn das stört, kann man die Brücken problemlos weglassen. Loben möchte ich zudem die Leisten für die Ressourcen. Hier kann nichts verrutschen weil die Würfel diagonal stehen. Gute Idee!
Die Anleitung ist gut, übersichtlich und mit Beispielen versehen. Auf der Rückseite befindet sich ein Glossar mit allen Symbolen zum schnellen Nachschauen. Wenn einmal alles verstanden ist, sind die Abläufe nicht schwierig und die Symbole sind logisch und gut verständlich. Im Solospiel wird ein Rivale, sprich ein:e Mitspielende:r simuliert.
Fazit
„Die weiße Burg“ macht Spaß. Die erste Partie braucht es als Lernpartie um die Zusammenhänge und Möglichkeiten zu begreifen. Doch dann gilt es, die erste Auslage zu erforschen, wie diese Runde erfolgreich gespielt werden könnte. Und ab der zweiten Partie kann man auch die Startkarten besser einschätzen und die Wahl mit der vorüberlegten Strategie besser treffen. Doch selbst mit der Lernkurve gibt es unterschiedliche Wege zum Sieg, die auch von der Strategie der Mitspielenden abhängen. Als Kennerspiel hat es eine mittlere Tiefe und mit ungefähr 60 Minuten eine angenehme Spieldauer. Wenn man dann zumeist das Gefühl hat, es ist zu schnell vorbei, spricht das nur für die Qualität des Spiels.
Der variable Aufbau bringt Wiederspielreiz. Ich befürchte aber, dass sich dies auf Dauer verliert. Im Prinzip verlaufen die Partien dann doch wieder ähnlich. Allerdings sollte man mit zeitlichem Abstand auch problemlos wieder reinkommen.
Als generationenübergreifend ist „Die weiße Burg“ nicht konzipiert. Das zeigt schon die passende Altersangabe ab 12 Jahren. Spieleerfahrene ältere Person können sich aber durchaus herantrauen.
Bewertung / Test
+ Vielfalt durch Varianz
+ angenehme Spieldauer und -tiefe
(Eine Rezension von Paul Theisen)

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Die folgende Bewertung erfolgt innerhalb der Kategorie:
 “Kennerspiel”
- 
					... Altersgruppe 13 bis 49 Jahre
 - 
					... Altergruppe 50 bis 70 Jahre
 - 
					... Altersgruppe ab 71 Jahre
 
Die weiße Burg (2023)
Spielidee: Sheila Santos und Israel Cendrero
Grafik: Joan Guardiet
Verlag: Kosmos
Anzahl der Spielenden: 1 – 4
Altersempfehlung Verlag: ab 12 Jahren
Spieldauer: 60 Minuten
Generationentauglichkeit: komplex und von den Möglichkeiten her schwierig zu überblicken. Die Alterseinstufung zeigt schon, dass es sich hier nicht um ein Spiel handelt, das man generationenübergreifend spielen kann.