Age of Innovation | Expertenspiel | ab 14 Jahren | 1-5 Personen | Helge Ostertag | Feuerland Spiele | generationentauglich

Wenn Terra Mystica die wuchtige Kathedrale des Euro-Genres ist, dann ist Age of Innovation die modulare High-Tech-Ausbaustufe mit Fußbodenheizung. Man spürt sofort die DNA: Landschaften terraformen, Nachbarschaft nutzen, Gebäude hochziehen, Städte gründen – und natürlich dieser legendäre Machtkreislauf, der erst hakt wie eine alte Kettenbahn und dann „klick“ macht und zur taktischen Goldmine wird. Genau daran musste ich mich anfangs gewöhnen; sobald er greift, steuert man Tempo, Timing und Ressourcenknappheit mit feinem Fingerspitzengefühl.
Das Besondere – und der große Unterschied zu Terra Mystica & Co.: Du baust dir deine Fraktion zusammen. Statt „ein Volk, ein Tableau“ kombinierst du Planungstableau (Heimatlandschaft) + Gemeinschaft + Rundenbonus + (später) Palastfähigkeit zu einer individuellen Engine. Das sorgt für riesige Varianz und reizvolle Pick-Order-Dramen schon vor dem ersten Zug. Dazu kommen Bücher als dritte Ressource und Erfindungen samt Kompetenzen: mal passive Boosts, mal Sofortpunkte, mal zusätzliche Gebäude – und jedes Spiel legt die Auslage anders, was echte „Entdeckerlaune“ in einem Optimierer entfacht.
Auf dem Tisch fühlt sich das trotz „Klopper“-Etikett bereits nach dem 2. Spiel überraschend geschmeidig an: Einkommen – Aktionen – Rundenabschluss, sechs Mal, fertig. In den Aktionen liegen die Grübel-Loops: Umwandeln & Bauen, Aufwerten (mit Timing-Rabatten), Schifffahrt und Umwandlungsfortschritt, Gelehrte für Wissensleisten, Macht-/Buch-/Sonderaktionen – alles greift ineinander. Die Wissensleisten ersetzen die alten Kulte – belohnender, planbarer, aber mit Wettlaufspitzen. Und die Städte? Immer noch „Aha!“-Momente, jetzt dank mehr Marker und flexibler Synergien deutlich öfter relevant.
Und das Beste: Man muss hier gar nicht alles machen. Das Spiel belohnt Spezialisierung – wer sich auf zwei oder sogar nur einen Bereich konzentriert, kann trotzdem ganz vorne landen. Ich zum Beispiel habe die Wissenskultleisten komplett ignoriert und das Spiel trotzdem gewonnen. Diese Freiheit macht Age of Innovation so spannend: Jede Partie fühlt sich anders an, weil man seine eigene „Wissenschaft des Erfolgs“ finden darf.
Warum das für Terra-Fans spannend ist: mehr Freiheit, mehr Feintuning, mehr Identität – ohne das Kernerlebnis zu verwässern. Warum es anders ist: Bücher & Erfindungen öffnen neue Pfade; Kompetenzen brechen starre Farblogik; Paläste sind nicht mehr fest verdrahtet; die doppellagigen Tableaus und modulare Setups drücken Downtime beim Handling. Und ja: asynchron spielt es sich hervorragend – die Züge sind klar umrissen und lassen sich Zug-für-Zug planen, was das Spiel für „Fernpartien“ und Gruppen mit heterogenem Tempo alltagstauglich macht.
Mein persönlicher Haken – und zugleich mein Lieblingsdetail: die Machtleiste. Am Anfang bockig, dann genial. Sie zwingt zu Vorausplanung (wann investiere ich, wann „recycle“ ich), modelliert Knappheit ohne Würgegriff und belohnt das Lesen der Tischdynamik. Das dauert schonmal 2-3 Partien, bis sich die Machtleiste in den Spiel-Flow integrieren will. Wird es dann aber beherrscht, öffnen sich plötzlich ganze Möglichkeitsräume: günstiger bauen, Timing-Sprints, letzte-Runde-Kniffe – und zwischendrin diese kleinen „Ich hab’s!“-Momente, für die wir Expertenspiele lieben.
Fazit
Ein würdiger Nachfolger auf Terra-Basis: vertraut im Kern, frischer im Drumherum. Age of Innovation ist kein Showeffekt-Monster, sondern eine präzise, modulare Denkmaschine mit Thema im Rücken – fordernd, planbar, belohnend. Wer Terra Mystica mochte, bekommt hier den „Sandbox-Modus“ mit Werkzeugkoffer: mehr Kombos, mehr Richtungen, mehr „Noch mal!“.
Bewertung / Test
+ modulare Fraktionskonstruktion (riesige Varianz)
+ Bücher/Erfindungen & Kompetenzen als neue, elegante Tiefe
+ Machtkreislauf als genialer Timing-Motor (hoher Skill-Ceiling)
+ klare Rundenstruktur; asynchron sehr gut spielbar
– Erstpartien wirken front-loaded (Aufbau & Draft dauern)
– Grübelgefahr: viele gute Züge, wenig harte Leitplanken
– Setup/Sortieren bleibt bei vollem Modul-Einsatz spürbar
(Eine Rezension von Petra Fuchs)

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Age of Innovation (2023)
Spielidee: Helge Ostertag
Verlag: Feuerland Spiele
Anzahl der Spielenden: 1-5
Altersempfehlung Verlag: ab 14 Jahre
Spieldauer: ca. 40 Min./Pers.
Generationentauglichkeit: Eher weniger. Sehr viel kleines Material